Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Braun, Lily: Die Frauen und die Politik. Berlin, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

thuender ist es, zu Hause mit den Kindern zu spielen, als draußen zu
stehen in den politischen Stürmen und es erhält Gesundheit und
Frohsinn weit mehr, fein stille das Haus zu hüten, als sich den
Verdächtigungen und Beschimpfungen der Gegner auszusetzen, und all
die Opfer an persönlichem Glück auf uns zu nehmen, die unsere Sache
von uns fordert.

Was uns aber trotz alledem immer wieder in den Kampf treibt,
ist nicht nur die weitschauende Mutterliebe, nicht nur der Blick auf
unser Kind, der Gedanke an seine Zukunft, der alle Selbstsucht ertödtet
und den gebrochenen Muth wieder aufrichtet, es ist auch das Ver-
antwortlichkeitsgefühl. Wir sind die Vorposten im Gefecht; von
unserer Ausdauer, von unserem Opfermuth wird es abhängen, ob die
Heerschaaren uns folgen werden. Wir sind es, die zu beweisen haben,
daß die Kraft des Weibes der des Mannes nicht nachsteht, daß sie
vielmehr bestimmt ist, sie zu ergänzen, und nur die gemeinsame Arbeit
beider Geschlechter zu dem Ziele führen kann, von dem wir die Neu-
ordnung der Gesellschaft erwarten: der Ueberwindung des Kapi-
talismus.

... Jch sehe eine Schaar von Frauen. Sie schreiten festen
Schrittes, erhobenen Hauptes, waffenlos. Sie tragen ihre Kinder
auf ihrem Arme, und fürchten nicht die Steine auf ihrem Weg, die
drohenden Lanzen ihrer Feinde neben sich, die dräuenden Gewitter-
wolken am Himmel. Wie einst ihre Schwestern in Frankreich, so
ziehen sie hin, die Zukunft zu erobern für ihr darbendes Volk. Aber
es sind ihrer nicht wenige Tausende: endlos dehnt sich der Zug, -
fern, fern am Horizont tauchen immer neue Schaaren auf -
Millionen Gestalten, gehüllt in den grauen Mantel der Sorge. Und
weit, wo ein lichter Streifen den Himmel säumt, tauchen sie unter ...
Blutroth erhebt sich der Sonnenball über der Erde. Seine ersten
Strahlen vergolden die Häupter der Siegerinnen. Sie zogen aus,
Brod zu suchen für ihre Kinder, sie kehren heim, die königliche Zukunft
in ihrem Gefolge. Viele mähte der Tod dahin, als sie im Dunkel
wanderten, ihre lachenden Kinder zeugen für ihr Heldenthum. Sie
tragen weiße Gewänder und Palmen in den Händen.

Nun ist der Tag erwacht!


Inhalt.
1. Es war einmal   3
2. Die Revolution der Maschine   4
3. Von der Arbeiterin zur Staatsbürgerin   10
4. Fraueninteressen und Politik   15
5. Die Parteien und die Frauen   30
6. Die Pflichten der Frau im politischen Kampf   42

Druck: Vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer & Co., Berlin SW.


thuender ist es, zu Hause mit den Kindern zu spielen, als draußen zu
stehen in den politischen Stürmen und es erhält Gesundheit und
Frohsinn weit mehr, fein stille das Haus zu hüten, als sich den
Verdächtigungen und Beschimpfungen der Gegner auszusetzen, und all
die Opfer an persönlichem Glück auf uns zu nehmen, die unsere Sache
von uns fordert.

Was uns aber trotz alledem immer wieder in den Kampf treibt,
ist nicht nur die weitschauende Mutterliebe, nicht nur der Blick auf
unser Kind, der Gedanke an seine Zukunft, der alle Selbstsucht ertödtet
und den gebrochenen Muth wieder aufrichtet, es ist auch das Ver-
antwortlichkeitsgefühl. Wir sind die Vorposten im Gefecht; von
unserer Ausdauer, von unserem Opfermuth wird es abhängen, ob die
Heerschaaren uns folgen werden. Wir sind es, die zu beweisen haben,
daß die Kraft des Weibes der des Mannes nicht nachsteht, daß sie
vielmehr bestimmt ist, sie zu ergänzen, und nur die gemeinsame Arbeit
beider Geschlechter zu dem Ziele führen kann, von dem wir die Neu-
ordnung der Gesellschaft erwarten: der Ueberwindung des Kapi-
talismus.

… Jch sehe eine Schaar von Frauen. Sie schreiten festen
Schrittes, erhobenen Hauptes, waffenlos. Sie tragen ihre Kinder
auf ihrem Arme, und fürchten nicht die Steine auf ihrem Weg, die
drohenden Lanzen ihrer Feinde neben sich, die dräuenden Gewitter-
wolken am Himmel. Wie einst ihre Schwestern in Frankreich, so
ziehen sie hin, die Zukunft zu erobern für ihr darbendes Volk. Aber
es sind ihrer nicht wenige Tausende: endlos dehnt sich der Zug, –
fern, fern am Horizont tauchen immer neue Schaaren auf –
Millionen Gestalten, gehüllt in den grauen Mantel der Sorge. Und
weit, wo ein lichter Streifen den Himmel säumt, tauchen sie unter …
Blutroth erhebt sich der Sonnenball über der Erde. Seine ersten
Strahlen vergolden die Häupter der Siegerinnen. Sie zogen aus,
Brod zu suchen für ihre Kinder, sie kehren heim, die königliche Zukunft
in ihrem Gefolge. Viele mähte der Tod dahin, als sie im Dunkel
wanderten, ihre lachenden Kinder zeugen für ihr Heldenthum. Sie
tragen weiße Gewänder und Palmen in den Händen.

Nun ist der Tag erwacht!


Inhalt.
1. Es war einmal   3
2. Die Revolution der Maschine   4
3. Von der Arbeiterin zur Staatsbürgerin   10
4. Fraueninteressen und Politik   15
5. Die Parteien und die Frauen   30
6. Die Pflichten der Frau im politischen Kampf   42

Druck: Vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer & Co., Berlin SW.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="47"/>
thuender ist es, zu Hause mit den Kindern zu                         spielen, als draußen zu<lb/>
stehen in den politischen Stürmen und es erhält                         Gesundheit und<lb/>
Frohsinn weit mehr, fein stille das Haus zu hüten, als                         sich den<lb/>
Verdächtigungen und Beschimpfungen der Gegner auszusetzen, und                         all<lb/>
die Opfer an persönlichem Glück auf uns zu nehmen, die unsere                         Sache<lb/>
von uns fordert.</p><lb/>
          <p>Was uns aber trotz alledem immer wieder in den Kampf treibt,<lb/>
ist nicht                         nur die weitschauende Mutterliebe, nicht nur der Blick auf<lb/>
unser Kind,                         der Gedanke an seine Zukunft, der alle Selbstsucht ertödtet<lb/>
und den                         gebrochenen Muth wieder aufrichtet, es ist auch das Ver-<lb/>
antwortlichkeitsgefühl. Wir sind die Vorposten im Gefecht; von<lb/>
unserer                         Ausdauer, von unserem Opfermuth wird es abhängen, ob die<lb/>
Heerschaaren                         uns folgen werden. Wir sind es, die zu beweisen haben,<lb/>
daß die Kraft                         des Weibes der des Mannes nicht nachsteht, daß sie<lb/>
vielmehr bestimmt                         ist, sie zu ergänzen, und nur die gemeinsame Arbeit<lb/>
beider Geschlechter                         zu dem Ziele führen kann, von dem wir die Neu-<lb/>
ordnung der Gesellschaft                         erwarten: der <hi rendition="#b">Ueberwindung des Kapi-<lb/>
talismus.</hi></p><lb/>
          <p>&#x2026; Jch sehe eine Schaar von Frauen. Sie schreiten festen<lb/>
Schrittes, erhobenen Hauptes, waffenlos. Sie tragen ihre Kinder<lb/>
auf                         ihrem Arme, und fürchten nicht die Steine auf ihrem Weg, die<lb/>
drohenden                         Lanzen ihrer Feinde neben sich, die dräuenden Gewitter-<lb/>
wolken am                         Himmel. Wie einst ihre Schwestern in Frankreich, so<lb/>
ziehen sie hin, die                         Zukunft zu erobern für ihr darbendes Volk. Aber<lb/>
es sind ihrer nicht                         wenige Tausende: endlos dehnt sich der Zug, &#x2013;<lb/>
fern, fern am                         Horizont tauchen immer neue Schaaren auf &#x2013;<lb/>
Millionen Gestalten,                         gehüllt in den grauen Mantel der Sorge. Und<lb/>
weit, wo ein lichter                         Streifen den Himmel säumt, tauchen sie unter &#x2026;<lb/>
Blutroth erhebt                         sich der Sonnenball über der Erde. Seine ersten<lb/>
Strahlen vergolden die                         Häupter der Siegerinnen. Sie zogen aus,<lb/>
Brod zu suchen für ihre Kinder,                         sie kehren heim, die königliche Zukunft<lb/>
in ihrem Gefolge. Viele mähte                         der Tod dahin, als sie im Dunkel<lb/>
wanderten, ihre lachenden Kinder                         zeugen für ihr Heldenthum. Sie<lb/>
tragen weiße Gewänder und Palmen in den                         Händen.</p><lb/>
          <p>Nun ist der Tag erwacht!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
    <back>
      <div type="content">
        <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Inhalt</hi></hi>.</head><lb/>
        <list>
          <item>1. Es war einmal<space dim="horizontal"/><ref>3</ref></item><lb/>
          <item>2. Die Revolution der Maschine<space dim="horizontal"/><ref>4</ref></item><lb/>
          <item>3. Von der Arbeiterin zur Staatsbürgerin<space dim="horizontal"/><ref>10</ref></item><lb/>
          <item>4. Fraueninteressen und Politik<space dim="horizontal"/><ref>15</ref></item><lb/>
          <item>5. Die Parteien und die Frauen<space dim="horizontal"/><ref>30</ref></item><lb/>
          <item>6. Die Pflichten der Frau im politischen Kampf<space dim="horizontal"/><ref>42</ref></item><lb/>
        </list>
      </div>
      <div type="imprint">
        <p>Druck: Vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer &amp; Co., Berlin                     SW.</p><lb/>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[47/0046] thuender ist es, zu Hause mit den Kindern zu spielen, als draußen zu stehen in den politischen Stürmen und es erhält Gesundheit und Frohsinn weit mehr, fein stille das Haus zu hüten, als sich den Verdächtigungen und Beschimpfungen der Gegner auszusetzen, und all die Opfer an persönlichem Glück auf uns zu nehmen, die unsere Sache von uns fordert. Was uns aber trotz alledem immer wieder in den Kampf treibt, ist nicht nur die weitschauende Mutterliebe, nicht nur der Blick auf unser Kind, der Gedanke an seine Zukunft, der alle Selbstsucht ertödtet und den gebrochenen Muth wieder aufrichtet, es ist auch das Ver- antwortlichkeitsgefühl. Wir sind die Vorposten im Gefecht; von unserer Ausdauer, von unserem Opfermuth wird es abhängen, ob die Heerschaaren uns folgen werden. Wir sind es, die zu beweisen haben, daß die Kraft des Weibes der des Mannes nicht nachsteht, daß sie vielmehr bestimmt ist, sie zu ergänzen, und nur die gemeinsame Arbeit beider Geschlechter zu dem Ziele führen kann, von dem wir die Neu- ordnung der Gesellschaft erwarten: der Ueberwindung des Kapi- talismus. … Jch sehe eine Schaar von Frauen. Sie schreiten festen Schrittes, erhobenen Hauptes, waffenlos. Sie tragen ihre Kinder auf ihrem Arme, und fürchten nicht die Steine auf ihrem Weg, die drohenden Lanzen ihrer Feinde neben sich, die dräuenden Gewitter- wolken am Himmel. Wie einst ihre Schwestern in Frankreich, so ziehen sie hin, die Zukunft zu erobern für ihr darbendes Volk. Aber es sind ihrer nicht wenige Tausende: endlos dehnt sich der Zug, – fern, fern am Horizont tauchen immer neue Schaaren auf – Millionen Gestalten, gehüllt in den grauen Mantel der Sorge. Und weit, wo ein lichter Streifen den Himmel säumt, tauchen sie unter … Blutroth erhebt sich der Sonnenball über der Erde. Seine ersten Strahlen vergolden die Häupter der Siegerinnen. Sie zogen aus, Brod zu suchen für ihre Kinder, sie kehren heim, die königliche Zukunft in ihrem Gefolge. Viele mähte der Tod dahin, als sie im Dunkel wanderten, ihre lachenden Kinder zeugen für ihr Heldenthum. Sie tragen weiße Gewänder und Palmen in den Händen. Nun ist der Tag erwacht! Inhalt. 1. Es war einmal 3 2. Die Revolution der Maschine 4 3. Von der Arbeiterin zur Staatsbürgerin 10 4. Fraueninteressen und Politik 15 5. Die Parteien und die Frauen 30 6. Die Pflichten der Frau im politischen Kampf 42 Druck: Vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer & Co., Berlin SW.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-08-30T16:52:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-08-30T16:52:29Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braun_frauen_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braun_frauen_1903/46
Zitationshilfe: Braun, Lily: Die Frauen und die Politik. Berlin, 1903, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braun_frauen_1903/46>, abgerufen am 21.11.2024.