Gegenseitige Erwärmung durch Ausstrahlung. Strah- lende Kälte.
Da alle uns umgebende Körper in größerm oder geringerm Grade erwärmt sind, so geben sie auch immerfort strahlende Wärme her, und es findet ein unaufhörlicher Austausch der Wärme der verschiedenen Körper statt. Ist das Thermometer ebenso warm, als die Wand, welcher ich es nähere, so bemerke ich diese Ausstrah- lung nicht, weil bloß die vom Thermometer gegen die Wand aus- strahlende Wärme ersetzt wird durch die von der Wand gegen das Thermometer übergehende Wärme; dagegen wenn die Wand wär- mer ist, sehen wir das Thermometer steigen, weil es mehr Wärme empfängt als verliert, und im umgekehrten Falle sehen wir es sin- ken. Im letztern Falle, wo die Wand kälter ist, hat es das An- sehn, als ob auch Kälte ebenso strahlend von der Wand ausginge, wie sonst die Wärme, und unsre eigne Empfindung ist, wenn wir uns einem kalten Körper nähern, ebenso; aber offenbar ist dieser Anschein bloß darin begründet, daß die von dem wärmeren Thermometer oder von der wärmeren Hand ausströmende Wärme nicht ganz ersetzt wird durch die von der Wand oder von dem käl- tern Körper herüber kommende Wärme. Aus diesem Grunde füh- len wir uns unangenehm in einem Zimmer, dessen Wände nicht durchwärmt sind, wenn gleich der Ofen hinreichend warm ist.
Ein vorzüglich auffallendes Phänomen der anscheinend aus- strahlenden Kälte ist folgendes. Wenn man zwei Hohlspiegel ein- ander so gegenüberstellt, daß die vom Brennpuncte A des einen (Fig. 14.) ausgehenden Strahlen, mit der Axe beider Spiegel parallel zurückgeworfen, sich wieder im Brennpuncte B des andern sammeln, so bringt ein nach A gebrachtes Eisstück das Thermo- meter B zum Fallen, so daß es scheint, als würden die von A aus- strömenden Kältestrahlen AD, AE, nach DF, EG, und dann nach FB, GB, zurückgeworfen. Die Erklärung ist aber ganz einfach. Wären in A und B gleich warme Körper, so würde von A die Wärme nach den Wegen ADFB, AEGB, ausströmen und sich in B sammeln, aber ebenso viel Wärme würde von B aus auf denselben Wegen nach A zurückkehren; ist dagegen A kälter, so beträgt die ihm ertheilte Wärme noch immer ebenso viel, statt daß die von ihm ausgegangene Wärme geringer ist; B erhält daher
Gegenſeitige Erwaͤrmung durch Ausſtrahlung. Strah- lende Kaͤlte.
Da alle uns umgebende Koͤrper in groͤßerm oder geringerm Grade erwaͤrmt ſind, ſo geben ſie auch immerfort ſtrahlende Waͤrme her, und es findet ein unaufhoͤrlicher Austauſch der Waͤrme der verſchiedenen Koͤrper ſtatt. Iſt das Thermometer ebenſo warm, als die Wand, welcher ich es naͤhere, ſo bemerke ich dieſe Ausſtrah- lung nicht, weil bloß die vom Thermometer gegen die Wand aus- ſtrahlende Waͤrme erſetzt wird durch die von der Wand gegen das Thermometer uͤbergehende Waͤrme; dagegen wenn die Wand waͤr- mer iſt, ſehen wir das Thermometer ſteigen, weil es mehr Waͤrme empfaͤngt als verliert, und im umgekehrten Falle ſehen wir es ſin- ken. Im letztern Falle, wo die Wand kaͤlter iſt, hat es das An- ſehn, als ob auch Kaͤlte ebenſo ſtrahlend von der Wand ausginge, wie ſonſt die Waͤrme, und unſre eigne Empfindung iſt, wenn wir uns einem kalten Koͤrper naͤhern, ebenſo; aber offenbar iſt dieſer Anſchein bloß darin begruͤndet, daß die von dem waͤrmeren Thermometer oder von der waͤrmeren Hand ausſtroͤmende Waͤrme nicht ganz erſetzt wird durch die von der Wand oder von dem kaͤl- tern Koͤrper heruͤber kommende Waͤrme. Aus dieſem Grunde fuͤh- len wir uns unangenehm in einem Zimmer, deſſen Waͤnde nicht durchwaͤrmt ſind, wenn gleich der Ofen hinreichend warm iſt.
Ein vorzuͤglich auffallendes Phaͤnomen der anſcheinend aus- ſtrahlenden Kaͤlte iſt folgendes. Wenn man zwei Hohlſpiegel ein- ander ſo gegenuͤberſtellt, daß die vom Brennpuncte A des einen (Fig. 14.) ausgehenden Strahlen, mit der Axe beider Spiegel parallel zuruͤckgeworfen, ſich wieder im Brennpuncte B des andern ſammeln, ſo bringt ein nach A gebrachtes Eisſtuͤck das Thermo- meter B zum Fallen, ſo daß es ſcheint, als wuͤrden die von A aus- ſtroͤmenden Kaͤlteſtrahlen AD, AE, nach DF, EG, und dann nach FB, GB, zuruͤckgeworfen. Die Erklaͤrung iſt aber ganz einfach. Waͤren in A und B gleich warme Koͤrper, ſo wuͤrde von A die Waͤrme nach den Wegen ADFB, AEGB, ausſtroͤmen und ſich in B ſammeln, aber ebenſo viel Waͤrme wuͤrde von B aus auf denſelben Wegen nach A zuruͤckkehren; iſt dagegen A kaͤlter, ſo betraͤgt die ihm ertheilte Waͤrme noch immer ebenſo viel, ſtatt daß die von ihm ausgegangene Waͤrme geringer iſt; B erhaͤlt daher
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Gegenſeitige Erwaͤrmung durch Ausſtrahlung. Strah-
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Da alle uns umgebende Koͤrper in groͤßerm oder geringerm
Grade erwaͤrmt ſind, ſo geben ſie auch immerfort ſtrahlende Waͤrme
her, und es findet ein unaufhoͤrlicher Austauſch der Waͤrme der
verſchiedenen Koͤrper ſtatt. Iſt das Thermometer ebenſo warm,
als die Wand, welcher ich es naͤhere, ſo bemerke ich dieſe Ausſtrah-
lung nicht, weil bloß die vom Thermometer gegen die Wand aus-
ſtrahlende Waͤrme erſetzt wird durch die von der Wand gegen das
Thermometer uͤbergehende Waͤrme; dagegen wenn die Wand waͤr-
mer iſt, ſehen wir das Thermometer ſteigen, weil es mehr Waͤrme
empfaͤngt als verliert, und im umgekehrten Falle ſehen wir es ſin-
ken. Im letztern Falle, wo die Wand kaͤlter iſt, hat es das An-
ſehn, als ob auch Kaͤlte ebenſo ſtrahlend von der Wand ausginge,
wie ſonſt die Waͤrme, und unſre eigne Empfindung iſt, wenn
wir uns einem kalten Koͤrper naͤhern, ebenſo; aber offenbar iſt
dieſer Anſchein bloß darin begruͤndet, daß die von dem waͤrmeren
Thermometer oder von der waͤrmeren Hand ausſtroͤmende Waͤrme
nicht ganz erſetzt wird durch die von der Wand oder von dem kaͤl-
tern Koͤrper heruͤber kommende Waͤrme. Aus dieſem Grunde fuͤh-
len wir uns unangenehm in einem Zimmer, deſſen Waͤnde nicht
durchwaͤrmt ſind, wenn gleich der Ofen hinreichend warm iſt.
Ein vorzuͤglich auffallendes Phaͤnomen der anſcheinend aus-
ſtrahlenden Kaͤlte iſt folgendes. Wenn man zwei Hohlſpiegel ein-
ander ſo gegenuͤberſtellt, daß die vom Brennpuncte A des einen
(Fig. 14.) ausgehenden Strahlen, mit der Axe beider Spiegel
parallel zuruͤckgeworfen, ſich wieder im Brennpuncte B des andern
ſammeln, ſo bringt ein nach A gebrachtes Eisſtuͤck das Thermo-
meter B zum Fallen, ſo daß es ſcheint, als wuͤrden die von A aus-
ſtroͤmenden Kaͤlteſtrahlen AD, AE, nach DF, EG, und dann
nach FB, GB, zuruͤckgeworfen. Die Erklaͤrung iſt aber ganz
einfach. Waͤren in A und B gleich warme Koͤrper, ſo wuͤrde von
A die Waͤrme nach den Wegen ADFB, AEGB, ausſtroͤmen und
ſich in B ſammeln, aber ebenſo viel Waͤrme wuͤrde von B aus auf
denſelben Wegen nach A zuruͤckkehren; iſt dagegen A kaͤlter, ſo
betraͤgt die ihm ertheilte Waͤrme noch immer ebenſo viel, ſtatt daß
die von ihm ausgegangene Waͤrme geringer iſt; B erhaͤlt daher
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/58>, abgerufen am 13.11.2024.
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