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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Um die Hinüberführung der Stoffe selbst zu sehen, braucht
man nur eine Säule von 60 Plattenpaaren, etwa 4 Quadratzoll
groß, mit Pappenschichten, die mit ziemlich starker Kochsalz-Auf-
lösung befeuchtet sind, in Thätigkeit zu setzen, die Dräthe in zwei
mit blauen Pflanzensafte gefüllte Gefäße zu führen, und diese
mit einem Mittelgefäße, in welchem sich in Wasser aufgelöstes
schwefelsaures Kali befindet, durch befeuchtete Baumwolle oder feuch-
tes Papier zu verbinden; es dauert nicht so sehr lange bis die
blaue Flüssigkeit in dem Gefäße am negativen Drathe vollkommen
grün wird, die Flüssigkeit am positiven Drathe sich etwas mehr
geröthet zeigt, zum Zeichen, daß das Salz im Mittelgefäße zerlegt,
seine verschiedenen Bestandtheile den beiden Polen zugesendet hat.
Man könnte auch die Auflösung schwefelsauern Kali's so stellen,
daß sie den positiven Drath aufnähme, das Mittelgefäß und das
den negativen Drath enthaltende Gefäß mit jener blauen Flüssig-
keit füllen, und die Verbindung zwischen den drei Gefäßen durch
feuchte Leiter bewirken; dann würde man die blaue Flüssigkeit am
negativen Drathe grün werden, im Mittelgefäße blau bleiben
sehen. Zu diesem Versuche dient, als vorzüglich gut die Farben-
Aenderung zeigend, ein Aufguß warmen Wassers auf die recht
braunen, fast rothen, jungen Blätter des gewöhnlichen braunen
Kohles.

Electrochemische Theorie.

Diese Erfahrungen, daß unter der Einwirkung der voltaischen
Säule gewisse Bestandtheile der Körper zum positiven Pole, andre
zum negativen Pole hin gezogen werden, veranlaßten schon Davy,
sogleich an die angeführten Entdeckungen eine Theorie zu knüpfen,
welche die chemischen Verwandtschaften der Körper mit den Eigen-
schaften, die sie hier zeigen, in Verbindung setzt, und diese electro-
chemische Theorie ist nachher von Berzelius weiter ausgebildet
worden. Die electrische Kraft der Säule überwindet die anziehende
Kraft der Verwandtschaft, indem sie die sehr fest verbundenen Be-
standtheile des Wassers trennt, indem sie aus den Salz-Auflösun-
gen die Säure zum einen den alcalischen oder metallischen Bestand-
theil zum andern Pole hinüberzieht, indem sie die Schwefelsäure in
Schwefel und Sauerstoff zerlegt, u. s. w. Je größer die Ver-

A a 2

Um die Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe ſelbſt zu ſehen, braucht
man nur eine Saͤule von 60 Plattenpaaren, etwa 4 Quadratzoll
groß, mit Pappenſchichten, die mit ziemlich ſtarker Kochſalz-Auf-
loͤſung befeuchtet ſind, in Thaͤtigkeit zu ſetzen, die Draͤthe in zwei
mit blauen Pflanzenſafte gefuͤllte Gefaͤße zu fuͤhren, und dieſe
mit einem Mittelgefaͤße, in welchem ſich in Waſſer aufgeloͤſtes
ſchwefelſaures Kali befindet, durch befeuchtete Baumwolle oder feuch-
tes Papier zu verbinden; es dauert nicht ſo ſehr lange bis die
blaue Fluͤſſigkeit in dem Gefaͤße am negativen Drathe vollkommen
gruͤn wird, die Fluͤſſigkeit am poſitiven Drathe ſich etwas mehr
geroͤthet zeigt, zum Zeichen, daß das Salz im Mittelgefaͤße zerlegt,
ſeine verſchiedenen Beſtandtheile den beiden Polen zugeſendet hat.
Man koͤnnte auch die Aufloͤſung ſchwefelſauern Kali's ſo ſtellen,
daß ſie den poſitiven Drath aufnaͤhme, das Mittelgefaͤß und das
den negativen Drath enthaltende Gefaͤß mit jener blauen Fluͤſſig-
keit fuͤllen, und die Verbindung zwiſchen den drei Gefaͤßen durch
feuchte Leiter bewirken; dann wuͤrde man die blaue Fluͤſſigkeit am
negativen Drathe gruͤn werden, im Mittelgefaͤße blau bleiben
ſehen. Zu dieſem Verſuche dient, als vorzuͤglich gut die Farben-
Aenderung zeigend, ein Aufguß warmen Waſſers auf die recht
braunen, faſt rothen, jungen Blaͤtter des gewoͤhnlichen braunen
Kohles.

Electrochemiſche Theorie.

Dieſe Erfahrungen, daß unter der Einwirkung der voltaiſchen
Saͤule gewiſſe Beſtandtheile der Koͤrper zum poſitiven Pole, andre
zum negativen Pole hin gezogen werden, veranlaßten ſchon Davy,
ſogleich an die angefuͤhrten Entdeckungen eine Theorie zu knuͤpfen,
welche die chemiſchen Verwandtſchaften der Koͤrper mit den Eigen-
ſchaften, die ſie hier zeigen, in Verbindung ſetzt, und dieſe electro-
chemiſche Theorie iſt nachher von Berzelius weiter ausgebildet
worden. Die electriſche Kraft der Saͤule uͤberwindet die anziehende
Kraft der Verwandtſchaft, indem ſie die ſehr feſt verbundenen Be-
ſtandtheile des Waſſers trennt, indem ſie aus den Salz-Aufloͤſun-
gen die Saͤure zum einen den alcaliſchen oder metalliſchen Beſtand-
theil zum andern Pole hinuͤberzieht, indem ſie die Schwefelſaͤure in
Schwefel und Sauerſtoff zerlegt, u. ſ. w. Je groͤßer die Ver-

A a 2
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[371/0385] Um die Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe ſelbſt zu ſehen, braucht man nur eine Saͤule von 60 Plattenpaaren, etwa 4 Quadratzoll groß, mit Pappenſchichten, die mit ziemlich ſtarker Kochſalz-Auf- loͤſung befeuchtet ſind, in Thaͤtigkeit zu ſetzen, die Draͤthe in zwei mit blauen Pflanzenſafte gefuͤllte Gefaͤße zu fuͤhren, und dieſe mit einem Mittelgefaͤße, in welchem ſich in Waſſer aufgeloͤſtes ſchwefelſaures Kali befindet, durch befeuchtete Baumwolle oder feuch- tes Papier zu verbinden; es dauert nicht ſo ſehr lange bis die blaue Fluͤſſigkeit in dem Gefaͤße am negativen Drathe vollkommen gruͤn wird, die Fluͤſſigkeit am poſitiven Drathe ſich etwas mehr geroͤthet zeigt, zum Zeichen, daß das Salz im Mittelgefaͤße zerlegt, ſeine verſchiedenen Beſtandtheile den beiden Polen zugeſendet hat. Man koͤnnte auch die Aufloͤſung ſchwefelſauern Kali's ſo ſtellen, daß ſie den poſitiven Drath aufnaͤhme, das Mittelgefaͤß und das den negativen Drath enthaltende Gefaͤß mit jener blauen Fluͤſſig- keit fuͤllen, und die Verbindung zwiſchen den drei Gefaͤßen durch feuchte Leiter bewirken; dann wuͤrde man die blaue Fluͤſſigkeit am negativen Drathe gruͤn werden, im Mittelgefaͤße blau bleiben ſehen. Zu dieſem Verſuche dient, als vorzuͤglich gut die Farben- Aenderung zeigend, ein Aufguß warmen Waſſers auf die recht braunen, faſt rothen, jungen Blaͤtter des gewoͤhnlichen braunen Kohles. Electrochemiſche Theorie. Dieſe Erfahrungen, daß unter der Einwirkung der voltaiſchen Saͤule gewiſſe Beſtandtheile der Koͤrper zum poſitiven Pole, andre zum negativen Pole hin gezogen werden, veranlaßten ſchon Davy, ſogleich an die angefuͤhrten Entdeckungen eine Theorie zu knuͤpfen, welche die chemiſchen Verwandtſchaften der Koͤrper mit den Eigen- ſchaften, die ſie hier zeigen, in Verbindung ſetzt, und dieſe electro- chemiſche Theorie iſt nachher von Berzelius weiter ausgebildet worden. Die electriſche Kraft der Saͤule uͤberwindet die anziehende Kraft der Verwandtſchaft, indem ſie die ſehr feſt verbundenen Be- ſtandtheile des Waſſers trennt, indem ſie aus den Salz-Aufloͤſun- gen die Saͤure zum einen den alcaliſchen oder metalliſchen Beſtand- theil zum andern Pole hinuͤberzieht, indem ſie die Schwefelſaͤure in Schwefel und Sauerſtoff zerlegt, u. ſ. w. Je groͤßer die Ver- A a 2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/385>, abgerufen am 13.11.2024.