Die Anordnung der Betrachtungen, welche sich auf die ver- schiedenen Wirkungen der Säule beziehen, hat einige Schwierig- keit, da die Betrachtung der einen Wirkung so nahe mit der Be- trachtung der andern verwandt ist; ich muß daher Sie um Ver- zeihung bitten, wenn ich zuweilen eine Bemerkung machen muß, die erst später ihre volle Erklärung findet.
Die physiologischen Wirkungen waren es, die nach der Ent- deckung der voltaischen Säule zuerst das Erstaunen der Physiker erregten, da man die früher beobachteten so sehr schwachen Ein- wirkungen auf die Sinne hier in unerwartet starkem Maaße gestei- gert sah. Schon früher, bald nach den ersten galvanischen Ver- suchen, hatte Volta auf zwei durch Silber und Zink vermittelst der einfachen galvanischen Kette hervorgehende Einwirkungen auf die Sinnes-Organe aufmerksam gemacht. Man nimmt nämlich einen eigenthümlichen Geschmack auf der Zunge wahr, wenn man das eine Ende eines Silberstäbchens an die untere Seite der Zunge und das eine Ende eines Zinkstäbchens an die obere Seite der Zunge bringt, dann aber die beiden andern Enden der Metalle mit einander in Berührung bringt; und eben so läßt das Auge uns die Wirkung des electrischen Stromes gewahr werden, wenn man jene beiden Metalle mit beiden Augenwinkeln in Berührung bringt, indem dann, wenn die beiden andern Enden der Metalle sich berühren, vor dem geschlossenen Auge eine schwache Licht-Er- scheinung vorübergeht. Statt dieser Erscheinungen bietet aber die Säule nun viel stärkere und auffallendere dar.
Berührt man mit benetzten Fingern die beiden Pole einer Säule, die aus 50 oder mehr Plattenpaaren besteht, so empfindet man im Augenblicke der ersten Schließung der Kette einen, bei kleinen Säulen bloß in den berührenden Fingern, bei größern Säu- len auch bis zu entferntern Theilen der Hand und des Armes fühl- baren Schmerz, der auch während der dauernden Schließung, we- gen der in jedem Augenblicke wechselnd mehr oder minder innigen Berührung, fortdauert. Die Empfindung ist, wenn man auch an beiden Polen auf ganz gleiche Weise berührt, ungleich an beiden Polen, und man hat diese Ungleichheit dadurch zu beschreiben ge- sucht, daß man sagte, die Empfindung am negativen Kupferpole
Phyſiologiſche Wirkungen.
Die Anordnung der Betrachtungen, welche ſich auf die ver- ſchiedenen Wirkungen der Saͤule beziehen, hat einige Schwierig- keit, da die Betrachtung der einen Wirkung ſo nahe mit der Be- trachtung der andern verwandt iſt; ich muß daher Sie um Ver- zeihung bitten, wenn ich zuweilen eine Bemerkung machen muß, die erſt ſpaͤter ihre volle Erklaͤrung findet.
Die phyſiologiſchen Wirkungen waren es, die nach der Ent- deckung der voltaiſchen Saͤule zuerſt das Erſtaunen der Phyſiker erregten, da man die fruͤher beobachteten ſo ſehr ſchwachen Ein- wirkungen auf die Sinne hier in unerwartet ſtarkem Maaße geſtei- gert ſah. Schon fruͤher, bald nach den erſten galvaniſchen Ver- ſuchen, hatte Volta auf zwei durch Silber und Zink vermittelſt der einfachen galvaniſchen Kette hervorgehende Einwirkungen auf die Sinnes-Organe aufmerkſam gemacht. Man nimmt naͤmlich einen eigenthuͤmlichen Geſchmack auf der Zunge wahr, wenn man das eine Ende eines Silberſtaͤbchens an die untere Seite der Zunge und das eine Ende eines Zinkſtaͤbchens an die obere Seite der Zunge bringt, dann aber die beiden andern Enden der Metalle mit einander in Beruͤhrung bringt; und eben ſo laͤßt das Auge uns die Wirkung des electriſchen Stromes gewahr werden, wenn man jene beiden Metalle mit beiden Augenwinkeln in Beruͤhrung bringt, indem dann, wenn die beiden andern Enden der Metalle ſich beruͤhren, vor dem geſchloſſenen Auge eine ſchwache Licht-Er- ſcheinung voruͤbergeht. Statt dieſer Erſcheinungen bietet aber die Saͤule nun viel ſtaͤrkere und auffallendere dar.
Beruͤhrt man mit benetzten Fingern die beiden Pole einer Saͤule, die aus 50 oder mehr Plattenpaaren beſteht, ſo empfindet man im Augenblicke der erſten Schließung der Kette einen, bei kleinen Saͤulen bloß in den beruͤhrenden Fingern, bei groͤßern Saͤu- len auch bis zu entferntern Theilen der Hand und des Armes fuͤhl- baren Schmerz, der auch waͤhrend der dauernden Schließung, we- gen der in jedem Augenblicke wechſelnd mehr oder minder innigen Beruͤhrung, fortdauert. Die Empfindung iſt, wenn man auch an beiden Polen auf ganz gleiche Weiſe beruͤhrt, ungleich an beiden Polen, und man hat dieſe Ungleichheit dadurch zu beſchreiben ge- ſucht, daß man ſagte, die Empfindung am negativen Kupferpole
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0363"n="349"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Phyſiologiſche Wirkungen</hi>.</head><lb/><p>Die Anordnung der Betrachtungen, welche ſich auf die ver-<lb/>ſchiedenen Wirkungen der Saͤule beziehen, hat einige Schwierig-<lb/>
keit, da die Betrachtung der einen Wirkung ſo nahe mit der Be-<lb/>
trachtung der andern verwandt iſt; ich muß daher Sie um Ver-<lb/>
zeihung bitten, wenn ich zuweilen eine Bemerkung machen muß,<lb/>
die erſt ſpaͤter ihre volle Erklaͤrung findet.</p><lb/><p>Die phyſiologiſchen Wirkungen waren es, die nach der Ent-<lb/>
deckung der voltaiſchen Saͤule zuerſt das Erſtaunen der Phyſiker<lb/>
erregten, da man die fruͤher beobachteten ſo ſehr ſchwachen Ein-<lb/>
wirkungen auf die Sinne hier in unerwartet ſtarkem Maaße geſtei-<lb/>
gert ſah. Schon fruͤher, bald nach den erſten galvaniſchen Ver-<lb/>ſuchen, hatte <hirendition="#g">Volta</hi> auf zwei durch Silber und Zink vermittelſt<lb/>
der einfachen galvaniſchen Kette hervorgehende Einwirkungen auf<lb/>
die Sinnes-Organe aufmerkſam gemacht. Man nimmt naͤmlich<lb/>
einen eigenthuͤmlichen Geſchmack auf der Zunge wahr, wenn man<lb/>
das eine Ende eines Silberſtaͤbchens an die untere Seite der Zunge<lb/>
und das eine Ende eines Zinkſtaͤbchens an die obere Seite der<lb/>
Zunge bringt, dann aber die beiden andern Enden der Metalle<lb/>
mit einander in Beruͤhrung bringt; und eben ſo laͤßt das Auge<lb/>
uns die Wirkung des electriſchen Stromes gewahr werden, wenn<lb/>
man jene beiden Metalle mit beiden Augenwinkeln in Beruͤhrung<lb/>
bringt, indem dann, wenn die beiden andern Enden der Metalle<lb/>ſich beruͤhren, vor dem geſchloſſenen Auge eine ſchwache Licht-Er-<lb/>ſcheinung voruͤbergeht. Statt dieſer Erſcheinungen bietet aber die<lb/>
Saͤule nun viel ſtaͤrkere und auffallendere dar.</p><lb/><p>Beruͤhrt man mit benetzten Fingern die beiden Pole einer<lb/>
Saͤule, die aus 50 oder mehr Plattenpaaren beſteht, ſo empfindet<lb/>
man im Augenblicke der erſten Schließung der Kette einen, bei<lb/>
kleinen Saͤulen bloß in den beruͤhrenden Fingern, bei groͤßern Saͤu-<lb/>
len auch bis zu entferntern Theilen der Hand und des Armes fuͤhl-<lb/>
baren Schmerz, der auch waͤhrend der dauernden Schließung, we-<lb/>
gen der in jedem Augenblicke wechſelnd mehr oder minder innigen<lb/>
Beruͤhrung, fortdauert. Die Empfindung iſt, wenn man auch<lb/>
an beiden Polen auf ganz gleiche Weiſe beruͤhrt, ungleich an beiden<lb/>
Polen, und man hat dieſe Ungleichheit dadurch zu beſchreiben ge-<lb/>ſucht, daß man ſagte, die Empfindung am negativen Kupferpole<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[349/0363]
Phyſiologiſche Wirkungen.
Die Anordnung der Betrachtungen, welche ſich auf die ver-
ſchiedenen Wirkungen der Saͤule beziehen, hat einige Schwierig-
keit, da die Betrachtung der einen Wirkung ſo nahe mit der Be-
trachtung der andern verwandt iſt; ich muß daher Sie um Ver-
zeihung bitten, wenn ich zuweilen eine Bemerkung machen muß,
die erſt ſpaͤter ihre volle Erklaͤrung findet.
Die phyſiologiſchen Wirkungen waren es, die nach der Ent-
deckung der voltaiſchen Saͤule zuerſt das Erſtaunen der Phyſiker
erregten, da man die fruͤher beobachteten ſo ſehr ſchwachen Ein-
wirkungen auf die Sinne hier in unerwartet ſtarkem Maaße geſtei-
gert ſah. Schon fruͤher, bald nach den erſten galvaniſchen Ver-
ſuchen, hatte Volta auf zwei durch Silber und Zink vermittelſt
der einfachen galvaniſchen Kette hervorgehende Einwirkungen auf
die Sinnes-Organe aufmerkſam gemacht. Man nimmt naͤmlich
einen eigenthuͤmlichen Geſchmack auf der Zunge wahr, wenn man
das eine Ende eines Silberſtaͤbchens an die untere Seite der Zunge
und das eine Ende eines Zinkſtaͤbchens an die obere Seite der
Zunge bringt, dann aber die beiden andern Enden der Metalle
mit einander in Beruͤhrung bringt; und eben ſo laͤßt das Auge
uns die Wirkung des electriſchen Stromes gewahr werden, wenn
man jene beiden Metalle mit beiden Augenwinkeln in Beruͤhrung
bringt, indem dann, wenn die beiden andern Enden der Metalle
ſich beruͤhren, vor dem geſchloſſenen Auge eine ſchwache Licht-Er-
ſcheinung voruͤbergeht. Statt dieſer Erſcheinungen bietet aber die
Saͤule nun viel ſtaͤrkere und auffallendere dar.
Beruͤhrt man mit benetzten Fingern die beiden Pole einer
Saͤule, die aus 50 oder mehr Plattenpaaren beſteht, ſo empfindet
man im Augenblicke der erſten Schließung der Kette einen, bei
kleinen Saͤulen bloß in den beruͤhrenden Fingern, bei groͤßern Saͤu-
len auch bis zu entferntern Theilen der Hand und des Armes fuͤhl-
baren Schmerz, der auch waͤhrend der dauernden Schließung, we-
gen der in jedem Augenblicke wechſelnd mehr oder minder innigen
Beruͤhrung, fortdauert. Die Empfindung iſt, wenn man auch
an beiden Polen auf ganz gleiche Weiſe beruͤhrt, ungleich an beiden
Polen, und man hat dieſe Ungleichheit dadurch zu beſchreiben ge-
ſucht, daß man ſagte, die Empfindung am negativen Kupferpole
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/363>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.