Nähere Bestimmung der Gesetze der Anziehung und Abstoßung electrisirter Körper.
Ehe ich zu andern Erscheinungen übergehe, welche sich uns in den electrischen Wirkungen zeigen, will ich hier noch eine Frage beantworten, deren Beantwortung uns bei vielen Erscheinungen wichtig wird, nämlich, wie die electrischen Anziehungen und Ab- stoßungen von der Entfernung abhängen, in welchem Maaße sie abnehmen, wenn die Entfernung zunimmt. Die Coulombsche Drehwaage ist am meisten geschickt, diese Frage zu beantworten. Aus der neulich gegebenen Beschreibung wissen Sie, daß eine am Gefäße befestigte, isolirte Kugel C der beweglichen, gleichfalls iso- lirten Kugel A (Fig. 45.) gegenübersteht, und daß man durch eine Drehung der Klemme F bewirken kann, daß der Faden ganz un- gedreht ist, wenn beide Kugeln sich berühren. In dieser Stellung befinde sich das Instrument, indem beide an einander liegende Kugeln eine schwache Ladung erhalten; so ist, wie Sie wissen, der Erfolg eine gegenseitige Abstoßung, wodurch die Kugel A um eine Anzahl Grade fortgeführt wird. Da die Abstoßung bei zuneh- mender Entfernung abnimmt, die Drehung aber einen immer größern Widerstand entgegensetzt, so tritt bei einer gewissen Stel- lung das Gleichgewicht ein; ich will als Beispiel annehmen, dies geschehe, wenn der Drehungswinkel 40° ist, dann könnten wir ja sagen, bei 40° Abstand *) sei die abstoßende Kraft der Dre- hungskraft von 40° gleich. Um nun zu sehen, welche Kraft einer geringern Entfernung entspricht, dreht man die Klemme bei F so, daß die Kugel A gezwungen wird, gegen C zu zu gehen und setzt diese Drehung so lange fort, bis die Kugel auf 20° Abstand geführt ist, also die halbe Entfernung erreicht hat. Um dies zu bewirken, muß offenbar der Zeiger an F nicht bloß um 20° zu- rückgedreht werden, sondern wegen der bei der Annäherung an C zunehmenden abstoßenden Kraft um so viel bis Drehungskraft und Abstoßungskraft sich wieder das Gleichgewicht halten; Coulombs und Biots Erfahrungen zeigen, daß in unserm Falle die Dre- hung bei F 140° würde betragen müssen, so daß die unten noch statt findende Drehung = 20° mit der Aenderung der Stellung
*) Den wir zwar eigentlich nach der Sehne messen sollten.
Naͤhere Beſtimmung der Geſetze der Anziehung und Abſtoßung electriſirter Koͤrper.
Ehe ich zu andern Erſcheinungen uͤbergehe, welche ſich uns in den electriſchen Wirkungen zeigen, will ich hier noch eine Frage beantworten, deren Beantwortung uns bei vielen Erſcheinungen wichtig wird, naͤmlich, wie die electriſchen Anziehungen und Ab- ſtoßungen von der Entfernung abhaͤngen, in welchem Maaße ſie abnehmen, wenn die Entfernung zunimmt. Die Coulombſche Drehwaage iſt am meiſten geſchickt, dieſe Frage zu beantworten. Aus der neulich gegebenen Beſchreibung wiſſen Sie, daß eine am Gefaͤße befeſtigte, iſolirte Kugel C der beweglichen, gleichfalls iſo- lirten Kugel A (Fig. 45.) gegenuͤberſteht, und daß man durch eine Drehung der Klemme F bewirken kann, daß der Faden ganz un- gedreht iſt, wenn beide Kugeln ſich beruͤhren. In dieſer Stellung befinde ſich das Inſtrument, indem beide an einander liegende Kugeln eine ſchwache Ladung erhalten; ſo iſt, wie Sie wiſſen, der Erfolg eine gegenſeitige Abſtoßung, wodurch die Kugel A um eine Anzahl Grade fortgefuͤhrt wird. Da die Abſtoßung bei zuneh- mender Entfernung abnimmt, die Drehung aber einen immer groͤßern Widerſtand entgegenſetzt, ſo tritt bei einer gewiſſen Stel- lung das Gleichgewicht ein; ich will als Beiſpiel annehmen, dies geſchehe, wenn der Drehungswinkel 40° iſt, dann koͤnnten wir ja ſagen, bei 40° Abſtand *) ſei die abſtoßende Kraft der Dre- hungskraft von 40° gleich. Um nun zu ſehen, welche Kraft einer geringern Entfernung entſpricht, dreht man die Klemme bei F ſo, daß die Kugel A gezwungen wird, gegen C zu zu gehen und ſetzt dieſe Drehung ſo lange fort, bis die Kugel auf 20° Abſtand gefuͤhrt iſt, alſo die halbe Entfernung erreicht hat. Um dies zu bewirken, muß offenbar der Zeiger an F nicht bloß um 20° zu- ruͤckgedreht werden, ſondern wegen der bei der Annaͤherung an C zunehmenden abſtoßenden Kraft um ſo viel bis Drehungskraft und Abſtoßungskraft ſich wieder das Gleichgewicht halten; Coulombs und Biots Erfahrungen zeigen, daß in unſerm Falle die Dre- hung bei F 140° wuͤrde betragen muͤſſen, ſo daß die unten noch ſtatt findende Drehung = 20° mit der Aenderung der Stellung
*) Den wir zwar eigentlich nach der Sehne meſſen ſollten.
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Naͤhere Beſtimmung der Geſetze der Anziehung und
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Ehe ich zu andern Erſcheinungen uͤbergehe, welche ſich uns
in den electriſchen Wirkungen zeigen, will ich hier noch eine Frage
beantworten, deren Beantwortung uns bei vielen Erſcheinungen
wichtig wird, naͤmlich, wie die electriſchen Anziehungen und Ab-
ſtoßungen von der Entfernung abhaͤngen, in welchem Maaße ſie
abnehmen, wenn die Entfernung zunimmt. Die Coulombſche
Drehwaage iſt am meiſten geſchickt, dieſe Frage zu beantworten.
Aus der neulich gegebenen Beſchreibung wiſſen Sie, daß eine am
Gefaͤße befeſtigte, iſolirte Kugel C der beweglichen, gleichfalls iſo-
lirten Kugel A (Fig. 45.) gegenuͤberſteht, und daß man durch eine
Drehung der Klemme F bewirken kann, daß der Faden ganz un-
gedreht iſt, wenn beide Kugeln ſich beruͤhren. In dieſer Stellung
befinde ſich das Inſtrument, indem beide an einander liegende
Kugeln eine ſchwache Ladung erhalten; ſo iſt, wie Sie wiſſen,
der Erfolg eine gegenſeitige Abſtoßung, wodurch die Kugel A um
eine Anzahl Grade fortgefuͤhrt wird. Da die Abſtoßung bei zuneh-
mender Entfernung abnimmt, die Drehung aber einen immer
groͤßern Widerſtand entgegenſetzt, ſo tritt bei einer gewiſſen Stel-
lung das Gleichgewicht ein; ich will als Beiſpiel annehmen, dies
geſchehe, wenn der Drehungswinkel 40° iſt, dann koͤnnten wir
ja ſagen, bei 40° Abſtand *) ſei die abſtoßende Kraft der Dre-
hungskraft von 40° gleich. Um nun zu ſehen, welche Kraft einer
geringern Entfernung entſpricht, dreht man die Klemme bei F ſo,
daß die Kugel A gezwungen wird, gegen C zu zu gehen und ſetzt
dieſe Drehung ſo lange fort, bis die Kugel auf 20° Abſtand
gefuͤhrt iſt, alſo die halbe Entfernung erreicht hat. Um dies zu
bewirken, muß offenbar der Zeiger an F nicht bloß um 20° zu-
ruͤckgedreht werden, ſondern wegen der bei der Annaͤherung an C
zunehmenden abſtoßenden Kraft um ſo viel bis Drehungskraft und
Abſtoßungskraft ſich wieder das Gleichgewicht halten; Coulombs
und Biots Erfahrungen zeigen, daß in unſerm Falle die Dre-
hung bei F 140° wuͤrde betragen muͤſſen, ſo daß die unten noch
ſtatt findende Drehung = 20° mit der Aenderung der Stellung
*) Den wir zwar eigentlich nach der Sehne meſſen ſollten.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/256>, abgerufen am 21.11.2024.
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