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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Doch es ist Zeit, daß ich diese, mehr auf Einzelheiten gehen-
den, Betrachtungen verlasse, und Sie mit einer der folgenreichsten
Entdeckungen bekannt mache, die uns neue, wesentliche Belehrung
über die Natur der electrischen Erscheinungen gewährt.

Entgegengesetzte Electricitäten.

Nach allen bisher angeführten Erfahrungen, und nach alle
dem, was man bis zu Grey's Untersuchungen kennen gelernt
hatte, schien es gar keinen Zweifel zu leiden, daß ein electrisirter
Körper, wenn man mehr Electricität hinzubringt, auch stärkere
Wirkungen zeige müsse; und eben so wenig konnte man zweifeln,
daß die Abstoßung, die wir zwischen zwei electrisirten Körpern be-
merkt haben, ganz allgemein zwischen jeden zwei electrisirten Kör-
pern sich zeigen müsse; aber hier findet sich eine sehr merkwürdige
Verschiedenheit, die Dufay 1733 bemerkte. Wenn man ein
leichtes Kügelchen an einem seidenen Faden aufhängt und es mit
geriebenem Siegellack berührt, so wird das Kügelchen electrisch, und
wird vom Siegellack abgestoßen; so oft man das Siegellack wieder
nähert; erneuert sich diese Abstoßung, so lange als das Kügelchen
seine Electricität nicht verloren hat. Aber man nähere nun dem
durch Siegellack electrisirten Kügelchen eine geriebene Glasröhre, so
wird jenes mit großer Gewalt gegen diese angezogen werden; und
wenn man das Kügelchen zur Berührung mit dem Glase hat
kommen lassen, wenn es die Electricität des Glases angenommen
hat, so wird es von dem geriebenen Glase abgestoßen, vom gerie-
benen Siegellack aber stark angezogen; und so finden immer bei
der Electrisirung durch Glas und bei der Electrisirung durch Sie-
gellack zwar genau gleiche Erscheinungen statt, so lange man immer
nur einen dieser Körper dem durch ihn electrisirten Körper nahe
bringt, aber entgegengesetzte Wirkungen, wenn man bald Glas
bald Siegellack dem electrisirten Körper nähert.

Diese Beobachtung veranlaßte Dufay zwei verschiedene
Electricitäten, die Glas-Electricität und die Harz-Electricität
anzunehmen; Sie werden aber bald sehen, daß diese Namen nicht
passend sind. Dagegen finden wir uns veranlaßt, diese Electrici-
täten entgegengesetzte zu nennen, weil sie sich ganz so ver-
halten, daß ein Hinzuthun der einen ein Vermindern der andern

Doch es iſt Zeit, daß ich dieſe, mehr auf Einzelheiten gehen-
den, Betrachtungen verlaſſe, und Sie mit einer der folgenreichſten
Entdeckungen bekannt mache, die uns neue, weſentliche Belehrung
uͤber die Natur der electriſchen Erſcheinungen gewaͤhrt.

Entgegengeſetzte Electricitaͤten.

Nach allen bisher angefuͤhrten Erfahrungen, und nach alle
dem, was man bis zu Grey's Unterſuchungen kennen gelernt
hatte, ſchien es gar keinen Zweifel zu leiden, daß ein electriſirter
Koͤrper, wenn man mehr Electricitaͤt hinzubringt, auch ſtaͤrkere
Wirkungen zeige muͤſſe; und eben ſo wenig konnte man zweifeln,
daß die Abſtoßung, die wir zwiſchen zwei electriſirten Koͤrpern be-
merkt haben, ganz allgemein zwiſchen jeden zwei electriſirten Koͤr-
pern ſich zeigen muͤſſe; aber hier findet ſich eine ſehr merkwuͤrdige
Verſchiedenheit, die Dufay 1733 bemerkte. Wenn man ein
leichtes Kuͤgelchen an einem ſeidenen Faden aufhaͤngt und es mit
geriebenem Siegellack beruͤhrt, ſo wird das Kuͤgelchen electriſch, und
wird vom Siegellack abgeſtoßen; ſo oft man das Siegellack wieder
naͤhert; erneuert ſich dieſe Abſtoßung, ſo lange als das Kuͤgelchen
ſeine Electricitaͤt nicht verloren hat. Aber man naͤhere nun dem
durch Siegellack electriſirten Kuͤgelchen eine geriebene Glasroͤhre, ſo
wird jenes mit großer Gewalt gegen dieſe angezogen werden; und
wenn man das Kuͤgelchen zur Beruͤhrung mit dem Glaſe hat
kommen laſſen, wenn es die Electricitaͤt des Glaſes angenommen
hat, ſo wird es von dem geriebenen Glaſe abgeſtoßen, vom gerie-
benen Siegellack aber ſtark angezogen; und ſo finden immer bei
der Electriſirung durch Glas und bei der Electriſirung durch Sie-
gellack zwar genau gleiche Erſcheinungen ſtatt, ſo lange man immer
nur einen dieſer Koͤrper dem durch ihn electriſirten Koͤrper nahe
bringt, aber entgegengeſetzte Wirkungen, wenn man bald Glas
bald Siegellack dem electriſirten Koͤrper naͤhert.

Dieſe Beobachtung veranlaßte Dufay zwei verſchiedene
Electricitaͤten, die Glas-Electricitaͤt und die Harz-Electricitaͤt
anzunehmen; Sie werden aber bald ſehen, daß dieſe Namen nicht
paſſend ſind. Dagegen finden wir uns veranlaßt, dieſe Electrici-
taͤten entgegengeſetzte zu nennen, weil ſie ſich ganz ſo ver-
halten, daß ein Hinzuthun der einen ein Vermindern der andern

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[219/0233] Doch es iſt Zeit, daß ich dieſe, mehr auf Einzelheiten gehen- den, Betrachtungen verlaſſe, und Sie mit einer der folgenreichſten Entdeckungen bekannt mache, die uns neue, weſentliche Belehrung uͤber die Natur der electriſchen Erſcheinungen gewaͤhrt. Entgegengeſetzte Electricitaͤten. Nach allen bisher angefuͤhrten Erfahrungen, und nach alle dem, was man bis zu Grey's Unterſuchungen kennen gelernt hatte, ſchien es gar keinen Zweifel zu leiden, daß ein electriſirter Koͤrper, wenn man mehr Electricitaͤt hinzubringt, auch ſtaͤrkere Wirkungen zeige muͤſſe; und eben ſo wenig konnte man zweifeln, daß die Abſtoßung, die wir zwiſchen zwei electriſirten Koͤrpern be- merkt haben, ganz allgemein zwiſchen jeden zwei electriſirten Koͤr- pern ſich zeigen muͤſſe; aber hier findet ſich eine ſehr merkwuͤrdige Verſchiedenheit, die Dufay 1733 bemerkte. Wenn man ein leichtes Kuͤgelchen an einem ſeidenen Faden aufhaͤngt und es mit geriebenem Siegellack beruͤhrt, ſo wird das Kuͤgelchen electriſch, und wird vom Siegellack abgeſtoßen; ſo oft man das Siegellack wieder naͤhert; erneuert ſich dieſe Abſtoßung, ſo lange als das Kuͤgelchen ſeine Electricitaͤt nicht verloren hat. Aber man naͤhere nun dem durch Siegellack electriſirten Kuͤgelchen eine geriebene Glasroͤhre, ſo wird jenes mit großer Gewalt gegen dieſe angezogen werden; und wenn man das Kuͤgelchen zur Beruͤhrung mit dem Glaſe hat kommen laſſen, wenn es die Electricitaͤt des Glaſes angenommen hat, ſo wird es von dem geriebenen Glaſe abgeſtoßen, vom gerie- benen Siegellack aber ſtark angezogen; und ſo finden immer bei der Electriſirung durch Glas und bei der Electriſirung durch Sie- gellack zwar genau gleiche Erſcheinungen ſtatt, ſo lange man immer nur einen dieſer Koͤrper dem durch ihn electriſirten Koͤrper nahe bringt, aber entgegengeſetzte Wirkungen, wenn man bald Glas bald Siegellack dem electriſirten Koͤrper naͤhert. Dieſe Beobachtung veranlaßte Dufay zwei verſchiedene Electricitaͤten, die Glas-Electricitaͤt und die Harz-Electricitaͤt anzunehmen; Sie werden aber bald ſehen, daß dieſe Namen nicht paſſend ſind. Dagegen finden wir uns veranlaßt, dieſe Electrici- taͤten entgegengeſetzte zu nennen, weil ſie ſich ganz ſo ver- halten, daß ein Hinzuthun der einen ein Vermindern der andern

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/233>, abgerufen am 13.11.2024.