Noch merkwürdigere Betrachtungen als die Erwärmung durch das Feuer bietet die Flamme uns dar. Die meisten verbrennlichen Körper, welche mit Flamme brennen, geben bei der zerstörenden Destillation Luft-Arten, welche Wasserstoff und Kohlenstoff ent- halten, und die Entzündung dieser Luft-Arten bringt die Flamme hervor *). Nachdem nämlich bei unsern gewöhnlichen Lichtern durch eine fremde Erhitzung das Wachs oder der Talg im Dochte zum Brennen gebracht ist, reicht diese Hitze hin, um die benachbar- ten Theile zu schmelzen; sie ziehen sich nun in dem Dochte herauf, kommen hier in die völlige Gluth der Flamme, wodurch sie zersetzt und selbst in Brand gesetzt werden, und damit ist die Dauer des Prozesses gesichert. Nur wenn durch starke Abkühlung, am ge- wöhnlichsten durch einen starken Luftzug, die Erhitzung unterbro- chen wird, erlischt das Licht, und hier findet man wieder, daß eine Wachslichtflamme leichter als eine ebenso große und ganz gleiche Talglichtflamme und viel leichter als eine Schwefelflamme auszu- blasen ist, weil die letztere bei sehr geringer Wärme fortbrennt. Die noch matt brennende Flamme eines eben angezündeten Lichtes kann sogar durch bloße Annäherung eines sehr kalten Körpers getödtet werden, weil sie so wenig Wärme entwickelt, daß der ganze Verbrennungsproceß durch die mindeste Entziehung von Wärme aufgehoben werden kann.
Die Flamme brennt nur da, wo sie mit der atmosphärischen Luft in Berührung ist, so daß sie nur einen dünnen leuchtenden Mantel um den innern, zwar sehr erhitzten, aber doch kein Ver- brennen darbietenden, Raum bildet. Man sieht dies, wenn man
*) Von allen Flammen gilt dies nicht. Schwefel z. B. bringt im Brennen Schwefelsäure, durch die Verbindung des Schwefels mit dem Sauerstoffe, hervor.
Zwoͤlfte Vorleſung.
Flammen. Lampen-Erleuchtung.
Noch merkwuͤrdigere Betrachtungen als die Erwaͤrmung durch das Feuer bietet die Flamme uns dar. Die meiſten verbrennlichen Koͤrper, welche mit Flamme brennen, geben bei der zerſtoͤrenden Deſtillation Luft-Arten, welche Waſſerſtoff und Kohlenſtoff ent- halten, und die Entzuͤndung dieſer Luft-Arten bringt die Flamme hervor *). Nachdem naͤmlich bei unſern gewoͤhnlichen Lichtern durch eine fremde Erhitzung das Wachs oder der Talg im Dochte zum Brennen gebracht iſt, reicht dieſe Hitze hin, um die benachbar- ten Theile zu ſchmelzen; ſie ziehen ſich nun in dem Dochte herauf, kommen hier in die voͤllige Gluth der Flamme, wodurch ſie zerſetzt und ſelbſt in Brand geſetzt werden, und damit iſt die Dauer des Prozeſſes geſichert. Nur wenn durch ſtarke Abkuͤhlung, am ge- woͤhnlichſten durch einen ſtarken Luftzug, die Erhitzung unterbro- chen wird, erliſcht das Licht, und hier findet man wieder, daß eine Wachslichtflamme leichter als eine ebenſo große und ganz gleiche Talglichtflamme und viel leichter als eine Schwefelflamme auszu- blaſen iſt, weil die letztere bei ſehr geringer Waͤrme fortbrennt. Die noch matt brennende Flamme eines eben angezuͤndeten Lichtes kann ſogar durch bloße Annaͤherung eines ſehr kalten Koͤrpers getoͤdtet werden, weil ſie ſo wenig Waͤrme entwickelt, daß der ganze Verbrennungsproceß durch die mindeſte Entziehung von Waͤrme aufgehoben werden kann.
Die Flamme brennt nur da, wo ſie mit der atmoſphaͤriſchen Luft in Beruͤhrung iſt, ſo daß ſie nur einen duͤnnen leuchtenden Mantel um den innern, zwar ſehr erhitzten, aber doch kein Ver- brennen darbietenden, Raum bildet. Man ſieht dies, wenn man
*) Von allen Flammen gilt dies nicht. Schwefel z. B. bringt im Brennen Schwefelſaͤure, durch die Verbindung des Schwefels mit dem Sauerſtoffe, hervor.
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Zwoͤlfte Vorleſung.
Flammen. Lampen-Erleuchtung.
Noch merkwuͤrdigere Betrachtungen als die Erwaͤrmung durch
das Feuer bietet die Flamme uns dar. Die meiſten verbrennlichen
Koͤrper, welche mit Flamme brennen, geben bei der zerſtoͤrenden
Deſtillation Luft-Arten, welche Waſſerſtoff und Kohlenſtoff ent-
halten, und die Entzuͤndung dieſer Luft-Arten bringt die Flamme
hervor *). Nachdem naͤmlich bei unſern gewoͤhnlichen Lichtern
durch eine fremde Erhitzung das Wachs oder der Talg im Dochte
zum Brennen gebracht iſt, reicht dieſe Hitze hin, um die benachbar-
ten Theile zu ſchmelzen; ſie ziehen ſich nun in dem Dochte herauf,
kommen hier in die voͤllige Gluth der Flamme, wodurch ſie zerſetzt
und ſelbſt in Brand geſetzt werden, und damit iſt die Dauer des
Prozeſſes geſichert. Nur wenn durch ſtarke Abkuͤhlung, am ge-
woͤhnlichſten durch einen ſtarken Luftzug, die Erhitzung unterbro-
chen wird, erliſcht das Licht, und hier findet man wieder, daß eine
Wachslichtflamme leichter als eine ebenſo große und ganz gleiche
Talglichtflamme und viel leichter als eine Schwefelflamme auszu-
blaſen iſt, weil die letztere bei ſehr geringer Waͤrme fortbrennt.
Die noch matt brennende Flamme eines eben angezuͤndeten Lichtes
kann ſogar durch bloße Annaͤherung eines ſehr kalten Koͤrpers
getoͤdtet werden, weil ſie ſo wenig Waͤrme entwickelt, daß der ganze
Verbrennungsproceß durch die mindeſte Entziehung von Waͤrme
aufgehoben werden kann.
Die Flamme brennt nur da, wo ſie mit der atmoſphaͤriſchen
Luft in Beruͤhrung iſt, ſo daß ſie nur einen duͤnnen leuchtenden
Mantel um den innern, zwar ſehr erhitzten, aber doch kein Ver-
brennen darbietenden, Raum bildet. Man ſieht dies, wenn man
*) Von allen Flammen gilt dies nicht. Schwefel z. B. bringt
im Brennen Schwefelſaͤure, durch die Verbindung des Schwefels mit
dem Sauerſtoffe, hervor.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/199>, abgerufen am 30.12.2024.
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