Grenzen des schmalen Körpers. Diese hellen Linien sind nicht etwa Spiegelung am Rande des Körpers, denn sie erscheinen an der schärf- sten Messerschneide, wenn auch die Seite des Messers, die gegen das Auge gekehrt ist, gar kein Licht empfängt. Diese Lichtlinien werden immer glänzender, je weniger die scheinbare Breite des dunkeln Kör- pers die Breite der Lichtflamme übertrifft, und man kann dieses an einer Messerklinge zeigen, indem man sie nach und nach mehr geneigt gegen die Gesichtslinie hält. Hier kommen also (Fig. 118.) Licht- strahlen von AB nach O, obgleich der ganze Raum zwischen E und F im Schatten liegen sollte; sie werden also bei C, D, gebeugt, von ihrer graden Richtung abgelenkt. Eben solche Lichtlinien sieht man am Rande jedes die zum Auge hingehenden Lichtstrahlen unterbre- chenden dunkeln Körpers, und zwar so, daß sie mit dunkeln Linien, die diesen Rand umgeben, abwechseln. Daraus entsteht, wenn man einen schmalen Spalt vor dem Auge gegen die Lichtflamme hält, die Erscheinung dunkler und heller Linien, parallel mit den Seiten des Spalts, und endlich, wenn dieser einen gewissen Grad von Engheit erreicht, eine dunkle Linie in der Mitte, wo doch grade das Licht am freiesten scheint durchgehen zu müssen.
Versuche im dunkeln Zimmer.
Alle diese Erscheinungen gehören zu denen, die man der Beugung des Lichtes zuschreibt; aber wenn man sie so beobachtet, so kann man dem Zweifel, welchen Antheil die Undeutlichkeit des Sehens hieran hat, nicht ganz ausweichen, und es ist daher wichtig, die Erscheinungen auf einer weißen Tafel wahrzunehmen, welches nur im dunkeln Zimmer gut geschehen kann. Hier kann man nun auch alles seitwärts einfallende Licht vermeiden, wenn man das Sonnenlicht durch eine kleine Oeffnung, zum Beispiel von 1/2 Linie Durchmesser, einfallen läßt, und in bedeutender Entfernung diesen schmalen Lichtstrahl durch eine noch engere oder eben so enge Oeff- nung durchläßt; denn wenn hier zum Beispiel (Fig. 119.) AB 10 Fuß, oder 2880 halbe Linien beträgt, so ist der Winkel, den die äußersten Strahlen CBa, ABb mit einander machen, nur wenig über eine Min. und damit die Grenzen des Schattens und Halbschattens völlig bestimmt. Hier zeigen sich nun, wenn man in der Gegend b einen dunkeln Körper in den Sonnenstrahl hält
Grenzen des ſchmalen Koͤrpers. Dieſe hellen Linien ſind nicht etwa Spiegelung am Rande des Koͤrpers, denn ſie erſcheinen an der ſchaͤrf- ſten Meſſerſchneide, wenn auch die Seite des Meſſers, die gegen das Auge gekehrt iſt, gar kein Licht empfaͤngt. Dieſe Lichtlinien werden immer glaͤnzender, je weniger die ſcheinbare Breite des dunkeln Koͤr- pers die Breite der Lichtflamme uͤbertrifft, und man kann dieſes an einer Meſſerklinge zeigen, indem man ſie nach und nach mehr geneigt gegen die Geſichtslinie haͤlt. Hier kommen alſo (Fig. 118.) Licht- ſtrahlen von AB nach O, obgleich der ganze Raum zwiſchen E und F im Schatten liegen ſollte; ſie werden alſo bei C, D, gebeugt, von ihrer graden Richtung abgelenkt. Eben ſolche Lichtlinien ſieht man am Rande jedes die zum Auge hingehenden Lichtſtrahlen unterbre- chenden dunkeln Koͤrpers, und zwar ſo, daß ſie mit dunkeln Linien, die dieſen Rand umgeben, abwechſeln. Daraus entſteht, wenn man einen ſchmalen Spalt vor dem Auge gegen die Lichtflamme haͤlt, die Erſcheinung dunkler und heller Linien, parallel mit den Seiten des Spalts, und endlich, wenn dieſer einen gewiſſen Grad von Engheit erreicht, eine dunkle Linie in der Mitte, wo doch grade das Licht am freieſten ſcheint durchgehen zu muͤſſen.
Verſuche im dunkeln Zimmer.
Alle dieſe Erſcheinungen gehoͤren zu denen, die man der Beugung des Lichtes zuſchreibt; aber wenn man ſie ſo beobachtet, ſo kann man dem Zweifel, welchen Antheil die Undeutlichkeit des Sehens hieran hat, nicht ganz ausweichen, und es iſt daher wichtig, die Erſcheinungen auf einer weißen Tafel wahrzunehmen, welches nur im dunkeln Zimmer gut geſchehen kann. Hier kann man nun auch alles ſeitwaͤrts einfallende Licht vermeiden, wenn man das Sonnenlicht durch eine kleine Oeffnung, zum Beiſpiel von ½ Linie Durchmeſſer, einfallen laͤßt, und in bedeutender Entfernung dieſen ſchmalen Lichtſtrahl durch eine noch engere oder eben ſo enge Oeff- nung durchlaͤßt; denn wenn hier zum Beiſpiel (Fig. 119.) AB 10 Fuß, oder 2880 halbe Linien betraͤgt, ſo iſt der Winkel, den die aͤußerſten Strahlen CBa, ABb mit einander machen, nur wenig uͤber eine Min. und damit die Grenzen des Schattens und Halbſchattens voͤllig beſtimmt. Hier zeigen ſich nun, wenn man in der Gegend b einen dunkeln Koͤrper in den Sonnenſtrahl haͤlt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0292"n="278"/>
Grenzen des ſchmalen Koͤrpers. Dieſe hellen Linien ſind nicht etwa<lb/>
Spiegelung am Rande des Koͤrpers, denn ſie erſcheinen an der ſchaͤrf-<lb/>ſten Meſſerſchneide, wenn auch die Seite des Meſſers, die gegen das<lb/>
Auge gekehrt iſt, gar kein Licht empfaͤngt. Dieſe Lichtlinien werden<lb/>
immer glaͤnzender, je weniger die ſcheinbare Breite des dunkeln Koͤr-<lb/>
pers die Breite der Lichtflamme uͤbertrifft, und man kann dieſes an<lb/>
einer Meſſerklinge zeigen, indem man ſie nach und nach mehr geneigt<lb/>
gegen die Geſichtslinie haͤlt. Hier kommen alſo (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">Fig. 118.</hi></hi>) Licht-<lb/>ſtrahlen von <hirendition="#aq"><hirendition="#b">AB</hi></hi> nach <hirendition="#aq"><hirendition="#b">O,</hi></hi> obgleich der ganze Raum zwiſchen <hirendition="#aq"><hirendition="#b">E</hi></hi> und<lb/><hirendition="#aq"><hirendition="#b">F</hi></hi> im Schatten liegen ſollte; ſie werden alſo bei <hirendition="#aq"><hirendition="#b">C, D,</hi></hi> gebeugt, von<lb/>
ihrer graden Richtung abgelenkt. Eben ſolche Lichtlinien ſieht man<lb/>
am Rande jedes die zum Auge hingehenden Lichtſtrahlen unterbre-<lb/>
chenden dunkeln Koͤrpers, und zwar ſo, daß ſie mit dunkeln Linien,<lb/>
die dieſen Rand umgeben, abwechſeln. Daraus entſteht, wenn<lb/>
man einen ſchmalen Spalt vor dem Auge gegen die Lichtflamme<lb/>
haͤlt, die Erſcheinung dunkler und heller Linien, parallel mit den<lb/>
Seiten des Spalts, und endlich, wenn dieſer einen gewiſſen Grad<lb/>
von Engheit erreicht, eine dunkle Linie in der Mitte, wo doch grade<lb/>
das Licht am freieſten ſcheint durchgehen zu muͤſſen.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Verſuche im dunkeln Zimmer</hi>.</head><lb/><p>Alle dieſe Erſcheinungen gehoͤren zu denen, die man der<lb/>
Beugung des Lichtes zuſchreibt; aber wenn man ſie ſo beobachtet, ſo<lb/>
kann man dem Zweifel, welchen Antheil die Undeutlichkeit des<lb/>
Sehens hieran hat, nicht ganz ausweichen, und es iſt daher wichtig,<lb/>
die Erſcheinungen auf einer weißen Tafel wahrzunehmen, welches<lb/>
nur im dunkeln Zimmer gut geſchehen kann. Hier kann man nun<lb/>
auch alles ſeitwaͤrts einfallende Licht vermeiden, wenn man das<lb/>
Sonnenlicht durch eine kleine Oeffnung, zum Beiſpiel von ½ Linie<lb/>
Durchmeſſer, einfallen laͤßt, und in bedeutender Entfernung dieſen<lb/>ſchmalen Lichtſtrahl durch eine noch engere oder eben ſo enge Oeff-<lb/>
nung durchlaͤßt; denn wenn hier zum Beiſpiel (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">Fig. 119.</hi></hi>) <hirendition="#aq"><hirendition="#b">AB</hi></hi><lb/>
10 Fuß, oder 2880 halbe Linien betraͤgt, ſo iſt der Winkel, den<lb/>
die aͤußerſten Strahlen <hirendition="#aq"><hirendition="#b">CBa, ABb</hi></hi> mit einander machen, nur<lb/>
wenig uͤber eine Min. und damit die Grenzen des Schattens und<lb/>
Halbſchattens voͤllig beſtimmt. Hier zeigen ſich nun, wenn man<lb/>
in der Gegend <hirendition="#aq"><hirendition="#b">b</hi></hi> einen dunkeln Koͤrper in den Sonnenſtrahl haͤlt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[278/0292]
Grenzen des ſchmalen Koͤrpers. Dieſe hellen Linien ſind nicht etwa
Spiegelung am Rande des Koͤrpers, denn ſie erſcheinen an der ſchaͤrf-
ſten Meſſerſchneide, wenn auch die Seite des Meſſers, die gegen das
Auge gekehrt iſt, gar kein Licht empfaͤngt. Dieſe Lichtlinien werden
immer glaͤnzender, je weniger die ſcheinbare Breite des dunkeln Koͤr-
pers die Breite der Lichtflamme uͤbertrifft, und man kann dieſes an
einer Meſſerklinge zeigen, indem man ſie nach und nach mehr geneigt
gegen die Geſichtslinie haͤlt. Hier kommen alſo (Fig. 118.) Licht-
ſtrahlen von AB nach O, obgleich der ganze Raum zwiſchen E und
F im Schatten liegen ſollte; ſie werden alſo bei C, D, gebeugt, von
ihrer graden Richtung abgelenkt. Eben ſolche Lichtlinien ſieht man
am Rande jedes die zum Auge hingehenden Lichtſtrahlen unterbre-
chenden dunkeln Koͤrpers, und zwar ſo, daß ſie mit dunkeln Linien,
die dieſen Rand umgeben, abwechſeln. Daraus entſteht, wenn
man einen ſchmalen Spalt vor dem Auge gegen die Lichtflamme
haͤlt, die Erſcheinung dunkler und heller Linien, parallel mit den
Seiten des Spalts, und endlich, wenn dieſer einen gewiſſen Grad
von Engheit erreicht, eine dunkle Linie in der Mitte, wo doch grade
das Licht am freieſten ſcheint durchgehen zu muͤſſen.
Verſuche im dunkeln Zimmer.
Alle dieſe Erſcheinungen gehoͤren zu denen, die man der
Beugung des Lichtes zuſchreibt; aber wenn man ſie ſo beobachtet, ſo
kann man dem Zweifel, welchen Antheil die Undeutlichkeit des
Sehens hieran hat, nicht ganz ausweichen, und es iſt daher wichtig,
die Erſcheinungen auf einer weißen Tafel wahrzunehmen, welches
nur im dunkeln Zimmer gut geſchehen kann. Hier kann man nun
auch alles ſeitwaͤrts einfallende Licht vermeiden, wenn man das
Sonnenlicht durch eine kleine Oeffnung, zum Beiſpiel von ½ Linie
Durchmeſſer, einfallen laͤßt, und in bedeutender Entfernung dieſen
ſchmalen Lichtſtrahl durch eine noch engere oder eben ſo enge Oeff-
nung durchlaͤßt; denn wenn hier zum Beiſpiel (Fig. 119.) AB
10 Fuß, oder 2880 halbe Linien betraͤgt, ſo iſt der Winkel, den
die aͤußerſten Strahlen CBa, ABb mit einander machen, nur
wenig uͤber eine Min. und damit die Grenzen des Schattens und
Halbſchattens voͤllig beſtimmt. Hier zeigen ſich nun, wenn man
in der Gegend b einen dunkeln Koͤrper in den Sonnenſtrahl haͤlt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/292>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.