Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

nungen, die dem Gebiete der Mechanik am nächsten liegen, anzu-
fangen, und nach und nach zu denen überzugehen, wo sich uns
endlich nicht mehr eine Bewegung der Körper oder ihrer Theilchen,
sondern eine Veränderung der Natur der Körper selbst zeigt.

Wirkungen der Anziehungskraft fester Körper.

So lange die Körpertheilchen nicht in unmittelbarer Berüh-
rung sind, scheint, bei geringen wie bei großen Entfernungen, die
Kraft der Anziehung so abzunehmen, wie die Quadrate der Ent-
fernung zunehmen, und obgleich die geringe Einwirkung kleiner
Massen keine bis auf das Aeußerste genaue Versuche gestattet, so
scheinen doch Cavendishs Versuche dieses Gesetz zu bestätigen.
Diese Versuche wurden so angestellt, daß man an einem langen
und zarten Faden einen leichten, an beiden Enden mit Kugeln be-
schwerten Waagebalken aufhängte, und diesen durch nahe gebrachte,
ziemlich große Bleimassen aus seiner Ruhelage zu entfernen suchte.
Ein solcher Faden setzt der Drehung so wenig Kraft entgegen, daß
bei Cavendishs Versuchen schon eine Kraft, die nur ein Funf-
zigstel vom Milliontel der Schwerkraft beträgt, eine Ablenkung her-
vorbringen konnte, und daher die durch die Attraction der Blei-
massen auf die Kugeln am Waagebalken hervorgebrachte Einwir-
kung eine Aenderung der Stellung und eine Oscillation des Waa-
gebalkens zur Folge hatte. Die Versuche, die bei der ungemeinen
Empfindlichkeit der Drehwaage (denn so nennt man das In-
strument), durch die geringsten fremden Einwirkungen gestört und
unsicher gemacht werden können, verdienten wohl mit der von Ca-
vendish angewandten großen Vorsicht wiederholt, und bei un-
gleichen Abständen der Bleimassen mehrmals angestellt zu werden,
damit die Frage, ob auch bei sehr geringen Abständen noch jenes
Hauptgesetz der Attractionen gelte, möglichst strenge entschieden
werde. Cavendishs Versuche haben wenigstens gezeigt, daß
diese Anziehung merklich genug ist, um bei einer so feinen Abmes-
sung noch mit ziemlich viel Genauigkeit bestimmt zu werden *).

Eine andre Reihe von Versuchen, welche die Anziehung fester
Körper gegen einander und auf flüssige Körper zu zeigen scheinen,

*) Gehlers phys. Wörterb. 3 Th. S. 950.

nungen, die dem Gebiete der Mechanik am naͤchſten liegen, anzu-
fangen, und nach und nach zu denen uͤberzugehen, wo ſich uns
endlich nicht mehr eine Bewegung der Koͤrper oder ihrer Theilchen,
ſondern eine Veraͤnderung der Natur der Koͤrper ſelbſt zeigt.

Wirkungen der Anziehungskraft feſter Koͤrper.

So lange die Koͤrpertheilchen nicht in unmittelbarer Beruͤh-
rung ſind, ſcheint, bei geringen wie bei großen Entfernungen, die
Kraft der Anziehung ſo abzunehmen, wie die Quadrate der Ent-
fernung zunehmen, und obgleich die geringe Einwirkung kleiner
Maſſen keine bis auf das Aeußerſte genaue Verſuche geſtattet, ſo
ſcheinen doch Cavendiſhs Verſuche dieſes Geſetz zu beſtaͤtigen.
Dieſe Verſuche wurden ſo angeſtellt, daß man an einem langen
und zarten Faden einen leichten, an beiden Enden mit Kugeln be-
ſchwerten Waagebalken aufhaͤngte, und dieſen durch nahe gebrachte,
ziemlich große Bleimaſſen aus ſeiner Ruhelage zu entfernen ſuchte.
Ein ſolcher Faden ſetzt der Drehung ſo wenig Kraft entgegen, daß
bei Cavendiſhs Verſuchen ſchon eine Kraft, die nur ein Funf-
zigſtel vom Milliontel der Schwerkraft betraͤgt, eine Ablenkung her-
vorbringen konnte, und daher die durch die Attraction der Blei-
maſſen auf die Kugeln am Waagebalken hervorgebrachte Einwir-
kung eine Aenderung der Stellung und eine Oſcillation des Waa-
gebalkens zur Folge hatte. Die Verſuche, die bei der ungemeinen
Empfindlichkeit der Drehwaage (denn ſo nennt man das In-
ſtrument), durch die geringſten fremden Einwirkungen geſtoͤrt und
unſicher gemacht werden koͤnnen, verdienten wohl mit der von Ca-
vendiſh angewandten großen Vorſicht wiederholt, und bei un-
gleichen Abſtaͤnden der Bleimaſſen mehrmals angeſtellt zu werden,
damit die Frage, ob auch bei ſehr geringen Abſtaͤnden noch jenes
Hauptgeſetz der Attractionen gelte, moͤglichſt ſtrenge entſchieden
werde. Cavendiſhs Verſuche haben wenigſtens gezeigt, daß
dieſe Anziehung merklich genug iſt, um bei einer ſo feinen Abmeſ-
ſung noch mit ziemlich viel Genauigkeit beſtimmt zu werden *).

Eine andre Reihe von Verſuchen, welche die Anziehung feſter
Koͤrper gegen einander und auf fluͤſſige Koͤrper zu zeigen ſcheinen,

*) Gehlers phyſ. Woͤrterb. 3 Th. S. 950.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="2"/>
nungen, die dem Gebiete der                     Mechanik am na&#x0364;ch&#x017F;ten liegen, anzu-<lb/>
fangen, und nach                     und nach zu denen u&#x0364;berzugehen, wo &#x017F;ich uns<lb/>
endlich                     nicht mehr eine Bewegung der Ko&#x0364;rper oder ihrer                     Theilchen,<lb/>
&#x017F;ondern eine Vera&#x0364;nderung der Natur der                     Ko&#x0364;rper &#x017F;elb&#x017F;t zeigt.</p><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Wirkungen der Anziehungskraft fe&#x017F;ter                             Ko&#x0364;rper</hi>.</head><lb/>
          <p>So lange die Ko&#x0364;rpertheilchen nicht in unmittelbarer                         Beru&#x0364;h-<lb/>
rung &#x017F;ind, &#x017F;cheint, bei                         geringen wie bei großen Entfernungen, die<lb/>
Kraft der Anziehung                         &#x017F;o abzunehmen, wie die Quadrate der Ent-<lb/>
fernung zunehmen,                         und obgleich die geringe Einwirkung kleiner<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;en                         keine bis auf das Aeußer&#x017F;te genaue Ver&#x017F;uche                         ge&#x017F;tattet, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cheinen doch <hi rendition="#g">Cavendi&#x017F;hs</hi> Ver&#x017F;uche                         die&#x017F;es Ge&#x017F;etz zu                         be&#x017F;ta&#x0364;tigen.<lb/>
Die&#x017F;e Ver&#x017F;uche                         wurden &#x017F;o ange&#x017F;tellt, daß man an einem langen<lb/>
und                         zarten Faden einen leichten, an beiden Enden mit Kugeln                         be-<lb/>
&#x017F;chwerten Waagebalken aufha&#x0364;ngte, und                         die&#x017F;en durch nahe gebrachte,<lb/>
ziemlich große                         Bleima&#x017F;&#x017F;en aus &#x017F;einer Ruhelage zu entfernen                         &#x017F;uchte.<lb/>
Ein &#x017F;olcher Faden &#x017F;etzt der                         Drehung &#x017F;o wenig Kraft entgegen, daß<lb/>
bei <hi rendition="#g">Cavendi&#x017F;hs</hi> Ver&#x017F;uchen &#x017F;chon eine                         Kraft, die nur ein Funf-<lb/>
zig&#x017F;tel vom Milliontel der                         Schwerkraft betra&#x0364;gt, eine Ablenkung her-<lb/>
vorbringen konnte,                         und daher die durch die Attraction der                         Blei-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en auf die Kugeln am Waagebalken                         hervorgebrachte Einwir-<lb/>
kung eine Aenderung der Stellung und eine                         O&#x017F;cillation des Waa-<lb/>
gebalkens zur Folge hatte. Die                         Ver&#x017F;uche, die bei der ungemeinen<lb/>
Empfindlichkeit der <hi rendition="#g">Drehwaage</hi> (denn &#x017F;o nennt man das                         In-<lb/>
&#x017F;trument), durch die gering&#x017F;ten fremden                         Einwirkungen ge&#x017F;to&#x0364;rt und<lb/>
un&#x017F;icher                         gemacht werden ko&#x0364;nnen, verdienten wohl mit der von <hi rendition="#g">Ca</hi>-<lb/><hi rendition="#g">vendi&#x017F;h</hi> angewandten großen Vor&#x017F;icht wiederholt, und bei un-<lb/>
gleichen                         Ab&#x017F;ta&#x0364;nden der Bleima&#x017F;&#x017F;en                         mehrmals ange&#x017F;tellt zu werden,<lb/>
damit die Frage, ob auch bei                         &#x017F;ehr geringen Ab&#x017F;ta&#x0364;nden noch                         jenes<lb/>
Hauptge&#x017F;etz der Attractionen gelte,                         mo&#x0364;glich&#x017F;t &#x017F;trenge                         ent&#x017F;chieden<lb/>
werde. <hi rendition="#g">Cavendi&#x017F;hs</hi> Ver&#x017F;uche haben                         wenig&#x017F;tens gezeigt, daß<lb/>
die&#x017F;e Anziehung merklich                         genug i&#x017F;t, um bei einer &#x017F;o feinen                         Abme&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung noch mit ziemlich viel Genauigkeit                         be&#x017F;timmt zu werden <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Gehlers</hi> phy&#x017F;. Wo&#x0364;rterb. 3 Th. S.                             950.</note>.</p><lb/>
          <p>Eine andre Reihe von Ver&#x017F;uchen, welche die Anziehung                         fe&#x017F;ter<lb/>
Ko&#x0364;rper gegen einander und auf                         flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Ko&#x0364;rper zu zeigen                             &#x017F;cheinen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0016] nungen, die dem Gebiete der Mechanik am naͤchſten liegen, anzu- fangen, und nach und nach zu denen uͤberzugehen, wo ſich uns endlich nicht mehr eine Bewegung der Koͤrper oder ihrer Theilchen, ſondern eine Veraͤnderung der Natur der Koͤrper ſelbſt zeigt. Wirkungen der Anziehungskraft feſter Koͤrper. So lange die Koͤrpertheilchen nicht in unmittelbarer Beruͤh- rung ſind, ſcheint, bei geringen wie bei großen Entfernungen, die Kraft der Anziehung ſo abzunehmen, wie die Quadrate der Ent- fernung zunehmen, und obgleich die geringe Einwirkung kleiner Maſſen keine bis auf das Aeußerſte genaue Verſuche geſtattet, ſo ſcheinen doch Cavendiſhs Verſuche dieſes Geſetz zu beſtaͤtigen. Dieſe Verſuche wurden ſo angeſtellt, daß man an einem langen und zarten Faden einen leichten, an beiden Enden mit Kugeln be- ſchwerten Waagebalken aufhaͤngte, und dieſen durch nahe gebrachte, ziemlich große Bleimaſſen aus ſeiner Ruhelage zu entfernen ſuchte. Ein ſolcher Faden ſetzt der Drehung ſo wenig Kraft entgegen, daß bei Cavendiſhs Verſuchen ſchon eine Kraft, die nur ein Funf- zigſtel vom Milliontel der Schwerkraft betraͤgt, eine Ablenkung her- vorbringen konnte, und daher die durch die Attraction der Blei- maſſen auf die Kugeln am Waagebalken hervorgebrachte Einwir- kung eine Aenderung der Stellung und eine Oſcillation des Waa- gebalkens zur Folge hatte. Die Verſuche, die bei der ungemeinen Empfindlichkeit der Drehwaage (denn ſo nennt man das In- ſtrument), durch die geringſten fremden Einwirkungen geſtoͤrt und unſicher gemacht werden koͤnnen, verdienten wohl mit der von Ca- vendiſh angewandten großen Vorſicht wiederholt, und bei un- gleichen Abſtaͤnden der Bleimaſſen mehrmals angeſtellt zu werden, damit die Frage, ob auch bei ſehr geringen Abſtaͤnden noch jenes Hauptgeſetz der Attractionen gelte, moͤglichſt ſtrenge entſchieden werde. Cavendiſhs Verſuche haben wenigſtens gezeigt, daß dieſe Anziehung merklich genug iſt, um bei einer ſo feinen Abmeſ- ſung noch mit ziemlich viel Genauigkeit beſtimmt zu werden *). Eine andre Reihe von Verſuchen, welche die Anziehung feſter Koͤrper gegen einander und auf fluͤſſige Koͤrper zu zeigen ſcheinen, *) Gehlers phyſ. Woͤrterb. 3 Th. S. 950.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/16
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/16>, abgerufen am 21.11.2024.