Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr Kräfte, nach verschiedenen Richtungen auf einen einzigen
Punct wirken.

Beispiele von Zusammensetzung und Zerlegung der
Kräfte
.

Die Anwendungen, wo eine solche Zusammensetzung von
Kräften, welche nach verschiedenen Richtungen wirken, vorkömmt,
sind unzählig. Wenn mehrere Menschen an schief gezogenen Seilen
den schweren Block, mit welchem man Pfäle einschlägt, heben,
so wird ein Theil der Kraft allemal unnütz angewandt, indem der
seitwärts gerichtete Theil der angewandten Kräfte sich gegenseitig
zerstört, und dies ist desto mehr der Fall, je weiter die Menschen
aus einander stehen, je mehr von der Verticallinie abweichend die
Seile sind. --

Wenn eine in C hängende Last durch eine Kraft, die über
eine Rolle B zieht (Fig. 7.) gehoben wird, während das Ende
des Seiles in A befestiget ist, so wird es der in D ziehenden Hand
immer schwerer und schwerer die Last zu heben, weil die Anfangs
nach FG noch ziemlich vortheilhaft ziehende Kraft eine höchst unvor-
theilhafte Richtung erhält, wenn die Last schon bis E hinaufgezogen
ist. Hier nämlich trägt der Haken bei A Anfangs einen bedeuten-
den Theil der Last, so daß wenn die Last sich in F befindet, die in
D ziehende Hand nur wenig mehr als die Hälfte der Last zu heben
hat; bei der Stellung in E aber werden von 100 Pfund Kraft,
die man in D aufwendet, kaum noch 10 zur Hebung der Last ver-
wandt, der größte Theil der Kraft hingegen wird angewandt, um
die horizontale Spannung des Seiles hervorzubringen, und den
Haken bei A aus der Wand herauszuziehen. Ein Schiff, welches
der Wind nach einer auf die Richtung des Stromes senkrechten
Richtung forttreibt, folgt zugleich beiden Kräften, dem Winde und
dem Strome, und die Richtung seines Fortrückens, oder wenn es
vor Anker liegt, die Richtung die das Ankertau annimmt, zeigen
die Richtung dieser Mittelkraft. Sind beide Kräfte nicht senkrecht
auf einander, sondern nach AC und AB (Fig. 8.) wirkend, so un-
terstützen sie einander, und wenn man das Parallelogramm ABDC
zeichnet, dessen Seiten den Kräften proportional sind, so giebt AD
verhältnißmäßig die Gewalt an, mit welcher die Mittelkraft den

mehr Kraͤfte, nach verſchiedenen Richtungen auf einen einzigen
Punct wirken.

Beiſpiele von Zuſammenſetzung und Zerlegung der
Kraͤfte
.

Die Anwendungen, wo eine ſolche Zuſammenſetzung von
Kraͤften, welche nach verſchiedenen Richtungen wirken, vorkoͤmmt,
ſind unzaͤhlig. Wenn mehrere Menſchen an ſchief gezogenen Seilen
den ſchweren Block, mit welchem man Pfaͤle einſchlaͤgt, heben,
ſo wird ein Theil der Kraft allemal unnuͤtz angewandt, indem der
ſeitwaͤrts gerichtete Theil der angewandten Kraͤfte ſich gegenſeitig
zerſtoͤrt, und dies iſt deſto mehr der Fall, je weiter die Menſchen
aus einander ſtehen, je mehr von der Verticallinie abweichend die
Seile ſind. —

Wenn eine in C haͤngende Laſt durch eine Kraft, die uͤber
eine Rolle B zieht (Fig. 7.) gehoben wird, waͤhrend das Ende
des Seiles in A befeſtiget iſt, ſo wird es der in D ziehenden Hand
immer ſchwerer und ſchwerer die Laſt zu heben, weil die Anfangs
nach FG noch ziemlich vortheilhaft ziehende Kraft eine hoͤchſt unvor-
theilhafte Richtung erhaͤlt, wenn die Laſt ſchon bis E hinaufgezogen
iſt. Hier naͤmlich traͤgt der Haken bei A Anfangs einen bedeuten-
den Theil der Laſt, ſo daß wenn die Laſt ſich in F befindet, die in
D ziehende Hand nur wenig mehr als die Haͤlfte der Laſt zu heben
hat; bei der Stellung in E aber werden von 100 Pfund Kraft,
die man in D aufwendet, kaum noch 10 zur Hebung der Laſt ver-
wandt, der groͤßte Theil der Kraft hingegen wird angewandt, um
die horizontale Spannung des Seiles hervorzubringen, und den
Haken bei A aus der Wand herauszuziehen. Ein Schiff, welches
der Wind nach einer auf die Richtung des Stromes ſenkrechten
Richtung forttreibt, folgt zugleich beiden Kraͤften, dem Winde und
dem Strome, und die Richtung ſeines Fortruͤckens, oder wenn es
vor Anker liegt, die Richtung die das Ankertau annimmt, zeigen
die Richtung dieſer Mittelkraft. Sind beide Kraͤfte nicht ſenkrecht
auf einander, ſondern nach AC und AB (Fig. 8.) wirkend, ſo un-
terſtuͤtzen ſie einander, und wenn man das Parallelogramm ABDC
zeichnet, deſſen Seiten den Kraͤften proportional ſind, ſo giebt AD
verhaͤltnißmaͤßig die Gewalt an, mit welcher die Mittelkraft den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0065" n="43"/>
mehr Kra&#x0364;fte, nach ver&#x017F;chiedenen Richtungen auf einen einzigen<lb/>
Punct wirken.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Bei&#x017F;piele von Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung und Zerlegung der<lb/>
Kra&#x0364;fte</hi>.</head><lb/>
          <p>Die Anwendungen, wo eine &#x017F;olche Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung von<lb/>
Kra&#x0364;ften, welche nach ver&#x017F;chiedenen Richtungen wirken, vorko&#x0364;mmt,<lb/>
&#x017F;ind unza&#x0364;hlig. Wenn mehrere Men&#x017F;chen an &#x017F;chief gezogenen Seilen<lb/>
den &#x017F;chweren Block, mit welchem man Pfa&#x0364;le ein&#x017F;chla&#x0364;gt, heben,<lb/>
&#x017F;o wird ein Theil der Kraft allemal unnu&#x0364;tz angewandt, indem der<lb/>
&#x017F;eitwa&#x0364;rts gerichtete Theil der angewandten Kra&#x0364;fte &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig<lb/>
zer&#x017F;to&#x0364;rt, und dies i&#x017F;t de&#x017F;to mehr der Fall, je weiter die Men&#x017F;chen<lb/>
aus einander &#x017F;tehen, je mehr von der Verticallinie abweichend die<lb/>
Seile &#x017F;ind. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wenn eine in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">C</hi></hi> ha&#x0364;ngende La&#x017F;t durch eine Kraft, die u&#x0364;ber<lb/>
eine Rolle <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">B</hi></hi> zieht (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 7.</hi></hi>) gehoben wird, wa&#x0364;hrend das Ende<lb/>
des Seiles in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> befe&#x017F;tiget i&#x017F;t, &#x017F;o wird es der in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D</hi></hi> ziehenden Hand<lb/>
immer &#x017F;chwerer und &#x017F;chwerer die La&#x017F;t zu heben, weil die Anfangs<lb/>
nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">FG</hi></hi> noch ziemlich vortheilhaft ziehende Kraft eine ho&#x0364;ch&#x017F;t unvor-<lb/>
theilhafte Richtung erha&#x0364;lt, wenn die La&#x017F;t &#x017F;chon bis <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">E</hi></hi> hinaufgezogen<lb/>
i&#x017F;t. Hier na&#x0364;mlich tra&#x0364;gt der Haken bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> Anfangs einen bedeuten-<lb/>
den Theil der La&#x017F;t, &#x017F;o daß wenn die La&#x017F;t &#x017F;ich in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">F</hi></hi> befindet, die in<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D</hi></hi> ziehende Hand nur wenig mehr als die Ha&#x0364;lfte der La&#x017F;t zu heben<lb/>
hat; bei der Stellung in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">E</hi></hi> aber werden von 100 Pfund Kraft,<lb/>
die man in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">D</hi></hi> aufwendet, kaum noch 10 zur Hebung der La&#x017F;t ver-<lb/>
wandt, der gro&#x0364;ßte Theil der Kraft hingegen wird angewandt, um<lb/>
die horizontale Spannung des Seiles hervorzubringen, und den<lb/>
Haken bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">A</hi></hi> aus der Wand herauszuziehen. Ein Schiff, welches<lb/>
der Wind nach einer auf die Richtung des Stromes &#x017F;enkrechten<lb/>
Richtung forttreibt, folgt zugleich beiden Kra&#x0364;ften, dem Winde und<lb/>
dem Strome, und die Richtung &#x017F;eines Fortru&#x0364;ckens, oder wenn es<lb/>
vor Anker liegt, die Richtung die das Ankertau annimmt, zeigen<lb/>
die Richtung die&#x017F;er Mittelkraft. Sind beide Kra&#x0364;fte nicht &#x017F;enkrecht<lb/>
auf einander, &#x017F;ondern nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AC</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AB</hi></hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 8.</hi></hi>) wirkend, &#x017F;o un-<lb/>
ter&#x017F;tu&#x0364;tzen &#x017F;ie einander, und wenn man das Parallelogramm <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">ABDC</hi></hi><lb/>
zeichnet, de&#x017F;&#x017F;en Seiten den Kra&#x0364;ften proportional &#x017F;ind, &#x017F;o giebt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AD</hi></hi><lb/>
verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig die Gewalt an, mit welcher die Mittelkraft den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0065] mehr Kraͤfte, nach verſchiedenen Richtungen auf einen einzigen Punct wirken. Beiſpiele von Zuſammenſetzung und Zerlegung der Kraͤfte. Die Anwendungen, wo eine ſolche Zuſammenſetzung von Kraͤften, welche nach verſchiedenen Richtungen wirken, vorkoͤmmt, ſind unzaͤhlig. Wenn mehrere Menſchen an ſchief gezogenen Seilen den ſchweren Block, mit welchem man Pfaͤle einſchlaͤgt, heben, ſo wird ein Theil der Kraft allemal unnuͤtz angewandt, indem der ſeitwaͤrts gerichtete Theil der angewandten Kraͤfte ſich gegenſeitig zerſtoͤrt, und dies iſt deſto mehr der Fall, je weiter die Menſchen aus einander ſtehen, je mehr von der Verticallinie abweichend die Seile ſind. — Wenn eine in C haͤngende Laſt durch eine Kraft, die uͤber eine Rolle B zieht (Fig. 7.) gehoben wird, waͤhrend das Ende des Seiles in A befeſtiget iſt, ſo wird es der in D ziehenden Hand immer ſchwerer und ſchwerer die Laſt zu heben, weil die Anfangs nach FG noch ziemlich vortheilhaft ziehende Kraft eine hoͤchſt unvor- theilhafte Richtung erhaͤlt, wenn die Laſt ſchon bis E hinaufgezogen iſt. Hier naͤmlich traͤgt der Haken bei A Anfangs einen bedeuten- den Theil der Laſt, ſo daß wenn die Laſt ſich in F befindet, die in D ziehende Hand nur wenig mehr als die Haͤlfte der Laſt zu heben hat; bei der Stellung in E aber werden von 100 Pfund Kraft, die man in D aufwendet, kaum noch 10 zur Hebung der Laſt ver- wandt, der groͤßte Theil der Kraft hingegen wird angewandt, um die horizontale Spannung des Seiles hervorzubringen, und den Haken bei A aus der Wand herauszuziehen. Ein Schiff, welches der Wind nach einer auf die Richtung des Stromes ſenkrechten Richtung forttreibt, folgt zugleich beiden Kraͤften, dem Winde und dem Strome, und die Richtung ſeines Fortruͤckens, oder wenn es vor Anker liegt, die Richtung die das Ankertau annimmt, zeigen die Richtung dieſer Mittelkraft. Sind beide Kraͤfte nicht ſenkrecht auf einander, ſondern nach AC und AB (Fig. 8.) wirkend, ſo un- terſtuͤtzen ſie einander, und wenn man das Parallelogramm ABDC zeichnet, deſſen Seiten den Kraͤften proportional ſind, ſo giebt AD verhaͤltnißmaͤßig die Gewalt an, mit welcher die Mittelkraft den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/65
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/65>, abgerufen am 21.11.2024.