Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

man den Schall sehr weit. Parry erzählt, daß man in den Po-
largegenden bei kalter Luft die menschliche Stimme auf 7000 Fuß
weit verstand, wozu die große Stille und freilich auch die größere
Dichtigkeit der kältern Luft beiträgt; Hundegebell hört man an stillen
Sommerabenden über Wasser mehr als 10000 Fuß weit. Cano-
nenschüsse soll man in einzelnen Fällen 30 Meilen weit gehört
haben *).

Echo.

In den gewöhnlichen Fällen ist die Fortpflanzung des Schalles
gradlinig; aber sehr oft täuscht uns die Zurückwerfung des Schalles
von festen Körpern, und veranlaßt uns, den tönenden Gegenstand
an einem andern Orte, als da, wo er wirklich ist, zu suchen. Diese
Zurückwerfungen nennen wir Echo, und erklären uns ihre Entste-
hung leicht. So wie nämlich die Welle im Wasser fortschreitend,
so lange als sie kein Hinderniß findet, ruhig ihren Weg fortsetzt, so
gehen auch die der Luft durch eine Schall-Erregung mitgetheilten
Schwingungen in grader Linie auf jedes nächste Theilchen über, so
lange kein widerstehender Körper ein Hinderniß darbietet; aber so
wie die Welle, zurückgeworfen von einem festen Gegenstande, eine
von diesem ausgehende neue Welle erregt, so entsteht auch hier ein
in neuer Richtung, von dem Gegenstande zurückgeworfener Schall.
Ist man dem Gegenstande, der das Echo erregt, sehr nahe, und
zwischen der Gegend, von woher der Schall ursprünglich kam und
dem Ursprunge des Echo, so bemerkt man keine deutliche Wiederho-
lung des Schalles, sondern ein Nachtönen, von jenem Gegenstande
ausgehend, hängt sich nur dem ursprünglichen Schalle an. Entfernt
man sich aber weiter vom Echo nach dem Orte zu, wo der Schall
her kam, so unterscheidet man deutlich den das Ohr in grader Rich-
tung treffenden Schall und den nach einiger Zeit erst, von dem das
Echo gebenden Körper zurückkommenden Schall; ist man 500 Fuß
entfernt, so vergeht zwischen beiden Schall-Eindrücken etwa 1 Se-
cunde, weil der Schall 1/2 Secunde brauchte, um von uns bis zu
dem Gegenstande zu gelangen und 1/2 Secunde, um wieder zurück-

*) Man hat Angaben von noch größern Entfernungen, die mir
aber kaum glaublich vorkommen.

man den Schall ſehr weit. Parry erzaͤhlt, daß man in den Po-
largegenden bei kalter Luft die menſchliche Stimme auf 7000 Fuß
weit verſtand, wozu die große Stille und freilich auch die groͤßere
Dichtigkeit der kaͤltern Luft beitraͤgt; Hundegebell hoͤrt man an ſtillen
Sommerabenden uͤber Waſſer mehr als 10000 Fuß weit. Cano-
nenſchuͤſſe ſoll man in einzelnen Faͤllen 30 Meilen weit gehoͤrt
haben *).

Echo.

In den gewoͤhnlichen Faͤllen iſt die Fortpflanzung des Schalles
gradlinig; aber ſehr oft taͤuſcht uns die Zuruͤckwerfung des Schalles
von feſten Koͤrpern, und veranlaßt uns, den toͤnenden Gegenſtand
an einem andern Orte, als da, wo er wirklich iſt, zu ſuchen. Dieſe
Zuruͤckwerfungen nennen wir Echo, und erklaͤren uns ihre Entſte-
hung leicht. So wie naͤmlich die Welle im Waſſer fortſchreitend,
ſo lange als ſie kein Hinderniß findet, ruhig ihren Weg fortſetzt, ſo
gehen auch die der Luft durch eine Schall-Erregung mitgetheilten
Schwingungen in grader Linie auf jedes naͤchſte Theilchen uͤber, ſo
lange kein widerſtehender Koͤrper ein Hinderniß darbietet; aber ſo
wie die Welle, zuruͤckgeworfen von einem feſten Gegenſtande, eine
von dieſem ausgehende neue Welle erregt, ſo entſteht auch hier ein
in neuer Richtung, von dem Gegenſtande zuruͤckgeworfener Schall.
Iſt man dem Gegenſtande, der das Echo erregt, ſehr nahe, und
zwiſchen der Gegend, von woher der Schall urſpruͤnglich kam und
dem Urſprunge des Echo, ſo bemerkt man keine deutliche Wiederho-
lung des Schalles, ſondern ein Nachtoͤnen, von jenem Gegenſtande
ausgehend, haͤngt ſich nur dem urſpruͤnglichen Schalle an. Entfernt
man ſich aber weiter vom Echo nach dem Orte zu, wo der Schall
her kam, ſo unterſcheidet man deutlich den das Ohr in grader Rich-
tung treffenden Schall und den nach einiger Zeit erſt, von dem das
Echo gebenden Koͤrper zuruͤckkommenden Schall; iſt man 500 Fuß
entfernt, ſo vergeht zwiſchen beiden Schall-Eindruͤcken etwa 1 Se-
cunde, weil der Schall ½ Secunde brauchte, um von uns bis zu
dem Gegenſtande zu gelangen und ½ Secunde, um wieder zuruͤck-

*) Man hat Angaben von noch groͤßern Entfernungen, die mir
aber kaum glaublich vorkommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0350" n="328"/>
man den Schall &#x017F;ehr weit. <hi rendition="#g">Parry</hi> erza&#x0364;hlt, daß man in den Po-<lb/>
largegenden bei kalter Luft die men&#x017F;chliche Stimme auf 7000 Fuß<lb/>
weit ver&#x017F;tand, wozu die große Stille und freilich auch die gro&#x0364;ßere<lb/>
Dichtigkeit der ka&#x0364;ltern Luft beitra&#x0364;gt; Hundegebell ho&#x0364;rt man an &#x017F;tillen<lb/>
Sommerabenden u&#x0364;ber Wa&#x017F;&#x017F;er mehr als 10000 Fuß weit. Cano-<lb/>
nen&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;oll man in einzelnen Fa&#x0364;llen 30 Meilen weit geho&#x0364;rt<lb/>
haben <note place="foot" n="*)">Man hat Angaben von noch gro&#x0364;ßern Entfernungen, die mir<lb/>
aber kaum glaublich vorkommen.</note>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Echo</hi>.</head><lb/>
          <p>In den gewo&#x0364;hnlichen Fa&#x0364;llen i&#x017F;t die Fortpflanzung des Schalles<lb/>
gradlinig; aber &#x017F;ehr oft ta&#x0364;u&#x017F;cht uns die Zuru&#x0364;ckwerfung des Schalles<lb/>
von fe&#x017F;ten Ko&#x0364;rpern, und veranlaßt uns, den to&#x0364;nenden Gegen&#x017F;tand<lb/>
an einem andern Orte, als da, wo er wirklich i&#x017F;t, zu &#x017F;uchen. Die&#x017F;e<lb/>
Zuru&#x0364;ckwerfungen nennen wir Echo, und erkla&#x0364;ren uns ihre Ent&#x017F;te-<lb/>
hung leicht. So wie na&#x0364;mlich die Welle im Wa&#x017F;&#x017F;er fort&#x017F;chreitend,<lb/>
&#x017F;o lange als &#x017F;ie kein Hinderniß findet, ruhig ihren Weg fort&#x017F;etzt, &#x017F;o<lb/>
gehen auch die der Luft durch eine Schall-Erregung mitgetheilten<lb/>
Schwingungen in grader Linie auf jedes na&#x0364;ch&#x017F;te Theilchen u&#x0364;ber, &#x017F;o<lb/>
lange kein wider&#x017F;tehender Ko&#x0364;rper ein Hinderniß darbietet; aber &#x017F;o<lb/>
wie die Welle, zuru&#x0364;ckgeworfen von einem fe&#x017F;ten Gegen&#x017F;tande, eine<lb/>
von die&#x017F;em ausgehende neue Welle erregt, &#x017F;o ent&#x017F;teht auch hier ein<lb/>
in neuer Richtung, von dem Gegen&#x017F;tande zuru&#x0364;ckgeworfener Schall.<lb/>
I&#x017F;t man dem Gegen&#x017F;tande, der das Echo erregt, &#x017F;ehr nahe, und<lb/>
zwi&#x017F;chen der Gegend, von woher der Schall ur&#x017F;pru&#x0364;nglich kam und<lb/>
dem Ur&#x017F;prunge des Echo, &#x017F;o bemerkt man keine deutliche Wiederho-<lb/>
lung des Schalles, &#x017F;ondern ein Nachto&#x0364;nen, von jenem Gegen&#x017F;tande<lb/>
ausgehend, ha&#x0364;ngt &#x017F;ich nur dem ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Schalle an. Entfernt<lb/>
man &#x017F;ich aber weiter vom Echo nach dem Orte zu, wo der Schall<lb/>
her kam, &#x017F;o unter&#x017F;cheidet man deutlich den das Ohr in grader Rich-<lb/>
tung treffenden Schall und den nach einiger Zeit er&#x017F;t, von dem das<lb/>
Echo gebenden Ko&#x0364;rper zuru&#x0364;ckkommenden Schall; i&#x017F;t man 500 Fuß<lb/>
entfernt, &#x017F;o vergeht zwi&#x017F;chen beiden Schall-Eindru&#x0364;cken etwa 1 Se-<lb/>
cunde, weil der Schall ½ Secunde brauchte, um von uns bis zu<lb/>
dem Gegen&#x017F;tande zu gelangen und ½ Secunde, um wieder zuru&#x0364;ck-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0350] man den Schall ſehr weit. Parry erzaͤhlt, daß man in den Po- largegenden bei kalter Luft die menſchliche Stimme auf 7000 Fuß weit verſtand, wozu die große Stille und freilich auch die groͤßere Dichtigkeit der kaͤltern Luft beitraͤgt; Hundegebell hoͤrt man an ſtillen Sommerabenden uͤber Waſſer mehr als 10000 Fuß weit. Cano- nenſchuͤſſe ſoll man in einzelnen Faͤllen 30 Meilen weit gehoͤrt haben *). Echo. In den gewoͤhnlichen Faͤllen iſt die Fortpflanzung des Schalles gradlinig; aber ſehr oft taͤuſcht uns die Zuruͤckwerfung des Schalles von feſten Koͤrpern, und veranlaßt uns, den toͤnenden Gegenſtand an einem andern Orte, als da, wo er wirklich iſt, zu ſuchen. Dieſe Zuruͤckwerfungen nennen wir Echo, und erklaͤren uns ihre Entſte- hung leicht. So wie naͤmlich die Welle im Waſſer fortſchreitend, ſo lange als ſie kein Hinderniß findet, ruhig ihren Weg fortſetzt, ſo gehen auch die der Luft durch eine Schall-Erregung mitgetheilten Schwingungen in grader Linie auf jedes naͤchſte Theilchen uͤber, ſo lange kein widerſtehender Koͤrper ein Hinderniß darbietet; aber ſo wie die Welle, zuruͤckgeworfen von einem feſten Gegenſtande, eine von dieſem ausgehende neue Welle erregt, ſo entſteht auch hier ein in neuer Richtung, von dem Gegenſtande zuruͤckgeworfener Schall. Iſt man dem Gegenſtande, der das Echo erregt, ſehr nahe, und zwiſchen der Gegend, von woher der Schall urſpruͤnglich kam und dem Urſprunge des Echo, ſo bemerkt man keine deutliche Wiederho- lung des Schalles, ſondern ein Nachtoͤnen, von jenem Gegenſtande ausgehend, haͤngt ſich nur dem urſpruͤnglichen Schalle an. Entfernt man ſich aber weiter vom Echo nach dem Orte zu, wo der Schall her kam, ſo unterſcheidet man deutlich den das Ohr in grader Rich- tung treffenden Schall und den nach einiger Zeit erſt, von dem das Echo gebenden Koͤrper zuruͤckkommenden Schall; iſt man 500 Fuß entfernt, ſo vergeht zwiſchen beiden Schall-Eindruͤcken etwa 1 Se- cunde, weil der Schall ½ Secunde brauchte, um von uns bis zu dem Gegenſtande zu gelangen und ½ Secunde, um wieder zuruͤck- *) Man hat Angaben von noch groͤßern Entfernungen, die mir aber kaum glaublich vorkommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/350
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/350>, abgerufen am 22.12.2024.