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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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Bewegung der Wellen.

Die Wellenbewegung gehört endlich auch noch hieher, und
wenn sie sich gleich nicht so unmittelbar, wie man es wohl zuwei-
len angenommen hat, mit den Oscillationen in Röhren vergleichen
läßt, so erhält sie doch von dieser manche Aufklärung. Daß bei ihr
nicht, wie das scheinbare Fortrücken der Wellenköpfe es anzuzeigen
scheint, ein lebhaftes Fortströmen statt findet, davon überzeugt uns
der Augenschein, wenn wir darauf achten, wie ein auf den Wellen
schwimmendes Stückchen Holz zwar schwankend gehoben wird, und
sich wieder senkt, aber nicht erheblich mit den Wellen fortgeführt
wird; und hieran zeigt sich also, daß jedes Wassertheilchen nur
eine oscillirende Bewegung hat. Daß diese indeß nicht in einem
Hinauf- und Hinabgehen besteht, wie in den verbundenen Röhren,
das haben theils Beobachtungen, theils theoretische Betrachtungen
gezeigt. Die Beobachtung läßt sich schon an den Wellen, wie wir
sie, vom Winde erregt und unterhalten, so oft wahrnehmen, an-
stellen; aber noch genauer haben die schönen Versuche von E. und
W. Weber die Bewegung der einzelnen Wassertheilchen an der
Oberfläche des Wassers und in der Tiefe kennen gelehrt. Sie
bedienten sich zu ihren Versuchen einer ziemlich langen Rinne, in
welcher Wellen erregt wurden, und da die Rinne schmal genug
war, um auf das, was nach der Querrichtung statt fand, nicht
Rücksicht zu nehmen; so liefen die Wellen in ihr bloß der Länge
nach fort. Damit man aber überall, wo man wollte, die Be-
wegung der Wassertheilchen sehen könne, bestanden die verticalen
Seitenwände der Rinne aus Glas, und man richtete, quer durch
die Rinne durchsehend, das mit einem Microscope bewaffnete Auge
auf irgend ein kleines im Wasser schwimmendes Körperchen. So
wie nun die Welle vorbei lief, sah man dieses Körperchen einen
kleinen Kreis beschreiben, wenn es sich an der Oberfläche befand,
man sah, wie es eine nach verticaler Richtung weniger als in die
Breite ausgedehnte Ellipse durchlief, wenn es in einiger Tiefe
unter der Oberfläche lag, und daß endlich nahe am Boden diese
Bewegung in ein bloßes Vorwärts- und Rückwärtsgehen überging.
Diese kreisförmige Bewegung jedes einzelnen Theilchens erklärt
das Fortlaufen der Wellen auf der Oberfläche. Da nämlich die

Bewegung der Wellen.

Die Wellenbewegung gehoͤrt endlich auch noch hieher, und
wenn ſie ſich gleich nicht ſo unmittelbar, wie man es wohl zuwei-
len angenommen hat, mit den Oſcillationen in Roͤhren vergleichen
laͤßt, ſo erhaͤlt ſie doch von dieſer manche Aufklaͤrung. Daß bei ihr
nicht, wie das ſcheinbare Fortruͤcken der Wellenkoͤpfe es anzuzeigen
ſcheint, ein lebhaftes Fortſtroͤmen ſtatt findet, davon uͤberzeugt uns
der Augenſchein, wenn wir darauf achten, wie ein auf den Wellen
ſchwimmendes Stuͤckchen Holz zwar ſchwankend gehoben wird, und
ſich wieder ſenkt, aber nicht erheblich mit den Wellen fortgefuͤhrt
wird; und hieran zeigt ſich alſo, daß jedes Waſſertheilchen nur
eine oſcillirende Bewegung hat. Daß dieſe indeß nicht in einem
Hinauf- und Hinabgehen beſteht, wie in den verbundenen Roͤhren,
das haben theils Beobachtungen, theils theoretiſche Betrachtungen
gezeigt. Die Beobachtung laͤßt ſich ſchon an den Wellen, wie wir
ſie, vom Winde erregt und unterhalten, ſo oft wahrnehmen, an-
ſtellen; aber noch genauer haben die ſchoͤnen Verſuche von E. und
W. Weber die Bewegung der einzelnen Waſſertheilchen an der
Oberflaͤche des Waſſers und in der Tiefe kennen gelehrt. Sie
bedienten ſich zu ihren Verſuchen einer ziemlich langen Rinne, in
welcher Wellen erregt wurden, und da die Rinne ſchmal genug
war, um auf das, was nach der Querrichtung ſtatt fand, nicht
Ruͤckſicht zu nehmen; ſo liefen die Wellen in ihr bloß der Laͤnge
nach fort. Damit man aber uͤberall, wo man wollte, die Be-
wegung der Waſſertheilchen ſehen koͤnne, beſtanden die verticalen
Seitenwaͤnde der Rinne aus Glas, und man richtete, quer durch
die Rinne durchſehend, das mit einem Microſcope bewaffnete Auge
auf irgend ein kleines im Waſſer ſchwimmendes Koͤrperchen. So
wie nun die Welle vorbei lief, ſah man dieſes Koͤrperchen einen
kleinen Kreis beſchreiben, wenn es ſich an der Oberflaͤche befand,
man ſah, wie es eine nach verticaler Richtung weniger als in die
Breite ausgedehnte Ellipſe durchlief, wenn es in einiger Tiefe
unter der Oberflaͤche lag, und daß endlich nahe am Boden dieſe
Bewegung in ein bloßes Vorwaͤrts- und Ruͤckwaͤrtsgehen uͤberging.
Dieſe kreisfoͤrmige Bewegung jedes einzelnen Theilchens erklaͤrt
das Fortlaufen der Wellen auf der Oberflaͤche. Da naͤmlich die

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[178/0200] Bewegung der Wellen. Die Wellenbewegung gehoͤrt endlich auch noch hieher, und wenn ſie ſich gleich nicht ſo unmittelbar, wie man es wohl zuwei- len angenommen hat, mit den Oſcillationen in Roͤhren vergleichen laͤßt, ſo erhaͤlt ſie doch von dieſer manche Aufklaͤrung. Daß bei ihr nicht, wie das ſcheinbare Fortruͤcken der Wellenkoͤpfe es anzuzeigen ſcheint, ein lebhaftes Fortſtroͤmen ſtatt findet, davon uͤberzeugt uns der Augenſchein, wenn wir darauf achten, wie ein auf den Wellen ſchwimmendes Stuͤckchen Holz zwar ſchwankend gehoben wird, und ſich wieder ſenkt, aber nicht erheblich mit den Wellen fortgefuͤhrt wird; und hieran zeigt ſich alſo, daß jedes Waſſertheilchen nur eine oſcillirende Bewegung hat. Daß dieſe indeß nicht in einem Hinauf- und Hinabgehen beſteht, wie in den verbundenen Roͤhren, das haben theils Beobachtungen, theils theoretiſche Betrachtungen gezeigt. Die Beobachtung laͤßt ſich ſchon an den Wellen, wie wir ſie, vom Winde erregt und unterhalten, ſo oft wahrnehmen, an- ſtellen; aber noch genauer haben die ſchoͤnen Verſuche von E. und W. Weber die Bewegung der einzelnen Waſſertheilchen an der Oberflaͤche des Waſſers und in der Tiefe kennen gelehrt. Sie bedienten ſich zu ihren Verſuchen einer ziemlich langen Rinne, in welcher Wellen erregt wurden, und da die Rinne ſchmal genug war, um auf das, was nach der Querrichtung ſtatt fand, nicht Ruͤckſicht zu nehmen; ſo liefen die Wellen in ihr bloß der Laͤnge nach fort. Damit man aber uͤberall, wo man wollte, die Be- wegung der Waſſertheilchen ſehen koͤnne, beſtanden die verticalen Seitenwaͤnde der Rinne aus Glas, und man richtete, quer durch die Rinne durchſehend, das mit einem Microſcope bewaffnete Auge auf irgend ein kleines im Waſſer ſchwimmendes Koͤrperchen. So wie nun die Welle vorbei lief, ſah man dieſes Koͤrperchen einen kleinen Kreis beſchreiben, wenn es ſich an der Oberflaͤche befand, man ſah, wie es eine nach verticaler Richtung weniger als in die Breite ausgedehnte Ellipſe durchlief, wenn es in einiger Tiefe unter der Oberflaͤche lag, und daß endlich nahe am Boden dieſe Bewegung in ein bloßes Vorwaͤrts- und Ruͤckwaͤrtsgehen uͤberging. Dieſe kreisfoͤrmige Bewegung jedes einzelnen Theilchens erklaͤrt das Fortlaufen der Wellen auf der Oberflaͤche. Da naͤmlich die

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/200>, abgerufen am 21.11.2024.