handen ist, wo man vielleicht aus einem Flusse Wasser zur Be- wässerung oder zu andern Zwecken heben wollte, ihren Nutzen haben können *).
Ungewöhnliche Erscheinungen bei plötzlichen Fluthen.
Ob ich Recht habe, wenn ich eine Reihe merkwürdiger Er- scheinungen, welche die Fluthen in gewissen Gegenden und die durch Sturm erregten Anschwellungen des Wassers in andern Gegenden, uns darbieten, mit diesen Oscillationen des Wassers in Verbindung setze, will ich Ihrer eignen Entscheidung überlassen, und Ihnen diese Erscheinungen nebst der Erklärung, wie sie mir am wahrscheinlichsten vorkömmt, angeben.
Obgleich die Fluth in ihrem allmähligen Wachsen an den meisten Orten einen ziemlich regelmäßigen Fortgang zeigt, so daß sie zwar schneller um die Mitte der Fluth, langsamer kurz nach dem niedrigsten und kurz vor dem höchsten Wasser, aber doch immer nur allmählig anwächst, so giebt es doch in den Mündun- gen der Ströme an einigen Orten ein so plötzliches Einstürzen der Fluth, daß es den Schiffen gefährlich wird. Dies ist zum Beispiel in der Dordogne besonders dann der Fall, wenn eine Spring- fluth, bei niedrigem Stande des Wassers im Strome, eintritt, und der Mascaret, wie man dieses heftige Einstürzen des Was- sers dort nennt, wie eine ungeheure Welle sich den Strom hinauf wälzt. Die Gewalt des Mascarets ist so groß, daß sie zuweilen die steinernen Einbaue zerstört, Schiffe versenkt, u. s. w. Dieses unregelmäßig schnelle Anschwellen der Fluth in einem plötzlich ver- engerten Strome läßt sich mit dem schnellen Aufsteigen in einer engern Röhre vergleichen. Die Dordogne ist ein verhältniß- mäßig enger Strom, der in ziemlich grade fortgehender Richtung von der breitern Garonne aufgenommen wird, welche selbst sich in den weiten, einem langen Meerbusen ähnlichen Raum der Gi- ronde ergießt. Tritt nun die Fluth in diesen weiten Meeres- Arm ein, so ist die Wassermenge, die ihn bis 1 oder 2 Fuß füllt, zureichend, um in der engern Dordogne eine viel höher gehende Oscillation hervorzubringen, und je schneller bei Springfluthen das
*)Gilb. Ann. XIX. 55. 88.
handen iſt, wo man vielleicht aus einem Fluſſe Waſſer zur Be- waͤſſerung oder zu andern Zwecken heben wollte, ihren Nutzen haben koͤnnen *).
Ungewoͤhnliche Erſcheinungen bei ploͤtzlichen Fluthen.
Ob ich Recht habe, wenn ich eine Reihe merkwuͤrdiger Er- ſcheinungen, welche die Fluthen in gewiſſen Gegenden und die durch Sturm erregten Anſchwellungen des Waſſers in andern Gegenden, uns darbieten, mit dieſen Oſcillationen des Waſſers in Verbindung ſetze, will ich Ihrer eignen Entſcheidung uͤberlaſſen, und Ihnen dieſe Erſcheinungen nebſt der Erklaͤrung, wie ſie mir am wahrſcheinlichſten vorkoͤmmt, angeben.
Obgleich die Fluth in ihrem allmaͤhligen Wachſen an den meiſten Orten einen ziemlich regelmaͤßigen Fortgang zeigt, ſo daß ſie zwar ſchneller um die Mitte der Fluth, langſamer kurz nach dem niedrigſten und kurz vor dem hoͤchſten Waſſer, aber doch immer nur allmaͤhlig anwaͤchſt, ſo giebt es doch in den Muͤndun- gen der Stroͤme an einigen Orten ein ſo ploͤtzliches Einſtuͤrzen der Fluth, daß es den Schiffen gefaͤhrlich wird. Dies iſt zum Beiſpiel in der Dordogne beſonders dann der Fall, wenn eine Spring- fluth, bei niedrigem Stande des Waſſers im Strome, eintritt, und der Mascaret, wie man dieſes heftige Einſtuͤrzen des Waſ- ſers dort nennt, wie eine ungeheure Welle ſich den Strom hinauf waͤlzt. Die Gewalt des Mascarets iſt ſo groß, daß ſie zuweilen die ſteinernen Einbaue zerſtoͤrt, Schiffe verſenkt, u. ſ. w. Dieſes unregelmaͤßig ſchnelle Anſchwellen der Fluth in einem ploͤtzlich ver- engerten Strome laͤßt ſich mit dem ſchnellen Aufſteigen in einer engern Roͤhre vergleichen. Die Dordogne iſt ein verhaͤltniß- maͤßig enger Strom, der in ziemlich grade fortgehender Richtung von der breitern Garonne aufgenommen wird, welche ſelbſt ſich in den weiten, einem langen Meerbuſen aͤhnlichen Raum der Gi- ronde ergießt. Tritt nun die Fluth in dieſen weiten Meeres- Arm ein, ſo iſt die Waſſermenge, die ihn bis 1 oder 2 Fuß fuͤllt, zureichend, um in der engern Dordogne eine viel hoͤher gehende Oſcillation hervorzubringen, und je ſchneller bei Springfluthen das
*)Gilb. Ann. XIX. 55. 88.
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handen iſt, wo man vielleicht aus einem Fluſſe Waſſer zur Be-
waͤſſerung oder zu andern Zwecken heben wollte, ihren Nutzen
haben koͤnnen *).
Ungewoͤhnliche Erſcheinungen bei ploͤtzlichen Fluthen.
Ob ich Recht habe, wenn ich eine Reihe merkwuͤrdiger Er-
ſcheinungen, welche die Fluthen in gewiſſen Gegenden und die
durch Sturm erregten Anſchwellungen des Waſſers in andern
Gegenden, uns darbieten, mit dieſen Oſcillationen des Waſſers
in Verbindung ſetze, will ich Ihrer eignen Entſcheidung uͤberlaſſen,
und Ihnen dieſe Erſcheinungen nebſt der Erklaͤrung, wie ſie mir
am wahrſcheinlichſten vorkoͤmmt, angeben.
Obgleich die Fluth in ihrem allmaͤhligen Wachſen an den
meiſten Orten einen ziemlich regelmaͤßigen Fortgang zeigt, ſo daß
ſie zwar ſchneller um die Mitte der Fluth, langſamer kurz nach
dem niedrigſten und kurz vor dem hoͤchſten Waſſer, aber doch
immer nur allmaͤhlig anwaͤchſt, ſo giebt es doch in den Muͤndun-
gen der Stroͤme an einigen Orten ein ſo ploͤtzliches Einſtuͤrzen der
Fluth, daß es den Schiffen gefaͤhrlich wird. Dies iſt zum Beiſpiel
in der Dordogne beſonders dann der Fall, wenn eine Spring-
fluth, bei niedrigem Stande des Waſſers im Strome, eintritt,
und der Mascaret, wie man dieſes heftige Einſtuͤrzen des Waſ-
ſers dort nennt, wie eine ungeheure Welle ſich den Strom hinauf
waͤlzt. Die Gewalt des Mascarets iſt ſo groß, daß ſie zuweilen
die ſteinernen Einbaue zerſtoͤrt, Schiffe verſenkt, u. ſ. w. Dieſes
unregelmaͤßig ſchnelle Anſchwellen der Fluth in einem ploͤtzlich ver-
engerten Strome laͤßt ſich mit dem ſchnellen Aufſteigen in einer
engern Roͤhre vergleichen. Die Dordogne iſt ein verhaͤltniß-
maͤßig enger Strom, der in ziemlich grade fortgehender Richtung
von der breitern Garonne aufgenommen wird, welche ſelbſt ſich
in den weiten, einem langen Meerbuſen aͤhnlichen Raum der Gi-
ronde ergießt. Tritt nun die Fluth in dieſen weiten Meeres-
Arm ein, ſo iſt die Waſſermenge, die ihn bis 1 oder 2 Fuß fuͤllt,
zureichend, um in der engern Dordogne eine viel hoͤher gehende
Oſcillation hervorzubringen, und je ſchneller bei Springfluthen das
*) Gilb. Ann. XIX. 55. 88.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/198>, abgerufen am 23.02.2025.
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