schaft, daß Körper, die (Fig. 68.) in A, in B, in C aufgelegt werden, alle zugleich im untersten Puncte D ankommen; sie er- langen nämlich bei der starken Neigung in A sogleich eine große Geschwindigkeit und ereilen daher die mit geringerer Geschwindig- keit einen kurzen Weg durchlaufenden Körper. Diese Cycloide ist eine merkwürdige, auch sonst in der Physik öfter vorkommende Linie. Sie zeigt sich uns am deutlichsten, wenn wir den Weg verfolgen, den ein Nagel an einem auf gradem Wege sich fortwäl- zenden Rade durchläuft. Ich zeichne hier dieses Fortwälzen so, als ob das Rad AH sich an der untern Seite der graden Linie AE fortwälzte, um die Cycloide sogleich in der für unsre Betrachtung nöthigen Stellung zu erhalten, statt daß wir sie gewöhnlich mit der Wölbung nach oben bei der Wälzung des Rades entstehen sehen. Indem das Rad AH, dessen Mittelpunct zuerst in G ist, sich von A nach I fortwälzt, gelangt der Nagel A, oder der die Cycloide beschreibende Punct, nach B, und der Bogen IB ist so groß, als AI; ist das Rad nach KM gekommen, so ist der be- schreibende Punct in M, wenn man KM = AK nimmt, und so kann man die ganze Cycloide ABCDE zeichnen, die sich in immer gleichen Wiederholungen jenseits E bei weiterem Fortgange der Wälzung wieder darstellt.
Die Cycloide ist nicht bloß durch diese Gleichzeitigkeit des Falls, durch die Eigenschaft eine tautochronische Curve zu sein, merkwürdig, sondern sie ist auch die Linie des schnellsten Falls, die Brachystochrone. Sind die beiden Puncte A, M gegeben, und man verlangt, daß der von A ausgehende fallende Körper in der kürzesten Zeit nach M gelange, so muß man ihn nicht auf einer durch AM gehenden geneigten Ebne laufen lassen, sondern auf dem längern, nach der Cycloide ABM gekrümmten Wege gelangt er schneller, und auf keiner andern Linie gleich schnell, von A nach M. --
Anwendung der Pendel.
Ich komme endlich zu den Anwendungen des Pendels und der Federn, welche pendelartige Bewegungen bewirken. Bekannt- lich dienen sie zur Regulirung unsrer Uhren, deren Bewegung
I. H
ſchaft, daß Koͤrper, die (Fig. 68.) in A, in B, in C aufgelegt werden, alle zugleich im unterſten Puncte D ankommen; ſie er- langen naͤmlich bei der ſtarken Neigung in A ſogleich eine große Geſchwindigkeit und ereilen daher die mit geringerer Geſchwindig- keit einen kurzen Weg durchlaufenden Koͤrper. Dieſe Cycloide iſt eine merkwuͤrdige, auch ſonſt in der Phyſik oͤfter vorkommende Linie. Sie zeigt ſich uns am deutlichſten, wenn wir den Weg verfolgen, den ein Nagel an einem auf gradem Wege ſich fortwaͤl- zenden Rade durchlaͤuft. Ich zeichne hier dieſes Fortwaͤlzen ſo, als ob das Rad AH ſich an der untern Seite der graden Linie AE fortwaͤlzte, um die Cycloide ſogleich in der fuͤr unſre Betrachtung noͤthigen Stellung zu erhalten, ſtatt daß wir ſie gewoͤhnlich mit der Woͤlbung nach oben bei der Waͤlzung des Rades entſtehen ſehen. Indem das Rad AH, deſſen Mittelpunct zuerſt in G iſt, ſich von A nach I fortwaͤlzt, gelangt der Nagel A, oder der die Cycloide beſchreibende Punct, nach B, und der Bogen IB iſt ſo groß, als AI; iſt das Rad nach KM gekommen, ſo iſt der be- ſchreibende Punct in M, wenn man KM = AK nimmt, und ſo kann man die ganze Cycloide ABCDE zeichnen, die ſich in immer gleichen Wiederholungen jenſeits E bei weiterem Fortgange der Waͤlzung wieder darſtellt.
Die Cycloide iſt nicht bloß durch dieſe Gleichzeitigkeit des Falls, durch die Eigenſchaft eine tautochroniſche Curve zu ſein, merkwuͤrdig, ſondern ſie iſt auch die Linie des ſchnellſten Falls, die Brachyſtochrone. Sind die beiden Puncte A, M gegeben, und man verlangt, daß der von A ausgehende fallende Koͤrper in der kuͤrzeſten Zeit nach M gelange, ſo muß man ihn nicht auf einer durch AM gehenden geneigten Ebne laufen laſſen, ſondern auf dem laͤngern, nach der Cycloide ABM gekruͤmmten Wege gelangt er ſchneller, und auf keiner andern Linie gleich ſchnell, von A nach M. —
Anwendung der Pendel.
Ich komme endlich zu den Anwendungen des Pendels und der Federn, welche pendelartige Bewegungen bewirken. Bekannt- lich dienen ſie zur Regulirung unſrer Uhren, deren Bewegung
I. H
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ſchaft, daß Koͤrper, die (Fig. 68.) in A, in B, in C aufgelegt
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langen naͤmlich bei der ſtarken Neigung in A ſogleich eine große
Geſchwindigkeit und ereilen daher die mit geringerer Geſchwindig-
keit einen kurzen Weg durchlaufenden Koͤrper. Dieſe Cycloide iſt
eine merkwuͤrdige, auch ſonſt in der Phyſik oͤfter vorkommende
Linie. Sie zeigt ſich uns am deutlichſten, wenn wir den Weg
verfolgen, den ein Nagel an einem auf gradem Wege ſich fortwaͤl-
zenden Rade durchlaͤuft. Ich zeichne hier dieſes Fortwaͤlzen ſo,
als ob das Rad AH ſich an der untern Seite der graden Linie AE
fortwaͤlzte, um die Cycloide ſogleich in der fuͤr unſre Betrachtung
noͤthigen Stellung zu erhalten, ſtatt daß wir ſie gewoͤhnlich mit
der Woͤlbung nach oben bei der Waͤlzung des Rades entſtehen
ſehen. Indem das Rad AH, deſſen Mittelpunct zuerſt in G iſt,
ſich von A nach I fortwaͤlzt, gelangt der Nagel A, oder der die
Cycloide beſchreibende Punct, nach B, und der Bogen IB iſt ſo
groß, als AI; iſt das Rad nach KM gekommen, ſo iſt der be-
ſchreibende Punct in M, wenn man KM = AK nimmt, und
ſo kann man die ganze Cycloide ABCDE zeichnen, die ſich in
immer gleichen Wiederholungen jenſeits E bei weiterem Fortgange
der Waͤlzung wieder darſtellt.
Die Cycloide iſt nicht bloß durch dieſe Gleichzeitigkeit des
Falls, durch die Eigenſchaft eine tautochroniſche Curve zu
ſein, merkwuͤrdig, ſondern ſie iſt auch die Linie des ſchnellſten
Falls, die Brachyſtochrone. Sind die beiden Puncte A, M
gegeben, und man verlangt, daß der von A ausgehende fallende
Koͤrper in der kuͤrzeſten Zeit nach M gelange, ſo muß man ihn
nicht auf einer durch AM gehenden geneigten Ebne laufen laſſen,
ſondern auf dem laͤngern, nach der Cycloide ABM gekruͤmmten
Wege gelangt er ſchneller, und auf keiner andern Linie gleich ſchnell,
von A nach M. —
Anwendung der Pendel.
Ich komme endlich zu den Anwendungen des Pendels und
der Federn, welche pendelartige Bewegungen bewirken. Bekannt-
lich dienen ſie zur Regulirung unſrer Uhren, deren Bewegung
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/135>, abgerufen am 23.02.2025.
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