Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Länge viermal, neunmal, sechzehnmal nehmen, um Pendel zu er-
halten, deren Schwingungszeit 2, 3, 4 Secunden beträgt. Ga-
liläi wurde durch die langsamen Schwingungen der Kronleuchter
in den hohen Kirchengewölben zu Betrachtungen hierüber geleitet,
und bestimmte die Höhe dieser Gewölbe, die Länge dieser Pendel,
aus ihren Schwingungszeiten. -- Da ein 3 Fuß langes Pendel un-
gefehr in 1 Secunde eine Schwingung vollendet, so braucht ein
48 Fuß langes Pendel 4 Secunden.

Eine andre Frage, deren Beantwortung von großer Wichtig-
keit ist, betrifft die ungleiche Schwingungszeit zweier gleich langer,
aber einer ungleichen Schwerkraft unterworfener Pendel. Wenn
wir uns in eine Gegend versetzen könnten, wo die Schwere viermal
so mächtig wirkte, so würde der frei fallende Körper 60 Fuß in der
ersten Secunde durchlaufen, statt daß wir ihn nur 15 Fuß durch-
laufen sehen, das heißt, die vierfach so starke Schwerkraft triebe den
fallenden Körper durch den Raum in 1 Secunde, durch welche er
in 2 Secunden vermöge der einfachen Schwerkraft fällt. Und da
auf einer geneigten Ebne dieselbe Ueberlegung gültig bliebe, so bleibt
sie auch bei den gleichen Kreisbogen gültig, die von gleichen Pendeln
beschrieben werden, und unser Secundenpendel würde in einer hal-
ben Secunde eine Schwingung vollenden, wenn es einer vierfachen
Schwerkraft ausgesetzt wäre, in 1/3 Secunde bei neunfacher Schwer-
kraft und so ferner.

Genaue Bestimmung des Fallraums in 1 Secunde und
der Figur der Erde
.

Die Kenntniß der genauen Länge des Secundenpendels ist ein
Gegenstand von so großer Wichtigkeit für den Physiker und Astro-
nomen, daß man auf die Bestimmung derselben den sorgfältigsten
Fleiß gewandt hat. Wir lernen den genauen Fallraum eines frei
fallenden Körpers erst durch die Länge des Secundenpendels kennen,
indem sich durch Schlüsse, die hier zu schwierig sein würden, zeigen
läßt, daß man die Länge des Secundenpendels mit 4,9348 multi-
pliciren muß, um den Fallraum in einer Secunde zu haben. *)
Wenn also nach Bessels Bestimmung die Länge des Secunden-

*) 4,9348 ist =

Laͤnge viermal, neunmal, ſechzehnmal nehmen, um Pendel zu er-
halten, deren Schwingungszeit 2, 3, 4 Secunden betraͤgt. Ga-
lilaͤi wurde durch die langſamen Schwingungen der Kronleuchter
in den hohen Kirchengewoͤlben zu Betrachtungen hieruͤber geleitet,
und beſtimmte die Hoͤhe dieſer Gewoͤlbe, die Laͤnge dieſer Pendel,
aus ihren Schwingungszeiten. — Da ein 3 Fuß langes Pendel un-
gefehr in 1 Secunde eine Schwingung vollendet, ſo braucht ein
48 Fuß langes Pendel 4 Secunden.

Eine andre Frage, deren Beantwortung von großer Wichtig-
keit iſt, betrifft die ungleiche Schwingungszeit zweier gleich langer,
aber einer ungleichen Schwerkraft unterworfener Pendel. Wenn
wir uns in eine Gegend verſetzen koͤnnten, wo die Schwere viermal
ſo maͤchtig wirkte, ſo wuͤrde der frei fallende Koͤrper 60 Fuß in der
erſten Secunde durchlaufen, ſtatt daß wir ihn nur 15 Fuß durch-
laufen ſehen, das heißt, die vierfach ſo ſtarke Schwerkraft triebe den
fallenden Koͤrper durch den Raum in 1 Secunde, durch welche er
in 2 Secunden vermoͤge der einfachen Schwerkraft faͤllt. Und da
auf einer geneigten Ebne dieſelbe Ueberlegung guͤltig bliebe, ſo bleibt
ſie auch bei den gleichen Kreisbogen guͤltig, die von gleichen Pendeln
beſchrieben werden, und unſer Secundenpendel wuͤrde in einer hal-
ben Secunde eine Schwingung vollenden, wenn es einer vierfachen
Schwerkraft ausgeſetzt waͤre, in ⅓ Secunde bei neunfacher Schwer-
kraft und ſo ferner.

Genaue Beſtimmung des Fallraums in 1 Secunde und
der Figur der Erde
.

Die Kenntniß der genauen Laͤnge des Secundenpendels iſt ein
Gegenſtand von ſo großer Wichtigkeit fuͤr den Phyſiker und Aſtro-
nomen, daß man auf die Beſtimmung derſelben den ſorgfaͤltigſten
Fleiß gewandt hat. Wir lernen den genauen Fallraum eines frei
fallenden Koͤrpers erſt durch die Laͤnge des Secundenpendels kennen,
indem ſich durch Schluͤſſe, die hier zu ſchwierig ſein wuͤrden, zeigen
laͤßt, daß man die Laͤnge des Secundenpendels mit 4,9348 multi-
pliciren muß, um den Fallraum in einer Secunde zu haben. *)
Wenn alſo nach Beſſels Beſtimmung die Laͤnge des Secunden-

*) 4,9348 iſt =
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="104"/>
La&#x0364;nge viermal, neunmal, &#x017F;echzehnmal nehmen, um Pendel zu er-<lb/>
halten, deren Schwingungszeit 2, 3, 4 Secunden betra&#x0364;gt. <hi rendition="#g">Ga</hi>-<lb/><hi rendition="#g">lila&#x0364;i</hi> wurde durch die lang&#x017F;amen Schwingungen der Kronleuchter<lb/>
in den hohen Kirchengewo&#x0364;lben zu Betrachtungen hieru&#x0364;ber geleitet,<lb/>
und be&#x017F;timmte die Ho&#x0364;he die&#x017F;er Gewo&#x0364;lbe, die La&#x0364;nge die&#x017F;er Pendel,<lb/>
aus ihren Schwingungszeiten. &#x2014; Da ein 3 Fuß langes Pendel un-<lb/>
gefehr in 1 Secunde eine Schwingung vollendet, &#x017F;o braucht ein<lb/>
48 Fuß langes Pendel 4 Secunden.</p><lb/>
          <p>Eine andre Frage, deren Beantwortung von großer Wichtig-<lb/>
keit i&#x017F;t, betrifft die ungleiche Schwingungszeit zweier gleich langer,<lb/>
aber einer ungleichen Schwerkraft unterworfener Pendel. Wenn<lb/>
wir uns in eine Gegend ver&#x017F;etzen ko&#x0364;nnten, wo die Schwere viermal<lb/>
&#x017F;o ma&#x0364;chtig wirkte, &#x017F;o wu&#x0364;rde der frei fallende Ko&#x0364;rper 60 Fuß in der<lb/>
er&#x017F;ten Secunde durchlaufen, &#x017F;tatt daß wir ihn nur 15 Fuß durch-<lb/>
laufen &#x017F;ehen, das heißt, die vierfach &#x017F;o &#x017F;tarke Schwerkraft triebe den<lb/>
fallenden Ko&#x0364;rper durch den Raum in 1 Secunde, durch welche er<lb/>
in 2 Secunden vermo&#x0364;ge der einfachen Schwerkraft fa&#x0364;llt. Und da<lb/>
auf einer geneigten Ebne die&#x017F;elbe Ueberlegung gu&#x0364;ltig bliebe, &#x017F;o bleibt<lb/>
&#x017F;ie auch bei den gleichen Kreisbogen gu&#x0364;ltig, die von gleichen Pendeln<lb/>
be&#x017F;chrieben werden, und un&#x017F;er Secundenpendel wu&#x0364;rde in einer hal-<lb/>
ben Secunde eine Schwingung vollenden, wenn es einer vierfachen<lb/>
Schwerkraft ausge&#x017F;etzt wa&#x0364;re, in &#x2153; Secunde bei neunfacher Schwer-<lb/>
kraft und &#x017F;o ferner.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Genaue Be&#x017F;timmung des Fallraums in 1 Secunde und<lb/>
der Figur der Erde</hi>.</head><lb/>
          <p>Die Kenntniß der genauen La&#x0364;nge des Secundenpendels i&#x017F;t ein<lb/>
Gegen&#x017F;tand von &#x017F;o großer Wichtigkeit fu&#x0364;r den Phy&#x017F;iker und A&#x017F;tro-<lb/>
nomen, daß man auf die Be&#x017F;timmung der&#x017F;elben den &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;ten<lb/>
Fleiß gewandt hat. Wir lernen den genauen Fallraum eines frei<lb/>
fallenden Ko&#x0364;rpers er&#x017F;t durch die La&#x0364;nge des Secundenpendels kennen,<lb/>
indem &#x017F;ich durch Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, die hier zu &#x017F;chwierig &#x017F;ein wu&#x0364;rden, zeigen<lb/>
la&#x0364;ßt, daß man die La&#x0364;nge des Secundenpendels mit 4,9348 multi-<lb/>
pliciren muß, um den Fallraum in einer Secunde zu haben. <note place="foot" n="*)">4,9348 i&#x017F;t = <formula notation="TeX">\tfrac{1}{2}\ldot\Pi^2 = \frac{(3,14159)^2}{2}</formula></note><lb/>
Wenn al&#x017F;o nach <hi rendition="#g">Be&#x017F;&#x017F;els</hi> Be&#x017F;timmung die La&#x0364;nge des Secunden-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0126] Laͤnge viermal, neunmal, ſechzehnmal nehmen, um Pendel zu er- halten, deren Schwingungszeit 2, 3, 4 Secunden betraͤgt. Ga- lilaͤi wurde durch die langſamen Schwingungen der Kronleuchter in den hohen Kirchengewoͤlben zu Betrachtungen hieruͤber geleitet, und beſtimmte die Hoͤhe dieſer Gewoͤlbe, die Laͤnge dieſer Pendel, aus ihren Schwingungszeiten. — Da ein 3 Fuß langes Pendel un- gefehr in 1 Secunde eine Schwingung vollendet, ſo braucht ein 48 Fuß langes Pendel 4 Secunden. Eine andre Frage, deren Beantwortung von großer Wichtig- keit iſt, betrifft die ungleiche Schwingungszeit zweier gleich langer, aber einer ungleichen Schwerkraft unterworfener Pendel. Wenn wir uns in eine Gegend verſetzen koͤnnten, wo die Schwere viermal ſo maͤchtig wirkte, ſo wuͤrde der frei fallende Koͤrper 60 Fuß in der erſten Secunde durchlaufen, ſtatt daß wir ihn nur 15 Fuß durch- laufen ſehen, das heißt, die vierfach ſo ſtarke Schwerkraft triebe den fallenden Koͤrper durch den Raum in 1 Secunde, durch welche er in 2 Secunden vermoͤge der einfachen Schwerkraft faͤllt. Und da auf einer geneigten Ebne dieſelbe Ueberlegung guͤltig bliebe, ſo bleibt ſie auch bei den gleichen Kreisbogen guͤltig, die von gleichen Pendeln beſchrieben werden, und unſer Secundenpendel wuͤrde in einer hal- ben Secunde eine Schwingung vollenden, wenn es einer vierfachen Schwerkraft ausgeſetzt waͤre, in ⅓ Secunde bei neunfacher Schwer- kraft und ſo ferner. Genaue Beſtimmung des Fallraums in 1 Secunde und der Figur der Erde. Die Kenntniß der genauen Laͤnge des Secundenpendels iſt ein Gegenſtand von ſo großer Wichtigkeit fuͤr den Phyſiker und Aſtro- nomen, daß man auf die Beſtimmung derſelben den ſorgfaͤltigſten Fleiß gewandt hat. Wir lernen den genauen Fallraum eines frei fallenden Koͤrpers erſt durch die Laͤnge des Secundenpendels kennen, indem ſich durch Schluͤſſe, die hier zu ſchwierig ſein wuͤrden, zeigen laͤßt, daß man die Laͤnge des Secundenpendels mit 4,9348 multi- pliciren muß, um den Fallraum in einer Secunde zu haben. *) Wenn alſo nach Beſſels Beſtimmung die Laͤnge des Secunden- *) 4,9348 iſt = [FORMEL]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/126
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/126>, abgerufen am 22.12.2024.