Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

"nicht halb zerdrücken? Kann Aennchen so einen
"Narrn, so einen Lümmel lieben? Nein! Nein! --
"Warum spring' ich nicht auf und davon, zu ihrem
"Haus, klopf an ihrer Thür' und rufe: Aennchen,
"Aennchen, liebstes Aennchen! Steh' auf, ich will
"abbitten! O, ich war ein Ochs, ein Esel! verzeih
"mir's doch! Ich will's könftig besser machen, und
"dir gewiß zeigen, wie lieb mir bist! Herziger Schatz!
"ich bitt' dich drum, sey mir doch weiter gut und
"gieb mich nicht auf -- Ich will mich bekehren --
"bin noch jung -- und was ich nicht kann, will ich
"lernen", u. s. f. So machte mich, gleich vielen
andern, die erste Liebe zum Narrn.

XXX.
So geht's.

Des Morgens in aller Frühe flog ich nach
Aennchens Haus
-- Ja, das hätt' ich thun sollen,
that's aber eben nicht. Denn ich schämt' mich vor
ihr, daß mir's Herz davon weh that -- in die Seel'
hinein schämt' ich mich, vor den Wänden, vor Sonn'
und Mond, vor allen Stauden schämt' ich mich,
daß ich gestern so erzalbern that. Meine einzige
Entschuldigung vor mir selber war diese, daß ich
dachte: Es hätte so seine eigne studirte Art mit den
Mädels umzugehn, und ich wüßte diese Art nicht.
Niemand sage mir's, und ich hätt' nicht das Herz
jemand zu fragen. Aber so (roch's mir dann wie-
der auf) darfst du Aennchen nie, nie mehr unter

E

„nicht halb zerdruͤcken? Kann Aennchen ſo einen
„Narrn, ſo einen Luͤmmel lieben? Nein! Nein! —
„Warum ſpring’ ich nicht auf und davon, zu ihrem
„Haus, klopf an ihrer Thuͤr’ und rufe: Aennchen,
Aennchen, liebſtes Aennchen! Steh’ auf, ich will
„abbitten! O, ich war ein Ochs, ein Eſel! verzeih
„mir’s doch! Ich will’s koͤnftig beſſer machen, und
„dir gewiß zeigen, wie lieb mir biſt! Herziger Schatz!
„ich bitt’ dich drum, ſey mir doch weiter gut und
„gieb mich nicht auf — Ich will mich bekehren —
„bin noch jung — und was ich nicht kann, will ich
„lernen„, u. ſ. f. So machte mich, gleich vielen
andern, die erſte Liebe zum Narrn.

XXX.
So geht’s.

Des Morgens in aller Frühe flog ich nach
Aennchens Haus
— Ja, das haͤtt’ ich thun ſollen,
that’s aber eben nicht. Denn ich ſchaͤmt’ mich vor
ihr, daß mir’s Herz davon weh that — in die Seel’
hinein ſchaͤmt’ ich mich, vor den Waͤnden, vor Sonn’
und Mond, vor allen Stauden ſchaͤmt’ ich mich,
daß ich geſtern ſo erzalbern that. Meine einzige
Entſchuldigung vor mir ſelber war dieſe, daß ich
dachte: Es haͤtte ſo ſeine eigne ſtudirte Art mit den
Maͤdels umzugehn, und ich wuͤßte dieſe Art nicht.
Niemand ſage mir’s, und ich haͤtt’ nicht das Herz
jemand zu fragen. Aber ſo (roch’s mir dann wie-
der auf) darfſt du Aennchen nie, nie mehr unter

E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="65"/>
&#x201E;nicht halb zerdru&#x0364;cken? Kann <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> &#x017F;o einen<lb/>
&#x201E;Narrn, &#x017F;o einen Lu&#x0364;mmel lieben? Nein! Nein! &#x2014;<lb/>
&#x201E;Warum &#x017F;pring&#x2019; ich nicht auf und davon, zu ihrem<lb/>
&#x201E;Haus, klopf an ihrer Thu&#x0364;r&#x2019; und rufe: <hi rendition="#fr">Aennchen,</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">Aennchen,</hi> lieb&#x017F;tes <hi rendition="#fr">Aennchen!</hi> Steh&#x2019; auf, ich will<lb/>
&#x201E;abbitten! O, ich war ein Ochs, ein E&#x017F;el! verzeih<lb/>
&#x201E;mir&#x2019;s doch! Ich will&#x2019;s ko&#x0364;nftig be&#x017F;&#x017F;er machen, und<lb/>
&#x201E;dir gewiß zeigen, wie lieb mir bi&#x017F;t! Herziger Schatz!<lb/>
&#x201E;ich bitt&#x2019; dich drum, &#x017F;ey mir doch weiter gut und<lb/>
&#x201E;gieb mich nicht auf &#x2014; Ich will mich bekehren &#x2014;<lb/>
&#x201E;bin noch jung &#x2014; und was ich nicht kann, will ich<lb/>
&#x201E;lernen&#x201E;, u. &#x017F;. f. So machte mich, gleich vielen<lb/>
andern, die er&#x017F;te Liebe zum Narrn.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#aq">XXX.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">So geht&#x2019;s.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">D</hi>es Morgens in aller Frühe flog ich nach<lb/>
Aennchens Haus</hi> &#x2014; Ja, das ha&#x0364;tt&#x2019; ich thun &#x017F;ollen,<lb/>
that&#x2019;s aber eben nicht. Denn ich &#x017F;cha&#x0364;mt&#x2019; mich vor<lb/>
ihr, daß mir&#x2019;s Herz davon weh that &#x2014; in die Seel&#x2019;<lb/>
hinein &#x017F;cha&#x0364;mt&#x2019; ich mich, vor den Wa&#x0364;nden, vor Sonn&#x2019;<lb/>
und Mond, vor allen Stauden &#x017F;cha&#x0364;mt&#x2019; ich mich,<lb/>
daß ich ge&#x017F;tern &#x017F;o erzalbern that. Meine einzige<lb/>
Ent&#x017F;chuldigung vor mir &#x017F;elber war die&#x017F;e, daß ich<lb/>
dachte: Es ha&#x0364;tte &#x017F;o &#x017F;eine eigne &#x017F;tudirte Art mit den<lb/>
Ma&#x0364;dels umzugehn, und ich wu&#x0364;ßte die&#x017F;e Art nicht.<lb/>
Niemand &#x017F;age mir&#x2019;s, und ich ha&#x0364;tt&#x2019; nicht das Herz<lb/>
jemand zu fragen. Aber &#x017F;o (roch&#x2019;s mir dann wie-<lb/>
der auf) darf&#x017F;t du <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> nie, nie mehr unter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0081] „nicht halb zerdruͤcken? Kann Aennchen ſo einen „Narrn, ſo einen Luͤmmel lieben? Nein! Nein! — „Warum ſpring’ ich nicht auf und davon, zu ihrem „Haus, klopf an ihrer Thuͤr’ und rufe: Aennchen, „Aennchen, liebſtes Aennchen! Steh’ auf, ich will „abbitten! O, ich war ein Ochs, ein Eſel! verzeih „mir’s doch! Ich will’s koͤnftig beſſer machen, und „dir gewiß zeigen, wie lieb mir biſt! Herziger Schatz! „ich bitt’ dich drum, ſey mir doch weiter gut und „gieb mich nicht auf — Ich will mich bekehren — „bin noch jung — und was ich nicht kann, will ich „lernen„, u. ſ. f. So machte mich, gleich vielen andern, die erſte Liebe zum Narrn. XXX. So geht’s. Des Morgens in aller Frühe flog ich nach Aennchens Haus — Ja, das haͤtt’ ich thun ſollen, that’s aber eben nicht. Denn ich ſchaͤmt’ mich vor ihr, daß mir’s Herz davon weh that — in die Seel’ hinein ſchaͤmt’ ich mich, vor den Waͤnden, vor Sonn’ und Mond, vor allen Stauden ſchaͤmt’ ich mich, daß ich geſtern ſo erzalbern that. Meine einzige Entſchuldigung vor mir ſelber war dieſe, daß ich dachte: Es haͤtte ſo ſeine eigne ſtudirte Art mit den Maͤdels umzugehn, und ich wuͤßte dieſe Art nicht. Niemand ſage mir’s, und ich haͤtt’ nicht das Herz jemand zu fragen. Aber ſo (roch’s mir dann wie- der auf) darfſt du Aennchen nie, nie mehr unter E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/81
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/81>, abgerufen am 30.12.2024.