Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

aus einem Sack in den andern schleufen. Im Win-
ter sollten ich, und die ältesten welche auf mich folgten,
in die Schule; aber die dauerte zu Krynau nur 10.
Wochen, und davon giengen uns wegen tiefem Schnee
noch etliche ab. Dabey konnte man mich schon zu
allerley Nutzlichem brauchen. Wir sollten anfangen,
Winterszeit etwas zu verdienen. Mein Vater pro-
bierte aller Gattung Gespunst: Flachs, Hanf, Sei-
den, Wollen, Baumwollen; auch lehrte er uns letz-
tre kämbeln, Strümpfstricken, u. d. g. Aber keins
warf damals viel Lohn ab. Man schmälerte uns
den Tisch, meist Milch und Milch; ließ uns lumpen
und lempen, um zu sparen. Bis in mein sechszehn-
tes Jahr gieng ich selten, und im Sommer baar-
fuß in meinem Zwilchröcklin zur Kirche. Alle Früh-
jahr mußte der Vater mit dem Vieh oft weit nach
Heu fahren, und es theuer bezahlen.

XII.
Die Bubenjahre
.

Indessen kümmerte mich alle dieß um kein Haar.
Auch wußt' ich eigentlich nichts davon, und war über-
haupt ein leichtsinniger Bube, wie's je einen gab.
Alle Tag dacht' ich dreymal ans Essen, und damit
aus. Wenn mich der Vater nur mit langanhalten-
der oder strenger Arbeit verschonte, oder ich eine
Weile davonlaufen konnte, so war mir alles recht.
Im Sommer sprang ich in der Wiese und an den
Bächen herum, riß Kräuter und Blumen ab, und

aus einem Sack in den andern ſchleufen. Im Win-
ter ſollten ich, und die aͤlteſten welche auf mich folgten,
in die Schule; aber die dauerte zu Krynau nur 10.
Wochen, und davon giengen uns wegen tiefem Schnee
noch etliche ab. Dabey konnte man mich ſchon zu
allerley Nutzlichem brauchen. Wir ſollten anfangen,
Winterszeit etwas zu verdienen. Mein Vater pro-
bierte aller Gattung Geſpunſt: Flachs, Hanf, Sei-
den, Wollen, Baumwollen; auch lehrte er uns letz-
tre kaͤmbeln, Struͤmpfſtricken, u. d. g. Aber keins
warf damals viel Lohn ab. Man ſchmaͤlerte uns
den Tiſch, meiſt Milch und Milch; ließ uns lumpen
und lempen, um zu ſparen. Bis in mein ſechszehn-
tes Jahr gieng ich ſelten, und im Sommer baar-
fuß in meinem Zwilchroͤcklin zur Kirche. Alle Fruͤh-
jahr mußte der Vater mit dem Vieh oft weit nach
Heu fahren, und es theuer bezahlen.

XII.
Die Bubenjahre
.

Indeſſen kuͤmmerte mich alle dieß um kein Haar.
Auch wußt’ ich eigentlich nichts davon, und war uͤber-
haupt ein leichtſinniger Bube, wie’s je einen gab.
Alle Tag dacht’ ich dreymal ans Eſſen, und damit
aus. Wenn mich der Vater nur mit langanhalten-
der oder ſtrenger Arbeit verſchonte, oder ich eine
Weile davonlaufen konnte, ſo war mir alles recht.
Im Sommer ſprang ich in der Wieſe und an den
Baͤchen herum, riß Kraͤuter und Blumen ab, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="19"/>
aus einem Sack in den andern &#x017F;chleufen. Im Win-<lb/>
ter &#x017F;ollten ich, und die a&#x0364;lte&#x017F;ten welche auf mich folgten,<lb/>
in die Schule; aber die dauerte zu <hi rendition="#fr">Krynau</hi> nur 10.<lb/>
Wochen, und davon giengen uns wegen tiefem Schnee<lb/>
noch etliche ab. Dabey konnte man mich &#x017F;chon zu<lb/>
allerley Nutzlichem brauchen. Wir &#x017F;ollten anfangen,<lb/>
Winterszeit etwas zu verdienen. Mein Vater pro-<lb/>
bierte aller Gattung Ge&#x017F;pun&#x017F;t: Flachs, Hanf, Sei-<lb/>
den, Wollen, Baumwollen; auch lehrte er uns letz-<lb/>
tre ka&#x0364;mbeln, Stru&#x0364;mpf&#x017F;tricken, u. d. g. Aber keins<lb/>
warf damals viel Lohn ab. Man &#x017F;chma&#x0364;lerte uns<lb/>
den Ti&#x017F;ch, mei&#x017F;t Milch und Milch; ließ uns lumpen<lb/>
und lempen, um zu &#x017F;paren. Bis in mein &#x017F;echszehn-<lb/>
tes Jahr gieng ich &#x017F;elten, und im Sommer baar-<lb/>
fuß in meinem Zwilchro&#x0364;cklin zur Kirche. Alle Fru&#x0364;h-<lb/>
jahr mußte der Vater mit dem Vieh oft weit nach<lb/>
Heu fahren, und es theuer bezahlen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">XII.</hi><lb/><hi rendition="#fr">Die Bubenjahre</hi></hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>nde&#x017F;&#x017F;en ku&#x0364;mmerte mich alle dieß um kein Haar.<lb/>
Auch wußt&#x2019; ich eigentlich nichts davon, und war u&#x0364;ber-<lb/>
haupt ein leicht&#x017F;inniger Bube, wie&#x2019;s je einen gab.<lb/>
Alle Tag dacht&#x2019; ich dreymal ans E&#x017F;&#x017F;en, und damit<lb/>
aus. Wenn mich der Vater nur mit langanhalten-<lb/>
der oder &#x017F;trenger Arbeit ver&#x017F;chonte, oder ich eine<lb/>
Weile davonlaufen konnte, &#x017F;o war mir alles recht.<lb/>
Im Sommer &#x017F;prang ich in der Wie&#x017F;e und an den<lb/>
Ba&#x0364;chen herum, riß Kra&#x0364;uter und Blumen ab, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0035] aus einem Sack in den andern ſchleufen. Im Win- ter ſollten ich, und die aͤlteſten welche auf mich folgten, in die Schule; aber die dauerte zu Krynau nur 10. Wochen, und davon giengen uns wegen tiefem Schnee noch etliche ab. Dabey konnte man mich ſchon zu allerley Nutzlichem brauchen. Wir ſollten anfangen, Winterszeit etwas zu verdienen. Mein Vater pro- bierte aller Gattung Geſpunſt: Flachs, Hanf, Sei- den, Wollen, Baumwollen; auch lehrte er uns letz- tre kaͤmbeln, Struͤmpfſtricken, u. d. g. Aber keins warf damals viel Lohn ab. Man ſchmaͤlerte uns den Tiſch, meiſt Milch und Milch; ließ uns lumpen und lempen, um zu ſparen. Bis in mein ſechszehn- tes Jahr gieng ich ſelten, und im Sommer baar- fuß in meinem Zwilchroͤcklin zur Kirche. Alle Fruͤh- jahr mußte der Vater mit dem Vieh oft weit nach Heu fahren, und es theuer bezahlen. XII. Die Bubenjahre. Indeſſen kuͤmmerte mich alle dieß um kein Haar. Auch wußt’ ich eigentlich nichts davon, und war uͤber- haupt ein leichtſinniger Bube, wie’s je einen gab. Alle Tag dacht’ ich dreymal ans Eſſen, und damit aus. Wenn mich der Vater nur mit langanhalten- der oder ſtrenger Arbeit verſchonte, oder ich eine Weile davonlaufen konnte, ſo war mir alles recht. Im Sommer ſprang ich in der Wieſe und an den Baͤchen herum, riß Kraͤuter und Blumen ab, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/35
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/35>, abgerufen am 21.12.2024.