Mein Vater hatte einen Wanderungsgeist, der zum Theil auch auf mich gekommen ist. In diesem Jahr kaufte er ein groß Gut (für 8. Kühe Söm- mer- und Winterung), Dreyschlatt genannt, in der Gemeind Krynau, zu hinderst in einer Wild- niß, nahe an den Alpen. Das nicht halb so grosse Gütchen im Näbis hingegen verkaufte er dafür: Weil er (wie er sagte) sah, daß ihn eine grosse Haushaltung anfallen wolle; damit er für viele Kin- der Platz und Arbeit genug hätte; auch daß er sie in dieser Einöde nach seinem Willen erziehen könnte, wo sie vor der Verführung der Welt sicher wären. Auch rieth der Großvater, der von Jugend an ein starker Viehmann war, sehr dazu. Aber mein guter Aeti verband sich den unrechten Finger, und watete sich, da er an das Gut nichts zu geben hatte, in einen Schuldenlast hinein, unter welchem er nach- werts 13. Jahre lang genug seufzen mußte. Also im Herbst 41. zügelten wir mit Sack und Pack ins Dreyschlatt. Mein Großäti war Senn; Ich jagte die Kühe nach; mein Bruder G. nur 20. Wochen alt, ward in einem Korb hingetragen. Mut- ter und Großmutter, mit den zwey andern Kindern kamen hinten nach; und der Vater, mit dem übri- gen Plunder, beschloß den Zug.
VII. Wanderung in das Dreyſchlatt.
(1741.)
Mein Vater hatte einen Wanderungsgeiſt, der zum Theil auch auf mich gekommen iſt. In dieſem Jahr kaufte er ein groß Gut (fuͤr 8. Kuͤhe Soͤm- mer- und Winterung), Dreyſchlatt genannt, in der Gemeind Krynau, zu hinderſt in einer Wild- niß, nahe an den Alpen. Das nicht halb ſo groſſe Guͤtchen im Naͤbis hingegen verkaufte er dafuͤr: Weil er (wie er ſagte) ſah, daß ihn eine groſſe Haushaltung anfallen wolle; damit er fuͤr viele Kin- der Platz und Arbeit genug haͤtte; auch daß er ſie in dieſer Einoͤde nach ſeinem Willen erziehen koͤnnte, wo ſie vor der Verfuͤhrung der Welt ſicher waͤren. Auch rieth der Großvater, der von Jugend an ein ſtarker Viehmann war, ſehr dazu. Aber mein guter Aeti verband ſich den unrechten Finger, und watete ſich, da er an das Gut nichts zu geben hatte, in einen Schuldenlaſt hinein, unter welchem er nach- werts 13. Jahre lang genug ſeufzen mußte. Alſo im Herbſt 41. zuͤgelten wir mit Sack und Pack ins Dreyſchlatt. Mein Großaͤti war Senn; Ich jagte die Kuͤhe nach; mein Bruder G. nur 20. Wochen alt, ward in einem Korb hingetragen. Mut- ter und Großmutter, mit den zwey andern Kindern kamen hinten nach; und der Vater, mit dem uͤbri- gen Plunder, beſchloß den Zug.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0029"n="13"/><divn="1"><head><hirendition="#g"><hirendition="#aq">VII.</hi><lb/><hirendition="#fr">Wanderung in das Dreyſchlatt.</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#c"><hirendition="#g">(1741.)</hi></hi></p><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>ein Vater hatte einen Wanderungsgeiſt, der<lb/>
zum Theil auch auf mich gekommen iſt. In dieſem<lb/>
Jahr kaufte er ein groß Gut (fuͤr 8. Kuͤhe Soͤm-<lb/>
mer- und Winterung), <hirendition="#fr">Dreyſchlatt</hi> genannt, in<lb/>
der Gemeind <hirendition="#fr">Krynau,</hi> zu hinderſt in einer Wild-<lb/>
niß, nahe an den Alpen. Das nicht halb ſo groſſe<lb/>
Guͤtchen im <hirendition="#fr">Naͤbis</hi> hingegen verkaufte er dafuͤr:<lb/>
Weil er (wie er ſagte) ſah, daß ihn eine groſſe<lb/>
Haushaltung anfallen wolle; damit er fuͤr viele Kin-<lb/>
der Platz und Arbeit genug haͤtte; auch daß er ſie<lb/>
in dieſer Einoͤde nach ſeinem Willen erziehen koͤnnte,<lb/>
wo ſie vor der Verfuͤhrung der Welt ſicher waͤren.<lb/>
Auch rieth der Großvater, der von Jugend an ein<lb/>ſtarker Viehmann war, ſehr dazu. Aber mein guter<lb/>
Aeti verband ſich den unrechten Finger, und watete<lb/>ſich, da er an das Gut nichts zu geben hatte, in<lb/>
einen Schuldenlaſt hinein, unter welchem er nach-<lb/>
werts 13. Jahre lang genug ſeufzen mußte. Alſo<lb/>
im Herbſt 41. zuͤgelten wir mit Sack und Pack ins<lb/><hirendition="#fr">Dreyſchlatt</hi>. Mein Großaͤti war Senn; Ich<lb/>
jagte die Kuͤhe nach; mein Bruder <hirendition="#fr">G.</hi> nur 20.<lb/>
Wochen alt, ward in einem Korb hingetragen. Mut-<lb/>
ter und Großmutter, mit den zwey andern Kindern<lb/>
kamen hinten nach; und der Vater, mit dem uͤbri-<lb/>
gen Plunder, beſchloß den Zug.</p></div><lb/></body></text></TEI>
[13/0029]
VII.
Wanderung in das Dreyſchlatt.
(1741.)
Mein Vater hatte einen Wanderungsgeiſt, der
zum Theil auch auf mich gekommen iſt. In dieſem
Jahr kaufte er ein groß Gut (fuͤr 8. Kuͤhe Soͤm-
mer- und Winterung), Dreyſchlatt genannt, in
der Gemeind Krynau, zu hinderſt in einer Wild-
niß, nahe an den Alpen. Das nicht halb ſo groſſe
Guͤtchen im Naͤbis hingegen verkaufte er dafuͤr:
Weil er (wie er ſagte) ſah, daß ihn eine groſſe
Haushaltung anfallen wolle; damit er fuͤr viele Kin-
der Platz und Arbeit genug haͤtte; auch daß er ſie
in dieſer Einoͤde nach ſeinem Willen erziehen koͤnnte,
wo ſie vor der Verfuͤhrung der Welt ſicher waͤren.
Auch rieth der Großvater, der von Jugend an ein
ſtarker Viehmann war, ſehr dazu. Aber mein guter
Aeti verband ſich den unrechten Finger, und watete
ſich, da er an das Gut nichts zu geben hatte, in
einen Schuldenlaſt hinein, unter welchem er nach-
werts 13. Jahre lang genug ſeufzen mußte. Alſo
im Herbſt 41. zuͤgelten wir mit Sack und Pack ins
Dreyſchlatt. Mein Großaͤti war Senn; Ich
jagte die Kuͤhe nach; mein Bruder G. nur 20.
Wochen alt, ward in einem Korb hingetragen. Mut-
ter und Großmutter, mit den zwey andern Kindern
kamen hinten nach; und der Vater, mit dem uͤbri-
gen Plunder, beſchloß den Zug.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/29>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.