wenig verzärtelt worden seyn, wie's gewöhnlich mit allen ersten Kindern geht. Doch wollte mein Vater schon frühe genug mit der Ruthe auf mich dar; aber die Mutter und Großmutter nahmen mich in Schutz. Mein Vater war wenig daheim; er brennte hie und da im Land und an benachbarten Orten Salpeter. Wenn er dann wieder nach Hause kam, war er mir fremd. Ich floh ihn. Dies verdroß den guten Mann so sehr, daß er mich mit der Ruthe zahm machen wollte. (Diese Thorheit begehen viele neuangehende Väter, und fodern nämlich von ihren ersten Kindern aus pur lauter Liebe, daß sie eine eben so zärtliche Neigung gegen sie wie gegen ihre Mütter zeigen sollten. Und so hab' ich auch bey mir und viel andern Vätern wahrgenommen, daß sie ihre Erstgeborenen unter einer ungereimt scharfen Zucht halten, die dann bis zu den letzten Kindern nach und nach völlig erkaltet.)
III. Mein fernstes Denken.
(1738.)
Gewiß kann ich mich so weit hinab -- oder hinauf -- wo nicht gar bis auf mein zweytes Lebensjahr zu- rückerinnern. Ganz deutlich besinn' ich mich, wie ich auf allen Vieren einen steinigten Fußweg hinab- kroch, und einer alten Baase durch Gebehrden Aepfel abbetelte. -- Ich weiß gewiß, daß ich wenig Schlaf hatte -- daß meine Muter, um hinter den Groß-
wenig verzaͤrtelt worden ſeyn, wie’s gewoͤhnlich mit allen erſten Kindern geht. Doch wollte mein Vater ſchon fruͤhe genug mit der Ruthe auf mich dar; aber die Mutter und Großmutter nahmen mich in Schutz. Mein Vater war wenig daheim; er brennte hie und da im Land und an benachbarten Orten Salpeter. Wenn er dann wieder nach Hauſe kam, war er mir fremd. Ich floh ihn. Dies verdroß den guten Mann ſo ſehr, daß er mich mit der Ruthe zahm machen wollte. (Dieſe Thorheit begehen viele neuangehende Vaͤter, und fodern naͤmlich von ihren erſten Kindern aus pur lauter Liebe, daß ſie eine eben ſo zaͤrtliche Neigung gegen ſie wie gegen ihre Muͤtter zeigen ſollten. Und ſo hab’ ich auch bey mir und viel andern Vaͤtern wahrgenommen, daß ſie ihre Erſtgeborenen unter einer ungereimt ſcharfen Zucht halten, die dann bis zu den letzten Kindern nach und nach voͤllig erkaltet.)
III. Mein fernſtes Denken.
(1738.)
Gewiß kann ich mich ſo weit hinab — oder hinauf — wo nicht gar bis auf mein zweytes Lebensjahr zu- ruͤckerinnern. Ganz deutlich beſinn’ ich mich, wie ich auf allen Vieren einen ſteinigten Fußweg hinab- kroch, und einer alten Baaſe durch Gebehrden Aepfel abbetelte. — Ich weiß gewiß, daß ich wenig Schlaf hatte — daß meine Muter, um hinter den Groß-
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wenig verzaͤrtelt worden ſeyn, wie’s gewoͤhnlich mit
allen erſten Kindern geht. Doch wollte mein Vater
ſchon fruͤhe genug mit der Ruthe auf mich dar;
aber die Mutter und Großmutter nahmen mich in
Schutz. Mein Vater war wenig daheim; er brennte
hie und da im Land und an benachbarten Orten
Salpeter. Wenn er dann wieder nach Hauſe kam,
war er mir fremd. Ich floh ihn. Dies verdroß den
guten Mann ſo ſehr, daß er mich mit der Ruthe
zahm machen wollte. (Dieſe Thorheit begehen viele
neuangehende Vaͤter, und fodern naͤmlich von ihren
erſten Kindern aus pur lauter Liebe, daß ſie eine
eben ſo zaͤrtliche Neigung gegen ſie wie gegen ihre
Muͤtter zeigen ſollten. Und ſo hab’ ich auch bey mir
und viel andern Vaͤtern wahrgenommen, daß ſie ihre
Erſtgeborenen unter einer ungereimt ſcharfen Zucht
halten, die dann bis zu den letzten Kindern nach und
nach voͤllig erkaltet.)
III.
Mein fernſtes Denken.
(1738.)
Gewiß kann ich mich ſo weit hinab — oder hinauf —
wo nicht gar bis auf mein zweytes Lebensjahr zu-
ruͤckerinnern. Ganz deutlich beſinn’ ich mich, wie
ich auf allen Vieren einen ſteinigten Fußweg hinab-
kroch, und einer alten Baaſe durch Gebehrden Aepfel
abbetelte. — Ich weiß gewiß, daß ich wenig Schlaf
hatte — daß meine Muter, um hinter den Groß-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/23>, abgerufen am 01.03.2025.
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