Das vorige Jahr 67 hatte mir wieder einen Bu- ben bescheert. Ich nannte ihn nach meinem Vater sel. Johannes. Um die nämliche Zeit fiel mein Bruder Samson im Laubergaden ab einem Kirschbaum zu Tod. Ao. 68. fieng ich obbelobtes Büchlein, und zugleich ein Tagebuch an, das ich bis zu dieser Stunde fort- setze, anfangs aber voll Schwärmereyen stack, und nur bisweilen ein guter Gedanke, in hundert lären Wor- ten ersäuft war, mit denen N. B. meine Handlun- gen nie übereinstimmten. Doch mögen meine Nach- kommen daraus nehmen, was ihnen Nutz und Heil bringen mag *).
Sonst ward ich in diesen frommen Jahren des Garn- handels bald überdrüßig, weil ich dabey, wie ich wähnte, mit gar zu viel rohen und gewissenlosen Menschen umzugehen hätte. Aber, o des Tuckes! warum überließ ich ihn denn meinet Frau, und be- schäftigte mich nun selbst mit der Baumwollentüch- lerey? Ich glaubte halt, vor meine Haut und mein Temperament mit den Webern besser als mit den Spinnern auskommen zu können. Aber es war für
*) Auch von diesen höchstmerkwürdigen Tagebüchern folgen seiner Zeit Auszüge, von denen man, aber freylich aus der späthern Epoche, eine Probe in dem Helveti- schen Calender von 1789. lesen kann. Anmerk. d. Herausgeb.
LXVII. Und abermals zwey Jahre.
(1768. u. 1769.)
Das vorige Jahr 67 hatte mir wieder einen Bu- ben beſcheert. Ich nannte ihn nach meinem Vater ſel. Johannes. Um die naͤmliche Zeit fiel mein Bruder Samſon im Laubergaden ab einem Kirſchbaum zu Tod. Ao. 68. fieng ich obbelobtes Buͤchlein, und zugleich ein Tagebuch an, das ich bis zu dieſer Stunde fort- ſetze, anfangs aber voll Schwaͤrmereyen ſtack, und nur bisweilen ein guter Gedanke, in hundert laͤren Wor- ten erſaͤuft war, mit denen N. B. meine Handlun- gen nie uͤbereinſtimmten. Doch moͤgen meine Nach- kommen daraus nehmen, was ihnen Nutz und Heil bringen mag *).
Sonſt ward ich in dieſen frommen Jahren des Garn- handels bald uͤberdruͤßig, weil ich dabey, wie ich waͤhnte, mit gar zu viel rohen und gewiſſenloſen Menſchen umzugehen haͤtte. Aber, o des Tuckes! warum uͤberließ ich ihn denn meinet Frau, und be- ſchaͤftigte mich nun ſelbſt mit der Baumwollentuͤch- lerey? Ich glaubte halt, vor meine Haut und mein Temperament mit den Webern beſſer als mit den Spinnern auskommen zu koͤnnen. Aber es war fuͤr
*) Auch von dieſen hoͤchſtmerkwuͤrdigen Tagebuͤchern folgen ſeiner Zeit Auszuͤge, von denen man, aber freylich aus der ſpaͤthern Epoche, eine Probe in dem Helveti- ſchen Calender von 1789. leſen kann. Anmerk. d. Herausgeb.
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LXVII.
Und abermals zwey Jahre.
(1768. u. 1769.)
Das vorige Jahr 67 hatte mir wieder einen Bu-
ben beſcheert. Ich nannte ihn nach meinem Vater
ſel. Johannes. Um die naͤmliche Zeit fiel mein Bruder
Samſon im Laubergaden ab einem Kirſchbaum zu
Tod. Ao. 68. fieng ich obbelobtes Buͤchlein, und zugleich
ein Tagebuch an, das ich bis zu dieſer Stunde fort-
ſetze, anfangs aber voll Schwaͤrmereyen ſtack, und nur
bisweilen ein guter Gedanke, in hundert laͤren Wor-
ten erſaͤuft war, mit denen N. B. meine Handlun-
gen nie uͤbereinſtimmten. Doch moͤgen meine Nach-
kommen daraus nehmen, was ihnen Nutz und Heil
bringen mag *).
Sonſt ward ich in dieſen frommen Jahren des Garn-
handels bald uͤberdruͤßig, weil ich dabey, wie ich
waͤhnte, mit gar zu viel rohen und gewiſſenloſen
Menſchen umzugehen haͤtte. Aber, o des Tuckes!
warum uͤberließ ich ihn denn meinet Frau, und be-
ſchaͤftigte mich nun ſelbſt mit der Baumwollentuͤch-
lerey? Ich glaubte halt, vor meine Haut und mein
Temperament mit den Webern beſſer als mit den
Spinnern auskommen zu koͤnnen. Aber es war fuͤr
*) Auch von dieſen hoͤchſtmerkwuͤrdigen Tagebuͤchern folgen
ſeiner Zeit Auszuͤge, von denen man, aber freylich aus
der ſpaͤthern Epoche, eine Probe in dem Helveti-
ſchen Calender von 1789. leſen kann. Anmerk. d.
Herausgeb.
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/207>, abgerufen am 01.03.2025.
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