de daran, sie dapfer zu schrecken, und sagten ihnen; Der Feind werde späthstens in vier Tagen anlangen, und sey ergrimmt wie der Teufel. Dann schlugen viele die Händ' überm Kopf zusammen; Weiber und Kinder wälzten sich gar heulend im Koth herum.
LVII. Heim! Heim! Nichts als Heim!
Den 5. Okt. traten wir nun unsre wirkliche Heim- reise an. Es war schon Abends, als wir von Prag ausmarschierten. Es gieng bald über eine Anhöhe, von welcher wir eine unvergleichliche Aussicht über das ganze schöne königliche Prag hatten. Die liebe Sonne vergüldete seine mit Blech bedeckten zahllo- sen Thurmspitzen zum Entzücken. Wir stuhnden eine Weile dort still, unter allerhand Gesprächen und mannigfaltigen Empfindungen dieses herrlichen Anblicks zu geniessen. Einige bedauerten den präch- tigen Ort, wenn er sollte bombardirt werden; an- dre hätten mögen dabey seyn, wenigstens währen- dem Plündern. Ich konnte mich kaum satt sehn; sonst aber war mein einziges Sehnen wieder nach Haus, zu den Meinigen, zum Anneli. Wir kamen noch bis auf Schibrack; den 6. bis Pilsen. Dort hatte der Wirth eine Tochter, das schönste Mädchen, das ich in meinem Leben gesehn. Mein Herr Bach- mann wollte mit ihr hübsch thun, und fast einzig ihr zu lieb hielten wir da Rasttag. Aber der Wirth verdeutete ihm: Sein Kind sey keine Berlinerin!
Den
de daran, ſie dapfer zu ſchrecken, und ſagten ihnen; Der Feind werde ſpaͤthſtens in vier Tagen anlangen, und ſey ergrimmt wie der Teufel. Dann ſchlugen viele die Haͤnd’ uͤberm Kopf zuſammen; Weiber und Kinder waͤlzten ſich gar heulend im Koth herum.
LVII. Heim! Heim! Nichts als Heim!
Den 5. Okt. traten wir nun unſre wirkliche Heim- reiſe an. Es war ſchon Abends, als wir von Prag ausmarſchierten. Es gieng bald uͤber eine Anhoͤhe, von welcher wir eine unvergleichliche Ausſicht uͤber das ganze ſchoͤne koͤnigliche Prag hatten. Die liebe Sonne verguͤldete ſeine mit Blech bedeckten zahllo- ſen Thurmſpitzen zum Entzuͤcken. Wir ſtuhnden eine Weile dort ſtill, unter allerhand Geſpraͤchen und mannigfaltigen Empfindungen dieſes herrlichen Anblicks zu genieſſen. Einige bedauerten den praͤch- tigen Ort, wenn er ſollte bombardirt werden; an- dre haͤtten moͤgen dabey ſeyn, wenigſtens waͤhren- dem Pluͤndern. Ich konnte mich kaum ſatt ſehn; ſonſt aber war mein einziges Sehnen wieder nach Haus, zu den Meinigen, zum Anneli. Wir kamen noch bis auf Schibrack; den 6. bis Pilſen. Dort hatte der Wirth eine Tochter, das ſchoͤnſte Maͤdchen, das ich in meinem Leben geſehn. Mein Herr Bach- mann wollte mit ihr huͤbſch thun, und faſt einzig ihr zu lieb hielten wir da Raſttag. Aber der Wirth verdeutete ihm: Sein Kind ſey keine Berlinerin!
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de daran, ſie dapfer zu ſchrecken, und ſagten ihnen;
Der Feind werde ſpaͤthſtens in vier Tagen anlangen,
und ſey ergrimmt wie der Teufel. Dann ſchlugen
viele die Haͤnd’ uͤberm Kopf zuſammen; Weiber und
Kinder waͤlzten ſich gar heulend im Koth herum.
LVII.
Heim! Heim! Nichts als Heim!
Den 5. Okt. traten wir nun unſre wirkliche Heim-
reiſe an. Es war ſchon Abends, als wir von Prag
ausmarſchierten. Es gieng bald uͤber eine Anhoͤhe,
von welcher wir eine unvergleichliche Ausſicht uͤber
das ganze ſchoͤne koͤnigliche Prag hatten. Die liebe
Sonne verguͤldete ſeine mit Blech bedeckten zahllo-
ſen Thurmſpitzen zum Entzuͤcken. Wir ſtuhnden
eine Weile dort ſtill, unter allerhand Geſpraͤchen
und mannigfaltigen Empfindungen dieſes herrlichen
Anblicks zu genieſſen. Einige bedauerten den praͤch-
tigen Ort, wenn er ſollte bombardirt werden; an-
dre haͤtten moͤgen dabey ſeyn, wenigſtens waͤhren-
dem Pluͤndern. Ich konnte mich kaum ſatt ſehn;
ſonſt aber war mein einziges Sehnen wieder nach
Haus, zu den Meinigen, zum Anneli. Wir kamen
noch bis auf Schibrack; den 6. bis Pilſen. Dort hatte
der Wirth eine Tochter, das ſchoͤnſte Maͤdchen, das
ich in meinem Leben geſehn. Mein Herr Bach-
mann wollte mit ihr huͤbſch thun, und faſt einzig
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verdeutete ihm: Sein Kind ſey keine Berlinerin!
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/176>, abgerufen am 01.03.2025.
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