chen; denn wir trauten ihm nie ganz, und sahen dabey alle Tag' die Husaren Deserteurs einbringen, hörten Spißruthenmarsch schlagen, und was es sol- cher Anfmunterungen mehr gab. Und doch sahen wir alle Stunden einem Treffen entgegen.
LIV. Einnahme des Sächsischen Lagers u. s. f.
Endlich den 22. Sept. ward Allarm geschlagen, und erhielten wir Ordre aufzubrechen. Augenblicklich war alles in Bewegung; in etlichen Minuten ein stun- denweites Lager -- wie die allergrößte Stadt -- zer- stört, aufgepackt, und Allons, Marsch! Itzt zogen wir ins Thal hinab, schlugen bey Pirna eine Schiff- brücke, und formierten oberhalb dem Städchen, dem Sächsischen Lager en Front, eine Gasse, wie zum Spißruthenlaufen *), deren eines End bis zum Pir- naer-Thor gieng, und durch welche nun die ganze Sächsische Armee zu vieren hoch spatzieren, vorher aber das Gewehr ablegen, und -- man kann sich's einbilden -- die ganze lange Strasse durch Schimpf- und Stichelreden genug anhören mußten. Einiche gieugen traurig, mit gesenktem Gesicht daher, andre trotzig und wild, und noch andre mit einem Lächeln, das den Preußischen Spottvögeln gern' nichts schul- dig bleiben wollte. Weiter wußten ich, und so viele Tausend andre, nichts von den Umständen der eigent-
*) Was man doch im Schrecken nicht alles sieht!
chen; denn wir trauten ihm nie ganz, und ſahen dabey alle Tag’ die Huſaren Deſerteurs einbringen, hoͤrten Spißruthenmarſch ſchlagen, und was es ſol- cher Anfmunterungen mehr gab. Und doch ſahen wir alle Stunden einem Treffen entgegen.
LIV. Einnahme des Saͤchſiſchen Lagers u. ſ. f.
Endlich den 22. Sept. ward Allarm geſchlagen, und erhielten wir Ordre aufzubrechen. Augenblicklich war alles in Bewegung; in etlichen Minuten ein ſtun- denweites Lager — wie die allergroͤßte Stadt — zer- ſtoͤrt, aufgepackt, und Allons, Marſch! Itzt zogen wir ins Thal hinab, ſchlugen bey Pirna eine Schiff- bruͤcke, und formierten oberhalb dem Staͤdchen, dem Sächſiſchen Lager en Front, eine Gaſſe, wie zum Spißruthenlaufen *), deren eines End bis zum Pir- naer-Thor gieng, und durch welche nun die ganze Sächſiſche Armee zu vieren hoch ſpatzieren, vorher aber das Gewehr ablegen, und — man kann ſich’s einbilden — die ganze lange Straſſe durch Schimpf- und Stichelreden genug anhoͤren mußten. Einiche gieugen traurig, mit geſenktem Geſicht daher, andre trotzig und wild, und noch andre mit einem Laͤcheln, das den Preußiſchen Spottvoͤgeln gern’ nichts ſchul- dig bleiben wollte. Weiter wußten ich, und ſo viele Tauſend andre, nichts von den Umſtaͤnden der eigent-
*) Was man doch im Schrecken nicht alles ſieht!
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chen; denn wir trauten ihm nie ganz, und ſahen
dabey alle Tag’ die Huſaren Deſerteurs einbringen,
hoͤrten Spißruthenmarſch ſchlagen, und was es ſol-
cher Anfmunterungen mehr gab. Und doch ſahen wir
alle Stunden einem Treffen entgegen.
LIV.
Einnahme des Saͤchſiſchen Lagers u. ſ. f.
Endlich den 22. Sept. ward Allarm geſchlagen, und
erhielten wir Ordre aufzubrechen. Augenblicklich war
alles in Bewegung; in etlichen Minuten ein ſtun-
denweites Lager — wie die allergroͤßte Stadt — zer-
ſtoͤrt, aufgepackt, und Allons, Marſch! Itzt zogen
wir ins Thal hinab, ſchlugen bey Pirna eine Schiff-
bruͤcke, und formierten oberhalb dem Staͤdchen, dem
Sächſiſchen Lager en Front, eine Gaſſe, wie zum
Spißruthenlaufen *), deren eines End bis zum Pir-
naer-Thor gieng, und durch welche nun die ganze
Sächſiſche Armee zu vieren hoch ſpatzieren, vorher
aber das Gewehr ablegen, und — man kann ſich’s
einbilden — die ganze lange Straſſe durch Schimpf-
und Stichelreden genug anhoͤren mußten. Einiche
gieugen traurig, mit geſenktem Geſicht daher, andre
trotzig und wild, und noch andre mit einem Laͤcheln,
das den Preußiſchen Spottvoͤgeln gern’ nichts ſchul-
dig bleiben wollte. Weiter wußten ich, und ſo viele
Tauſend andre, nichts von den Umſtaͤnden der eigent-
*) Was man doch im Schrecken nicht alles ſieht!
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/165>, abgerufen am 01.03.2025.
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