Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

melancholisch angenehme Lindenstrasse, und noch
ein Paar Gassen durch. Da, dacht' ich Einfaltspin-
sel, bringt man dich dein Lebtag nicht mehr weg.
Da wirst du dir dein Glück bauen. Dann schickst
du einen Kerl mit Briefen ins Tockenburg; der
muß dir dann deine Eltern und Aennchen zurück-
bringen; da werden sie die Augen aufsperren u. s. f.
Nun bat ich meine Führer, sie sollten mich zu mei-
nem Herrn führen. "Ey"! erwiederte mir Krü-
ger
, "wir wissen ja nur nicht, ob er schon ange-
"langt ist, und noch viel minder, wo er Quartier
"nimmt"! "Der Henker"! sagt' ich, "hat er
"denn kein eigen Haus hier"? Ueber diese Frage
lachten sie sich die Haut voll. Mögen sie immer
lachen, dacht' ich: Markoni wird doch, will's Gott!
ein eigen Haus haben.

XLV.
's giebt ander Wetter!

Es war den 8. Aprill da wir zu Berlin einmar-
schierten, und ich vergebens nach meinem Herrn
fragte, der doch, wie ich nachwerts erfuhr, schon
acht Tage vor uns dort angelangt war -- als La-
brot
(denn die andern verloren sich nach und nach
von mir, ohne daß ich wußte wo sie hinkamen)
mich in die Krausenstrasse in Friedrichsstadt trans-
portirte, mir ein Quatier anwies, und mich dann
kurz mit den Worten verließ: "Da, Mußier!
"bleib[ - 1 Zeichen fehlt] Er, bis auf fernere Ordre"! Der Henker!

melancholiſch angenehme Lindenſtraſſe, und noch
ein Paar Gaſſen durch. Da, dacht’ ich Einfaltspin-
ſel, bringt man dich dein Lebtag nicht mehr weg.
Da wirſt du dir dein Gluͤck bauen. Dann ſchickſt
du einen Kerl mit Briefen ins Tockenburg; der
muß dir dann deine Eltern und Aennchen zuruͤck-
bringen; da werden ſie die Augen aufſperren u. ſ. f.
Nun bat ich meine Fuͤhrer, ſie ſollten mich zu mei-
nem Herrn fuͤhren. „Ey„! erwiederte mir Kruͤ-
ger
, „wir wiſſen ja nur nicht, ob er ſchon ange-
„langt iſt, und noch viel minder, wo er Quartier
„nimmt„! „Der Henker„! ſagt’ ich, „hat er
„denn kein eigen Haus hier„? Ueber dieſe Frage
lachten ſie ſich die Haut voll. Moͤgen ſie immer
lachen, dacht’ ich: Markoni wird doch, will’s Gott!
ein eigen Haus haben.

XLV.
’s giebt ander Wetter!

Es war den 8. Aprill da wir zu Berlin einmar-
ſchierten, und ich vergebens nach meinem Herrn
fragte, der doch, wie ich nachwerts erfuhr, ſchon
acht Tage vor uns dort angelangt war — als La-
brot
(denn die andern verloren ſich nach und nach
von mir, ohne daß ich wußte wo ſie hinkamen)
mich in die Krauſenſtraſſe in Friedrichsſtadt trans-
portirte, mir ein Quatier anwies, und mich dann
kurz mit den Worten verließ: „Da, Mußier!
„bleib[ – 1 Zeichen fehlt] Er, bis auf fernere Ordre„! Der Henker!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="117"/>
melancholi&#x017F;ch angenehme Linden&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e, und noch<lb/>
ein Paar Ga&#x017F;&#x017F;en durch. Da, dacht&#x2019; ich Einfaltspin-<lb/>
&#x017F;el, bringt man dich dein Lebtag nicht mehr weg.<lb/>
Da wir&#x017F;t du dir dein Glu&#x0364;ck bauen. Dann &#x017F;chick&#x017F;t<lb/>
du einen Kerl mit Briefen ins <hi rendition="#fr">Tockenburg</hi>; der<lb/>
muß dir dann deine Eltern und <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> zuru&#x0364;ck-<lb/>
bringen; da werden &#x017F;ie die Augen auf&#x017F;perren u. &#x017F;. f.<lb/>
Nun bat ich meine Fu&#x0364;hrer, &#x017F;ie &#x017F;ollten mich zu mei-<lb/>
nem Herrn fu&#x0364;hren. &#x201E;Ey&#x201E;! erwiederte mir <hi rendition="#fr">Kru&#x0364;-<lb/>
ger</hi>, &#x201E;wir wi&#x017F;&#x017F;en ja nur nicht, ob er &#x017F;chon ange-<lb/>
&#x201E;langt i&#x017F;t, und noch viel minder, wo er Quartier<lb/>
&#x201E;nimmt&#x201E;! &#x201E;Der Henker&#x201E;! &#x017F;agt&#x2019; ich, &#x201E;hat er<lb/>
&#x201E;denn kein eigen Haus hier&#x201E;? Ueber die&#x017F;e Frage<lb/>
lachten &#x017F;ie &#x017F;ich die Haut voll. Mo&#x0364;gen &#x017F;ie immer<lb/>
lachen, dacht&#x2019; ich: <hi rendition="#fr">Markoni</hi> wird doch, will&#x2019;s Gott!<lb/>
ein eigen Haus haben.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">XLV.</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">&#x2019;s giebt ander Wetter</hi>!</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war den 8. Aprill da wir zu <hi rendition="#fr">Berlin</hi> einmar-<lb/>
&#x017F;chierten, und ich vergebens nach meinem Herrn<lb/>
fragte, der doch, wie ich nachwerts erfuhr, &#x017F;chon<lb/>
acht Tage vor uns dort angelangt war &#x2014; als <hi rendition="#fr">La-<lb/>
brot</hi> (denn die andern verloren &#x017F;ich nach und nach<lb/>
von mir, ohne daß ich wußte wo &#x017F;ie hinkamen)<lb/>
mich in die Krau&#x017F;en&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e in <hi rendition="#fr">Friedrichs&#x017F;tadt</hi> trans-<lb/>
portirte, mir ein Quatier anwies, und mich dann<lb/>
kurz mit den Worten verließ: &#x201E;Da, Mußier!<lb/>
&#x201E;bleib<gap unit="chars" quantity="1"/> Er, bis auf fernere Ordre&#x201E;! Der Henker!<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0133] melancholiſch angenehme Lindenſtraſſe, und noch ein Paar Gaſſen durch. Da, dacht’ ich Einfaltspin- ſel, bringt man dich dein Lebtag nicht mehr weg. Da wirſt du dir dein Gluͤck bauen. Dann ſchickſt du einen Kerl mit Briefen ins Tockenburg; der muß dir dann deine Eltern und Aennchen zuruͤck- bringen; da werden ſie die Augen aufſperren u. ſ. f. Nun bat ich meine Fuͤhrer, ſie ſollten mich zu mei- nem Herrn fuͤhren. „Ey„! erwiederte mir Kruͤ- ger, „wir wiſſen ja nur nicht, ob er ſchon ange- „langt iſt, und noch viel minder, wo er Quartier „nimmt„! „Der Henker„! ſagt’ ich, „hat er „denn kein eigen Haus hier„? Ueber dieſe Frage lachten ſie ſich die Haut voll. Moͤgen ſie immer lachen, dacht’ ich: Markoni wird doch, will’s Gott! ein eigen Haus haben. XLV. ’s giebt ander Wetter! Es war den 8. Aprill da wir zu Berlin einmar- ſchierten, und ich vergebens nach meinem Herrn fragte, der doch, wie ich nachwerts erfuhr, ſchon acht Tage vor uns dort angelangt war — als La- brot (denn die andern verloren ſich nach und nach von mir, ohne daß ich wußte wo ſie hinkamen) mich in die Krauſenſtraſſe in Friedrichsſtadt trans- portirte, mir ein Quatier anwies, und mich dann kurz mit den Worten verließ: „Da, Mußier! „bleib_ Er, bis auf fernere Ordre„! Der Henker!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/133
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/133>, abgerufen am 21.12.2024.