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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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[Gleich. 290] § 88. Rückkehr in den alten Zustand.
mechanisches System unter der Voraussetzung ein gutes Welt-
bild darstellt, dass es sich als Ganzes, oder wenigstens ein
enorm grosser uns umgebender Theil davon, anfangs in einem
sehr geordneten, also sehr unwahrscheinlichen Zustande befand.
Wenn dies der Fall ist, so wird auch, wo immer zwei oder
mehrere kleine Theile desselben mit einander in Wechsel-
wirkung treten, sich das von diesen gebildete System anfangs
in einem geordneten Zustande befinden, und wenn es sich selbst
überlassen bleibt, dem ungeordneten wahrscheinlichsten Zu-
stande zueilen.

§ 88. Ueber die Rückkehr eines Systemes in den
alten Zustand
.

Wir wollen hierzu noch Folgendes bemerken: 1. Es ist
keineswegs das Vorzeichen der Zeit, welches den charakte-
ristischen Unterschied zwischen einem geordneten und un-
geordneten Zustande bedingt. Würde man in demjenigen Zu-
stande, den man sich als Anfangszustand des mechanischen
Weltbildes gedacht hat, die Richtungen aller Geschwindigkeiten
genau umkehren, ohne ihre Grösse und die Lage der Theile
des Systemes zu ändern; würde man, wie man sagen kann,
die Zustände des Systemes nach rückwärts verfolgen, so würde
man ebenfalls zuerst einen unwahrscheinlichen Zustand haben
und zu immer wahrscheinlicheren gelangen. Nur in derjenigen
Zeitstrecke, welche von einem sehr unwahrscheinlichen Anfangs-
zustande bis zu einem weit wahrscheinlicheren späteren Zu-
stande führt, verändern sich die Zustände in der positiven
Zeitrichtung anders als in der negativen.

2. Der Uebergang von einem geordneten zu ungeordneten
Zuständen ist nur äusserst unwahrscheinlich. Auch der um-
gekehrte Uebergang hat eine gewisse berechenbare, wenn auch
unvorstellbar geringe Wahrscheinlichkeit, welche nur im Grenz-
falle, wo die Anzahl der Moleküle unendlich wird, sich in der
That der Null nähert. Die Thatsache, dass ein abgeschlossenes
System einer endlichen Zahl von Molekülen, wenn es anfangs
einen geordneten Zustand hatte und dann zu einem ungeord-
neten übergegangen ist, endlich nach Verlauf einer bei grosser
Zahl der Moleküle unvorstellbar langen Zeit wieder geordnete

[Gleich. 290] § 88. Rückkehr in den alten Zustand.
mechanisches System unter der Voraussetzung ein gutes Welt-
bild darstellt, dass es sich als Ganzes, oder wenigstens ein
enorm grosser uns umgebender Theil davon, anfangs in einem
sehr geordneten, also sehr unwahrscheinlichen Zustande befand.
Wenn dies der Fall ist, so wird auch, wo immer zwei oder
mehrere kleine Theile desselben mit einander in Wechsel-
wirkung treten, sich das von diesen gebildete System anfangs
in einem geordneten Zustande befinden, und wenn es sich selbst
überlassen bleibt, dem ungeordneten wahrscheinlichsten Zu-
stande zueilen.

§ 88. Ueber die Rückkehr eines Systemes in den
alten Zustand
.

Wir wollen hierzu noch Folgendes bemerken: 1. Es ist
keineswegs das Vorzeichen der Zeit, welches den charakte-
ristischen Unterschied zwischen einem geordneten und un-
geordneten Zustande bedingt. Würde man in demjenigen Zu-
stande, den man sich als Anfangszustand des mechanischen
Weltbildes gedacht hat, die Richtungen aller Geschwindigkeiten
genau umkehren, ohne ihre Grösse und die Lage der Theile
des Systemes zu ändern; würde man, wie man sagen kann,
die Zustände des Systemes nach rückwärts verfolgen, so würde
man ebenfalls zuerst einen unwahrscheinlichen Zustand haben
und zu immer wahrscheinlicheren gelangen. Nur in derjenigen
Zeitstrecke, welche von einem sehr unwahrscheinlichen Anfangs-
zustande bis zu einem weit wahrscheinlicheren späteren Zu-
stande führt, verändern sich die Zustände in der positiven
Zeitrichtung anders als in der negativen.

2. Der Uebergang von einem geordneten zu ungeordneten
Zuständen ist nur äusserst unwahrscheinlich. Auch der um-
gekehrte Uebergang hat eine gewisse berechenbare, wenn auch
unvorstellbar geringe Wahrscheinlichkeit, welche nur im Grenz-
falle, wo die Anzahl der Moleküle unendlich wird, sich in der
That der Null nähert. Die Thatsache, dass ein abgeschlossenes
System einer endlichen Zahl von Molekülen, wenn es anfangs
einen geordneten Zustand hatte und dann zu einem ungeord-
neten übergegangen ist, endlich nach Verlauf einer bei grosser
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[253/0271] [Gleich. 290] § 88. Rückkehr in den alten Zustand. mechanisches System unter der Voraussetzung ein gutes Welt- bild darstellt, dass es sich als Ganzes, oder wenigstens ein enorm grosser uns umgebender Theil davon, anfangs in einem sehr geordneten, also sehr unwahrscheinlichen Zustande befand. Wenn dies der Fall ist, so wird auch, wo immer zwei oder mehrere kleine Theile desselben mit einander in Wechsel- wirkung treten, sich das von diesen gebildete System anfangs in einem geordneten Zustande befinden, und wenn es sich selbst überlassen bleibt, dem ungeordneten wahrscheinlichsten Zu- stande zueilen. § 88. Ueber die Rückkehr eines Systemes in den alten Zustand. Wir wollen hierzu noch Folgendes bemerken: 1. Es ist keineswegs das Vorzeichen der Zeit, welches den charakte- ristischen Unterschied zwischen einem geordneten und un- geordneten Zustande bedingt. Würde man in demjenigen Zu- stande, den man sich als Anfangszustand des mechanischen Weltbildes gedacht hat, die Richtungen aller Geschwindigkeiten genau umkehren, ohne ihre Grösse und die Lage der Theile des Systemes zu ändern; würde man, wie man sagen kann, die Zustände des Systemes nach rückwärts verfolgen, so würde man ebenfalls zuerst einen unwahrscheinlichen Zustand haben und zu immer wahrscheinlicheren gelangen. Nur in derjenigen Zeitstrecke, welche von einem sehr unwahrscheinlichen Anfangs- zustande bis zu einem weit wahrscheinlicheren späteren Zu- stande führt, verändern sich die Zustände in der positiven Zeitrichtung anders als in der negativen. 2. Der Uebergang von einem geordneten zu ungeordneten Zuständen ist nur äusserst unwahrscheinlich. Auch der um- gekehrte Uebergang hat eine gewisse berechenbare, wenn auch unvorstellbar geringe Wahrscheinlichkeit, welche nur im Grenz- falle, wo die Anzahl der Moleküle unendlich wird, sich in der That der Null nähert. Die Thatsache, dass ein abgeschlossenes System einer endlichen Zahl von Molekülen, wenn es anfangs einen geordneten Zustand hatte und dann zu einem ungeord- neten übergegangen ist, endlich nach Verlauf einer bei grosser Zahl der Moleküle unvorstellbar langen Zeit wieder geordnete

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/271>, abgerufen am 23.11.2024.