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Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9).

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dem geringeren Gehalte entsprechend auch eine viel geringere Pension.
Wir fragen uns unwillkürlich, wäre ein solches Gesetz möglich,
wenn Frauen bezw. Lehrerinnen im Abgeordnetenhause säßen?

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Lehrerinnen der
höheren Schulen, auch hier überall dieselben Pflichten, dieselben An-
forderungen, aber nirgends dieselben Rechte wie die männlichen Kollegen.
Kommt man zu den Herren Abgeordneten und bittet sie, für die
Lehrerinnen doch ebenso einzutreten wie für die Lehrer, dann heißt es:
O, die Lehrerin braucht kein hohes Gehalt, der Lehrer muß seine Familie
ernähren und dementsprechend höher besoldet werden, die Lehrerin hat ja
nur für sich zu sorgen. Scheinbar ganz richtig! Nur müßte dann auch
bei den Lehrern bezüglich des Gehalts unterschieden werden zwischen denen,
die wirklich eine Familie haben und denen, die unverheiratet bleiben.
Und weiter müßte man in Befolgung dieses Prinzips dem, der viele
Kinder hat, mehr Gehalt geben als dem, der wenige oder gar keine
Kinder zu ernähren hat. Geschieht das? Nein, der Lohn richtet sich
überall nach der Arbeit, nicht nach der Bedürftigkeit. Nur wo die Frau
mit dem Manne im Lebenskampfe steht, läßt man dieses
Prinzip fallen und normiert den Lohn nach dem Geschlecht.

Es ist aber auch nicht immer richtig, daß die Lehrerin nur für sich allein
zu sorgen hat. Eine große Zahl von Lehrerinnen ist mir bekannt, die
eine alte Mutter, jüngere Geschwister, oft auch beides zu versorgen hatten.
Steht die Lehrerin aber wirklich allein, dann braucht sie notwendig eine
Hilfskraft, die ihren kleinen Haushalt versorgt. Daß eine Lehrerin neben
ihren schweren Berufspflichten auch noch die Sorge für ihr Heim über-
nimmt, daß sie kocht, putzt, näht usw., das kann nur ausnahmsweise er-
füllt werden und hängt von individueller Anlage ab. Ein Lehrerinnen-
haushalt aber, der nur durch fremde Hilfe geführt werden kann, wird
verhältnismäßig teurer werden. Dies ist von den Lehrerinnen hundert
und tausendmal dargelegt worden, umsonst - der Staat geht von dem
einmal gefaßten Prinzip nicht ab. Erst wenn die Lehrerinnen voll-
berechtigte Staatsbürgerinnen geworden, erst wenn sie das
aktive und passive Wahlrecht erreicht
haben und den Abgeordneten
nicht nur Wünsche und Vorstellungen entgegenzubringen haben, sondern
auch einen Druck auf sie ausüben können, wird ihre Forderung: Gleiches
Gehalt für Lehrer und Lehrerin erfüllt werden. Darum müssen die
Lehrerinnen in die Frauenstimmrechtsbewegung und durch
ihre Mitarbeit diese Organisation stärken.

Die Lehrerinnen erfüllen aber damit auch gleichzeitig eine Dankespflicht,
die der Frauenbewegung bezüglich der weiblichen Schulleitung gebührt.
Den Volksschullehrerinnen, die bisher kein Avancement kannten, ist neuer-

dem geringeren Gehalte entsprechend auch eine viel geringere Pension.
Wir fragen uns unwillkürlich, wäre ein solches Gesetz möglich,
wenn Frauen bezw. Lehrerinnen im Abgeordnetenhause säßen?

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Lehrerinnen der
höheren Schulen, auch hier überall dieselben Pflichten, dieselben An-
forderungen, aber nirgends dieselben Rechte wie die männlichen Kollegen.
Kommt man zu den Herren Abgeordneten und bittet sie, für die
Lehrerinnen doch ebenso einzutreten wie für die Lehrer, dann heißt es:
O, die Lehrerin braucht kein hohes Gehalt, der Lehrer muß seine Familie
ernähren und dementsprechend höher besoldet werden, die Lehrerin hat ja
nur für sich zu sorgen. Scheinbar ganz richtig! Nur müßte dann auch
bei den Lehrern bezüglich des Gehalts unterschieden werden zwischen denen,
die wirklich eine Familie haben und denen, die unverheiratet bleiben.
Und weiter müßte man in Befolgung dieses Prinzips dem, der viele
Kinder hat, mehr Gehalt geben als dem, der wenige oder gar keine
Kinder zu ernähren hat. Geschieht das? Nein, der Lohn richtet sich
überall nach der Arbeit, nicht nach der Bedürftigkeit. Nur wo die Frau
mit dem Manne im Lebenskampfe steht, läßt man dieses
Prinzip fallen und normiert den Lohn nach dem Geschlecht.

Es ist aber auch nicht immer richtig, daß die Lehrerin nur für sich allein
zu sorgen hat. Eine große Zahl von Lehrerinnen ist mir bekannt, die
eine alte Mutter, jüngere Geschwister, oft auch beides zu versorgen hatten.
Steht die Lehrerin aber wirklich allein, dann braucht sie notwendig eine
Hilfskraft, die ihren kleinen Haushalt versorgt. Daß eine Lehrerin neben
ihren schweren Berufspflichten auch noch die Sorge für ihr Heim über-
nimmt, daß sie kocht, putzt, näht usw., das kann nur ausnahmsweise er-
füllt werden und hängt von individueller Anlage ab. Ein Lehrerinnen-
haushalt aber, der nur durch fremde Hilfe geführt werden kann, wird
verhältnismäßig teurer werden. Dies ist von den Lehrerinnen hundert
und tausendmal dargelegt worden, umsonst – der Staat geht von dem
einmal gefaßten Prinzip nicht ab. Erst wenn die Lehrerinnen voll-
berechtigte Staatsbürgerinnen geworden, erst wenn sie das
aktive und passive Wahlrecht erreicht
haben und den Abgeordneten
nicht nur Wünsche und Vorstellungen entgegenzubringen haben, sondern
auch einen Druck auf sie ausüben können, wird ihre Forderung: Gleiches
Gehalt für Lehrer und Lehrerin erfüllt werden. Darum müssen die
Lehrerinnen in die Frauenstimmrechtsbewegung und durch
ihre Mitarbeit diese Organisation stärken.

Die Lehrerinnen erfüllen aber damit auch gleichzeitig eine Dankespflicht,
die der Frauenbewegung bezüglich der weiblichen Schulleitung gebührt.
Den Volksschullehrerinnen, die bisher kein Avancement kannten, ist neuer-

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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-12-13T13:13:46Z)

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Zitationshilfe: Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9), S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohrer_lehrerinnen_1911/6>, abgerufen am 26.04.2024.