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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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Triumph des Juste-Milieus feyern zu helfen. Ich
werde essen und lachen. Ich fange an einzusehen,
daß die Menschheit kein Genie hat für die Wissen¬
schaft. Seit einigen tausend Jahren geht sie in die
Schule und sie hat noch nichts gelernt. Gott hätte
sie nicht sollen zum Studieren bestimmen, sondern ein
ehrliches Handwerk lernen lassen.

Die arme Berry! Ihr verzeihe ich Alles, denn
sie ist Mutter, und sie glaubt an ihrem Rechte. Das
ist ihr von der frühesten Kindheit an gelehrt worden
wie der Katechismus. Die heillosen Königs-Pfaffen
aber, die Bürgerblut für Wasser ansehen, womit sie
ihren verkümmerten Thron-Sprößling begießen --
Diese möchte ich Alle in dem Stübchen hinter dem
Kamine einsperren, in welchem die Berry sich ver¬
steckt hatte, und dann wollte ich das Feuer recht
schüren. Was aber die neue Geschichte schöne Ro¬
mane schreibt! wer es ihr nachthun könnte! Es that
mir noch niemals so leid als jetzt, daß ich keine Ge¬
schicklichkeit zu so etwas habe. Das Ereigniß mit
der Berry, welch ein herrlicher Stoff zu einem Ro¬
mane. Ihr Verräther der getaufte Jude, welch ein
schönes Nacht- und Rabenstück! Man begreift nicht
warum dieser Judas katholisch geworden ist. Als
hätte er als Jude nicht auch ein Schurke werden
können. Ich glaube es ist kein gewöhnlicher Böse¬
wicht; sein Gewissen hat ein halbe Million gekostet,

Triumph des Juſte-Milieus feyern zu helfen. Ich
werde eſſen und lachen. Ich fange an einzuſehen,
daß die Menſchheit kein Genie hat für die Wiſſen¬
ſchaft. Seit einigen tauſend Jahren geht ſie in die
Schule und ſie hat noch nichts gelernt. Gott hätte
ſie nicht ſollen zum Studieren beſtimmen, ſondern ein
ehrliches Handwerk lernen laſſen.

Die arme Berry! Ihr verzeihe ich Alles, denn
ſie iſt Mutter, und ſie glaubt an ihrem Rechte. Das
iſt ihr von der früheſten Kindheit an gelehrt worden
wie der Katechismus. Die heilloſen Königs-Pfaffen
aber, die Bürgerblut für Waſſer anſehen, womit ſie
ihren verkümmerten Thron-Sprößling begießen —
Dieſe möchte ich Alle in dem Stübchen hinter dem
Kamine einſperren, in welchem die Berry ſich ver¬
ſteckt hatte, und dann wollte ich das Feuer recht
ſchüren. Was aber die neue Geſchichte ſchöne Ro¬
mane ſchreibt! wer es ihr nachthun könnte! Es that
mir noch niemals ſo leid als jetzt, daß ich keine Ge¬
ſchicklichkeit zu ſo etwas habe. Das Ereigniß mit
der Berry, welch ein herrlicher Stoff zu einem Ro¬
mane. Ihr Verräther der getaufte Jude, welch ein
ſchönes Nacht- und Rabenſtück! Man begreift nicht
warum dieſer Judas katholiſch geworden iſt. Als
hätte er als Jude nicht auch ein Schurke werden
können. Ich glaube es iſt kein gewöhnlicher Böſe¬
wicht; ſein Gewiſſen hat ein halbe Million gekoſtet,

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[18/0030] Triumph des Juſte-Milieus feyern zu helfen. Ich werde eſſen und lachen. Ich fange an einzuſehen, daß die Menſchheit kein Genie hat für die Wiſſen¬ ſchaft. Seit einigen tauſend Jahren geht ſie in die Schule und ſie hat noch nichts gelernt. Gott hätte ſie nicht ſollen zum Studieren beſtimmen, ſondern ein ehrliches Handwerk lernen laſſen. Die arme Berry! Ihr verzeihe ich Alles, denn ſie iſt Mutter, und ſie glaubt an ihrem Rechte. Das iſt ihr von der früheſten Kindheit an gelehrt worden wie der Katechismus. Die heilloſen Königs-Pfaffen aber, die Bürgerblut für Waſſer anſehen, womit ſie ihren verkümmerten Thron-Sprößling begießen — Dieſe möchte ich Alle in dem Stübchen hinter dem Kamine einſperren, in welchem die Berry ſich ver¬ ſteckt hatte, und dann wollte ich das Feuer recht ſchüren. Was aber die neue Geſchichte ſchöne Ro¬ mane ſchreibt! wer es ihr nachthun könnte! Es that mir noch niemals ſo leid als jetzt, daß ich keine Ge¬ ſchicklichkeit zu ſo etwas habe. Das Ereigniß mit der Berry, welch ein herrlicher Stoff zu einem Ro¬ mane. Ihr Verräther der getaufte Jude, welch ein ſchönes Nacht- und Rabenſtück! Man begreift nicht warum dieſer Judas katholiſch geworden iſt. Als hätte er als Jude nicht auch ein Schurke werden können. Ich glaube es iſt kein gewöhnlicher Böſe¬ wicht; ſein Gewiſſen hat ein halbe Million gekoſtet,

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/30>, abgerufen am 26.04.2024.