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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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terlich, es ist zu lächerlich! Das ist ja ein christ¬
lich-türkischer Despotismus, ein Despotismus in sei¬
denen Strümpfen und den Turban auf dem Kopfe.
Nun möchte ich doch wissen, wie sie Einen, den sie
zum Zuchthause verurtheilt, zwingen können Abbitte
vor dem Bilde des Königs von Baiern zu thun,
wenn dieser nicht will. Ich thäte es nicht; ich
spräche wie der Geiger Müller in Cabale und Liebe:
da ich doch in's Zuchthaus muß, will ich Euch sagen,
daß Ihr Schurken seid. Der Präsident antwortet,
glaube ich, darauf: Vergeß er nicht, daß es auch
Staupbesen und Pranger giebt! O! es kömmt auch
noch zu Staupbesen und Pranger; es kömmt auch
noch dazu, daß Einer baarfuß und eine brennende
Kerze in der Hand es vor der Kirchthüre büßen muß,
wenn er gesagt, der Leib und das Blut des Herrn
sei nicht in dem Fürsten. Die wahnsinnige Tyran¬
nei hat keine Grenzen, es kömmt nur darauf an,
welche Grenze die wahnsinnige Geduld des deutschen
Volkes hat ... Aber wo bin ich? Ich bin weit
von Demoiselle Georges abgekommen. Zurück.

Sie sieht bei ihren Jahren noch gut genug aus,
oder mein Glas müßte trübe gewesen sein. Auch ist
in den Rollen die ihr anzugehören scheinen, ein Alter
das an Ehrwürdigkeit grenzt gar nicht störend. Sie

terlich, es iſt zu lächerlich! Das iſt ja ein chriſt¬
lich-türkiſcher Despotismus, ein Despotismus in ſei¬
denen Strümpfen und den Turban auf dem Kopfe.
Nun möchte ich doch wiſſen, wie ſie Einen, den ſie
zum Zuchthauſe verurtheilt, zwingen können Abbitte
vor dem Bilde des Königs von Baiern zu thun,
wenn dieſer nicht will. Ich thäte es nicht; ich
ſpräche wie der Geiger Müller in Cabale und Liebe:
da ich doch in's Zuchthaus muß, will ich Euch ſagen,
daß Ihr Schurken ſeid. Der Präſident antwortet,
glaube ich, darauf: Vergeß er nicht, daß es auch
Staupbeſen und Pranger giebt! O! es kömmt auch
noch zu Staupbeſen und Pranger; es kömmt auch
noch dazu, daß Einer baarfuß und eine brennende
Kerze in der Hand es vor der Kirchthüre büßen muß,
wenn er geſagt, der Leib und das Blut des Herrn
ſei nicht in dem Fürſten. Die wahnſinnige Tyran¬
nei hat keine Grenzen, es kömmt nur darauf an,
welche Grenze die wahnſinnige Geduld des deutſchen
Volkes hat ... Aber wo bin ich? Ich bin weit
von Demoiſelle Georges abgekommen. Zurück.

Sie ſieht bei ihren Jahren noch gut genug aus,
oder mein Glas müßte trübe geweſen ſein. Auch iſt
in den Rollen die ihr anzugehören ſcheinen, ein Alter
das an Ehrwürdigkeit grenzt gar nicht ſtörend. Sie

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[110/0122] terlich, es iſt zu lächerlich! Das iſt ja ein chriſt¬ lich-türkiſcher Despotismus, ein Despotismus in ſei¬ denen Strümpfen und den Turban auf dem Kopfe. Nun möchte ich doch wiſſen, wie ſie Einen, den ſie zum Zuchthauſe verurtheilt, zwingen können Abbitte vor dem Bilde des Königs von Baiern zu thun, wenn dieſer nicht will. Ich thäte es nicht; ich ſpräche wie der Geiger Müller in Cabale und Liebe: da ich doch in's Zuchthaus muß, will ich Euch ſagen, daß Ihr Schurken ſeid. Der Präſident antwortet, glaube ich, darauf: Vergeß er nicht, daß es auch Staupbeſen und Pranger giebt! O! es kömmt auch noch zu Staupbeſen und Pranger; es kömmt auch noch dazu, daß Einer baarfuß und eine brennende Kerze in der Hand es vor der Kirchthüre büßen muß, wenn er geſagt, der Leib und das Blut des Herrn ſei nicht in dem Fürſten. Die wahnſinnige Tyran¬ nei hat keine Grenzen, es kömmt nur darauf an, welche Grenze die wahnſinnige Geduld des deutſchen Volkes hat ... Aber wo bin ich? Ich bin weit von Demoiſelle Georges abgekommen. Zurück. Sie ſieht bei ihren Jahren noch gut genug aus, oder mein Glas müßte trübe geweſen ſein. Auch iſt in den Rollen die ihr anzugehören ſcheinen, ein Alter das an Ehrwürdigkeit grenzt gar nicht ſtörend. Sie

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/122>, abgerufen am 01.05.2024.