Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Was ich diese ganze Zeit über, unter Freunden,
im Scherze vorher gesagt: die Polizei würde endlich
für den fünften Akt der Königsmord-Komödie Einen
herbeischaffen der freiwillig bekennt: er habe den
Pistolenschuß gethan, das ist jetzt wirklich eingetrof¬
fen. Ein junger Mann aus Versailles ist gestern
zum Polizei-Präfecten gekommen und hat erklärt, er
sei der Mörder, und Alle die als verdächtig einge¬
kerkerten wären unschuldig. In einem zweiten Ver¬
hör nahm er sein Bekenntniß zurück und erklärte wei¬
nend, er sei unglücklich, des Lebens überdrüßig und
habe diese schöne Gelegenheit, guillotinirt zu werden,
benutzen wollen. So wird die Geschichte gestern
Abend in den ministeriellen Blättern erzählt. Nun
bin ich begierig, ob der König von Baiern, um eine
Macht des ersten Ranges zu werden, nicht auch eine
solche Mord-Komödie aufführen, und bei irgend einer
feierlichen Gelegenheit auf sich schießen lassen wird.
Es geht fürchterlich in diesem Lande her! dem Kö¬
nige ist Hellas in den Kopf gestiegen, und er sieht
alle Liberalen für antike Statuen, und die Gefäng¬
nisse seines Landes für Museen an, in welchen er
sie aufstellt. Ja es ist wirklich wahr: diesem Geist-
und Körperschwachen Könige ist Hellas in den Kopf


Was ich dieſe ganze Zeit über, unter Freunden,
im Scherze vorher geſagt: die Polizei würde endlich
für den fünften Akt der Königsmord-Komödie Einen
herbeiſchaffen der freiwillig bekennt: er habe den
Piſtolenſchuß gethan, das iſt jetzt wirklich eingetrof¬
fen. Ein junger Mann aus Verſailles iſt geſtern
zum Polizei-Präfecten gekommen und hat erklärt, er
ſei der Mörder, und Alle die als verdächtig einge¬
kerkerten wären unſchuldig. In einem zweiten Ver¬
hör nahm er ſein Bekenntniß zurück und erklärte wei¬
nend, er ſei unglücklich, des Lebens überdrüßig und
habe dieſe ſchöne Gelegenheit, guillotinirt zu werden,
benutzen wollen. So wird die Geſchichte geſtern
Abend in den miniſteriellen Blättern erzählt. Nun
bin ich begierig, ob der König von Baiern, um eine
Macht des erſten Ranges zu werden, nicht auch eine
ſolche Mord-Komödie aufführen, und bei irgend einer
feierlichen Gelegenheit auf ſich ſchießen laſſen wird.
Es geht fürchterlich in dieſem Lande her! dem Kö¬
nige iſt Hellas in den Kopf geſtiegen, und er ſieht
alle Liberalen für antike Statuen, und die Gefäng¬
niſſe ſeines Landes für Muſeen an, in welchen er
ſie aufſtellt. Ja es iſt wirklich wahr: dieſem Geiſt-
und Körperſchwachen Könige iſt Hellas in den Kopf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0075" n="63"/>
        <div>
          <dateline rendition="#right">Mittwoch, den 5. Dezember.</dateline><lb/>
          <p>Was ich die&#x017F;e ganze Zeit über, unter Freunden,<lb/>
im Scherze vorher ge&#x017F;agt: die Polizei würde endlich<lb/>
für den fünften Akt der Königsmord-Komödie Einen<lb/>
herbei&#x017F;chaffen der freiwillig bekennt: er habe den<lb/>
Pi&#x017F;tolen&#x017F;chuß gethan, das i&#x017F;t jetzt wirklich eingetrof¬<lb/>
fen. Ein junger Mann aus Ver&#x017F;ailles i&#x017F;t ge&#x017F;tern<lb/>
zum Polizei-Präfecten gekommen und hat erklärt, er<lb/>
&#x017F;ei der Mörder, und Alle die als verdächtig einge¬<lb/>
kerkerten wären un&#x017F;chuldig. In einem zweiten Ver¬<lb/>
hör nahm er &#x017F;ein Bekenntniß zurück und erklärte wei¬<lb/>
nend, er &#x017F;ei unglücklich, des Lebens überdrüßig und<lb/>
habe die&#x017F;e &#x017F;chöne Gelegenheit, guillotinirt zu werden,<lb/>
benutzen wollen. So wird die Ge&#x017F;chichte ge&#x017F;tern<lb/>
Abend in den mini&#x017F;teriellen Blättern erzählt. Nun<lb/>
bin ich begierig, ob der König von Baiern, um eine<lb/>
Macht des er&#x017F;ten Ranges zu werden, nicht auch eine<lb/>
&#x017F;olche Mord-Komödie aufführen, und bei irgend einer<lb/>
feierlichen Gelegenheit auf &#x017F;ich &#x017F;chießen la&#x017F;&#x017F;en wird.<lb/>
Es geht fürchterlich in die&#x017F;em Lande her! dem Kö¬<lb/>
nige i&#x017F;t Hellas in den Kopf ge&#x017F;tiegen, und er &#x017F;ieht<lb/>
alle Liberalen für antike Statuen, und die Gefäng¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eines Landes für Mu&#x017F;een an, in welchen er<lb/>
&#x017F;ie auf&#x017F;tellt. Ja es i&#x017F;t wirklich wahr: die&#x017F;em Gei&#x017F;t-<lb/>
und Körper&#x017F;chwachen Könige i&#x017F;t Hellas in den Kopf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0075] Mittwoch, den 5. Dezember. Was ich dieſe ganze Zeit über, unter Freunden, im Scherze vorher geſagt: die Polizei würde endlich für den fünften Akt der Königsmord-Komödie Einen herbeiſchaffen der freiwillig bekennt: er habe den Piſtolenſchuß gethan, das iſt jetzt wirklich eingetrof¬ fen. Ein junger Mann aus Verſailles iſt geſtern zum Polizei-Präfecten gekommen und hat erklärt, er ſei der Mörder, und Alle die als verdächtig einge¬ kerkerten wären unſchuldig. In einem zweiten Ver¬ hör nahm er ſein Bekenntniß zurück und erklärte wei¬ nend, er ſei unglücklich, des Lebens überdrüßig und habe dieſe ſchöne Gelegenheit, guillotinirt zu werden, benutzen wollen. So wird die Geſchichte geſtern Abend in den miniſteriellen Blättern erzählt. Nun bin ich begierig, ob der König von Baiern, um eine Macht des erſten Ranges zu werden, nicht auch eine ſolche Mord-Komödie aufführen, und bei irgend einer feierlichen Gelegenheit auf ſich ſchießen laſſen wird. Es geht fürchterlich in dieſem Lande her! dem Kö¬ nige iſt Hellas in den Kopf geſtiegen, und er ſieht alle Liberalen für antike Statuen, und die Gefäng¬ niſſe ſeines Landes für Muſeen an, in welchen er ſie aufſtellt. Ja es iſt wirklich wahr: dieſem Geiſt- und Körperſchwachen Könige iſt Hellas in den Kopf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/75
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/75>, abgerufen am 21.11.2024.