Die Rede, mit welcher der König die Kammer eröffnet, ist wieder die alte Vorrede der Tyrannei. Die Regierung erklärt sich für schwach und verlangt Kraftbrühen. Man weiß aus welchen Bestandtheilen diese zusammengesetzt werden: förmliches Recht zu je¬ dem beliebigen Unrechte, Unterbrechung der Constitu¬ tion und Belagerungszustand, so oft man Furcht hat, besonders Beschränkung der Preßfreiheit, um der hei¬ ligen Allianz eine Bürgschaft für Frankreichs Ohn¬ macht zu geben. Vielleicht fällt aber noch heute eine Bombe aus Antwerpen in den Topf. Die Kammer hat gestern ihre Majorität ausgesprochen. Sie hat sich nicht für die linke Seite erklärt, aber auch nicht für die Doktrinairs. Düpin ist zum Präsident er¬ nannt worden, er wird also Minister werden. Sein Blatt ist der Constitutionell, daraus können Sie also sein System kennen lernen. Es ist aber besser, Sie lesen den Balzac. Ich bin so kleinlaut und genüg¬ sam geworden, daß ich mit Düpin zufrieden genug bin. Da mir eigentlich nur an Deutschland liegt, so hoffe ich, daß Düpin Casimir Perriers Krämer- Politik gegen das Ausland nicht fortsetzen wird.
Daß sich Dr. Bunsen steif gemacht, das hat mich sehr amusirt. Wenn sich alle steiften, ginge
Donnerſtag, den 22. November.
Die Rede, mit welcher der König die Kammer eröffnet, iſt wieder die alte Vorrede der Tyrannei. Die Regierung erklärt ſich für ſchwach und verlangt Kraftbrühen. Man weiß aus welchen Beſtandtheilen dieſe zuſammengeſetzt werden: förmliches Recht zu je¬ dem beliebigen Unrechte, Unterbrechung der Conſtitu¬ tion und Belagerungszuſtand, ſo oft man Furcht hat, beſonders Beſchränkung der Preßfreiheit, um der hei¬ ligen Allianz eine Bürgſchaft für Frankreichs Ohn¬ macht zu geben. Vielleicht fällt aber noch heute eine Bombe aus Antwerpen in den Topf. Die Kammer hat geſtern ihre Majorität ausgeſprochen. Sie hat ſich nicht für die linke Seite erklärt, aber auch nicht für die Doktrinairs. Düpin iſt zum Präſident er¬ nannt worden, er wird alſo Miniſter werden. Sein Blatt iſt der Conſtitutionell, daraus können Sie alſo ſein Syſtem kennen lernen. Es iſt aber beſſer, Sie leſen den Balzac. Ich bin ſo kleinlaut und genüg¬ ſam geworden, daß ich mit Düpin zufrieden genug bin. Da mir eigentlich nur an Deutſchland liegt, ſo hoffe ich, daß Düpin Caſimir Perriers Krämer- Politik gegen das Ausland nicht fortſetzen wird.
Daß ſich Dr. Bunſen ſteif gemacht, das hat mich ſehr amuſirt. Wenn ſich alle ſteiften, ginge
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Donnerſtag, den 22. November.
Die Rede, mit welcher der König die Kammer
eröffnet, iſt wieder die alte Vorrede der Tyrannei.
Die Regierung erklärt ſich für ſchwach und verlangt
Kraftbrühen. Man weiß aus welchen Beſtandtheilen
dieſe zuſammengeſetzt werden: förmliches Recht zu je¬
dem beliebigen Unrechte, Unterbrechung der Conſtitu¬
tion und Belagerungszuſtand, ſo oft man Furcht hat,
beſonders Beſchränkung der Preßfreiheit, um der hei¬
ligen Allianz eine Bürgſchaft für Frankreichs Ohn¬
macht zu geben. Vielleicht fällt aber noch heute eine
Bombe aus Antwerpen in den Topf. Die Kammer
hat geſtern ihre Majorität ausgeſprochen. Sie hat
ſich nicht für die linke Seite erklärt, aber auch nicht
für die Doktrinairs. Düpin iſt zum Präſident er¬
nannt worden, er wird alſo Miniſter werden. Sein
Blatt iſt der Conſtitutionell, daraus können Sie alſo
ſein Syſtem kennen lernen. Es iſt aber beſſer, Sie
leſen den Balzac. Ich bin ſo kleinlaut und genüg¬
ſam geworden, daß ich mit Düpin zufrieden genug
bin. Da mir eigentlich nur an Deutſchland liegt,
ſo hoffe ich, daß Düpin Caſimir Perriers Krämer-
Politik gegen das Ausland nicht fortſetzen wird.
Daß ſich Dr. Bunſen ſteif gemacht, das hat
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/39>, abgerufen am 22.02.2025.
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