Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.Dienstag, den 1. Januar 1833 Ich kehre zum französisch-europäisch-litterarischen Dienſtag, den 1. Januar 1833 Ich kehre zum franzöſiſch-europäiſch-litterariſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0171" n="159"/> <div> <dateline rendition="#right">Dienſtag, den 1. Januar 1833</dateline><lb/> <p>Ich kehre zum franzöſiſch-europäiſch-litterariſchen<lb/> Winde zurück. Der Herausgeber des neuen Jour¬<lb/> nals ſchrieb früher den Figaro mit viel Geiſt und<lb/> Witz. Unter der Regierung Caſimir Periers zog er<lb/> ſich mit ſeinem Witze, ſeinem Gelde und ſeiner Tu¬<lb/> gend zurück, und hing, wie man zu ſagen pflegt,<lb/> die Politik an den Nagel, das haben ſchon viele ge¬<lb/> than; es iſt eine gefahrloſe Inokulation des Gal¬<lb/> gens. Seitdem lebt er von ſeinen Renten. Die<lb/> Moral eines Schriftſtellers hat in Frankreich große<lb/> Fortſchritte gemacht. Der ärgſte Schelm wenn er<lb/> ſein Gewerbe verſteht, kann mit dem <hi rendition="#aq">Code moral</hi><lb/> in der Hand ſich vor die himmliſchen Aſſiſen ſtellen,<lb/> und Gott und ſeine Engel keck herausfordern, ihm<lb/> den Paragraphen zu nennen, den er übertreten.<lb/> Ein deutſcher Journaliſt verkauft ſein Gewiſſen, ein<lb/> franzöſiſcher verkauft ſeine Aktien. So kömmt das<lb/> Journal in andere Hände und man braucht die eig¬<lb/> nen nicht zu beſchmutzen. Ein deutſcher Journaliſt<lb/> ſtellt ſich an den Pranger, ein franzöſiſcher begnügt<lb/> ſich ihn zu verdienen. Der Unternehmer der <hi rendition="#aq #g">Eu¬<lb/> rope litéraire</hi>, der die Gefahren der Tugend<lb/> einmal kennen gelernt, meidet ſie ängſtlich und, um<lb/> nicht zum zweitenmale in Verſuchung zu kommen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0171]
Dienſtag, den 1. Januar 1833
Ich kehre zum franzöſiſch-europäiſch-litterariſchen
Winde zurück. Der Herausgeber des neuen Jour¬
nals ſchrieb früher den Figaro mit viel Geiſt und
Witz. Unter der Regierung Caſimir Periers zog er
ſich mit ſeinem Witze, ſeinem Gelde und ſeiner Tu¬
gend zurück, und hing, wie man zu ſagen pflegt,
die Politik an den Nagel, das haben ſchon viele ge¬
than; es iſt eine gefahrloſe Inokulation des Gal¬
gens. Seitdem lebt er von ſeinen Renten. Die
Moral eines Schriftſtellers hat in Frankreich große
Fortſchritte gemacht. Der ärgſte Schelm wenn er
ſein Gewerbe verſteht, kann mit dem Code moral
in der Hand ſich vor die himmliſchen Aſſiſen ſtellen,
und Gott und ſeine Engel keck herausfordern, ihm
den Paragraphen zu nennen, den er übertreten.
Ein deutſcher Journaliſt verkauft ſein Gewiſſen, ein
franzöſiſcher verkauft ſeine Aktien. So kömmt das
Journal in andere Hände und man braucht die eig¬
nen nicht zu beſchmutzen. Ein deutſcher Journaliſt
ſtellt ſich an den Pranger, ein franzöſiſcher begnügt
ſich ihn zu verdienen. Der Unternehmer der Eu¬
rope litéraire, der die Gefahren der Tugend
einmal kennen gelernt, meidet ſie ängſtlich und, um
nicht zum zweitenmale in Verſuchung zu kommen,
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