Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat seine Gerichtsdiener, nachdem sie jetzt den König von Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬ rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann ist ein Philister. Es wäre merkwürdig! Ist er kein Bösewicht, oder ist er nicht wahnsinnig, ist er ein Philister. Seine königlichen Vorfahren, durch viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige groß, die meisten klein; manchmal gut, öfter schlecht; viele leer, die meisten unmäßig. Aber so glatt ge¬ strichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich diesem Louis Philipp, war noch kein französischer König. Die Andern hatten ihre Leidenschaften, sie hatten ihre Krankheiten; aber diese Leidenschaft der Ruhe, dieses Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott! mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe
Vierzehnter Brief.
Paris, Sonntag, den 30. Dezember 1832.
Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat ſeine Gerichtsdiener, nachdem ſie jetzt den König von Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬ rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann iſt ein Philiſter. Es wäre merkwürdig! Iſt er kein Böſewicht, oder iſt er nicht wahnſinnig, iſt er ein Philiſter. Seine königlichen Vorfahren, durch viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige groß, die meiſten klein; manchmal gut, öfter ſchlecht; viele leer, die meiſten unmäßig. Aber ſo glatt ge¬ ſtrichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich dieſem Louis Philipp, war noch kein franzöſiſcher König. Die Andern hatten ihre Leidenſchaften, ſie hatten ihre Krankheiten; aber dieſe Leidenſchaft der Ruhe, dieſes Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott! mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0164"n="[152]"/><divn="2"><head><hirendition="#b #g">Vierzehnter Brief.</hi><lb/></head><datelinerendition="#right">Paris, Sonntag, den 30. Dezember 1832.</dateline><lb/><p>Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat<lb/>ſeine Gerichtsdiener, nachdem ſie jetzt den König von<lb/>
Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬<lb/>
rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann<lb/>
iſt ein Philiſter. Es wäre merkwürdig! Iſt er<lb/>
kein Böſewicht, oder iſt er nicht wahnſinnig, iſt er<lb/>
ein Philiſter. Seine königlichen Vorfahren, durch<lb/>
viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige<lb/>
groß, die meiſten klein; manchmal gut, öfter ſchlecht;<lb/>
viele leer, die meiſten unmäßig. Aber ſo glatt ge¬<lb/>ſtrichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich dieſem Louis<lb/>
Philipp, war noch kein franzöſiſcher König. Die<lb/>
Andern hatten ihre Leidenſchaften, ſie hatten ihre<lb/>
Krankheiten; aber dieſe Leidenſchaft der Ruhe, dieſes<lb/>
Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott!<lb/>
mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[152]/0164]
Vierzehnter Brief.
Paris, Sonntag, den 30. Dezember 1832.
Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat
ſeine Gerichtsdiener, nachdem ſie jetzt den König von
Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬
rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann
iſt ein Philiſter. Es wäre merkwürdig! Iſt er
kein Böſewicht, oder iſt er nicht wahnſinnig, iſt er
ein Philiſter. Seine königlichen Vorfahren, durch
viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige
groß, die meiſten klein; manchmal gut, öfter ſchlecht;
viele leer, die meiſten unmäßig. Aber ſo glatt ge¬
ſtrichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich dieſem Louis
Philipp, war noch kein franzöſiſcher König. Die
Andern hatten ihre Leidenſchaften, ſie hatten ihre
Krankheiten; aber dieſe Leidenſchaft der Ruhe, dieſes
Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott!
mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. [152]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/164>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.