Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Freitag, den 28. Januar. So eben komme ich vergnügt aus dem Lese¬ Freitag, den 28. Januar. So eben komme ich vergnügt aus dem Leſe¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0032" n="18"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Freitag, den 28. Januar.</hi> </dateline><lb/> <p>So eben komme ich vergnügt aus dem Leſe¬<lb/> kabinette — vergnügt, weil ich mich geärgert habe.<lb/> So oft mir dergleichen Aergerliches begegnet, halte<lb/> ich es gleich feſt, und mache mir den Aerger ein;<lb/> denn in Paris iſt er nicht alle Tage friſch zu haben;<lb/> die deutſchen Zeitungen kommen ſo unregelmäßig<lb/> hier an. Sie werden vielleicht in meinen Briefen<lb/> einen Widerſpruch mit meiner Klage finden; Sie<lb/> werden meinen, über franzöſiſches Weſen hätte ich<lb/> mich doch oft genug geärgert. Das iſt aber etwas<lb/> ganz anders. Das war nicht Aerger, das war Zorn;<lb/> Aerger aber iſt zurückgetretener Zorn. Man ärgert<lb/> ſich nicht, wenn Einem dem Gegner an Macht über¬<lb/> legen iſt — das merkt und berechnet man in der<lb/> Leidenſchaft nicht — ſondern wenn uns der Gegner,<lb/> entweder an Unverſchämtheit überlegen iſt, ſo daß er<lb/> uns unter die Beine kriecht und uns umwirft, oder an<lb/> Autorität, ſo daß er uns das Sprechen verbietet und<lb/> wir uns nicht wehren dürfen. Der Zorn aber iſt<lb/> wohlgemuth, ſtark und darf ſeine Kraft gebrauchen.<lb/> Darum gerathe ich in Zorn über das Treiben hier,<lb/> denn ich darf dagegen eifern, und hundert gleichge¬<lb/> ſinnte thun es für mich alle Tage; darum ärgere ich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0032]
Freitag, den 28. Januar.
So eben komme ich vergnügt aus dem Leſe¬
kabinette — vergnügt, weil ich mich geärgert habe.
So oft mir dergleichen Aergerliches begegnet, halte
ich es gleich feſt, und mache mir den Aerger ein;
denn in Paris iſt er nicht alle Tage friſch zu haben;
die deutſchen Zeitungen kommen ſo unregelmäßig
hier an. Sie werden vielleicht in meinen Briefen
einen Widerſpruch mit meiner Klage finden; Sie
werden meinen, über franzöſiſches Weſen hätte ich
mich doch oft genug geärgert. Das iſt aber etwas
ganz anders. Das war nicht Aerger, das war Zorn;
Aerger aber iſt zurückgetretener Zorn. Man ärgert
ſich nicht, wenn Einem dem Gegner an Macht über¬
legen iſt — das merkt und berechnet man in der
Leidenſchaft nicht — ſondern wenn uns der Gegner,
entweder an Unverſchämtheit überlegen iſt, ſo daß er
uns unter die Beine kriecht und uns umwirft, oder an
Autorität, ſo daß er uns das Sprechen verbietet und
wir uns nicht wehren dürfen. Der Zorn aber iſt
wohlgemuth, ſtark und darf ſeine Kraft gebrauchen.
Darum gerathe ich in Zorn über das Treiben hier,
denn ich darf dagegen eifern, und hundert gleichge¬
ſinnte thun es für mich alle Tage; darum ärgere ich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |