Sie fragen mich: ob denn die hessische Con¬ stitution wirklich so gar arg wäre, als ich behauptet? Was arg! Das ist das Wort gar nicht. Es ist die unverschämteste Prellerei, die mir je vorgekommen. Die Erzjuden hier auf den Boulevards, wenn sie sie läsen, würden mit Neid ausrufen: nein, das können wir nicht! Gewährte die Constitution noch so wenig oder auch gar nichts von dem, was heute die Völker von einer erwarten, dagegen ließe sich nichts sagen. Die Freiheit wurde von einem Für¬ sten nie geschenkt noch verkauft; ein Volk, das sie haben will, muß sie rauben. Dem Geduldigen gibt man nichts, dem Drohenden wenig, dem Gewalt¬
Dreißigſter Brief.
Paris, Donnerſtag, den 27. Januar 1831.
Sie fragen mich: ob denn die heſſiſche Con¬ ſtitution wirklich ſo gar arg wäre, als ich behauptet? Was arg! Das iſt das Wort gar nicht. Es iſt die unverſchämteſte Prellerei, die mir je vorgekommen. Die Erzjuden hier auf den Boulevards, wenn ſie ſie läſen, würden mit Neid ausrufen: nein, das können wir nicht! Gewährte die Conſtitution noch ſo wenig oder auch gar nichts von dem, was heute die Völker von einer erwarten, dagegen ließe ſich nichts ſagen. Die Freiheit wurde von einem Für¬ ſten nie geſchenkt noch verkauft; ein Volk, das ſie haben will, muß ſie rauben. Dem Geduldigen gibt man nichts, dem Drohenden wenig, dem Gewalt¬
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[[11]/0025]
Dreißigſter Brief.
Paris, Donnerſtag, den 27. Januar 1831.
Sie fragen mich: ob denn die heſſiſche Con¬
ſtitution wirklich ſo gar arg wäre, als ich behauptet?
Was arg! Das iſt das Wort gar nicht. Es iſt
die unverſchämteſte Prellerei, die mir je vorgekommen.
Die Erzjuden hier auf den Boulevards, wenn ſie
ſie läſen, würden mit Neid ausrufen: nein, das
können wir nicht! Gewährte die Conſtitution noch
ſo wenig oder auch gar nichts von dem, was heute
die Völker von einer erwarten, dagegen ließe ſich
nichts ſagen. Die Freiheit wurde von einem Für¬
ſten nie geſchenkt noch verkauft; ein Volk, das ſie
haben will, muß ſie rauben. Dem Geduldigen gibt
man nichts, dem Drohenden wenig, dem Gewalt¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. [11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/25>, abgerufen am 22.02.2025.
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