Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Mittwoch, den 26. Januar. -- Das muß einen ganz eignen Grund haben, Mittwoch, den 26. Januar. — Das muß einen ganz eignen Grund haben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0019" n="5"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Mittwoch, den 26. Januar.</hi> </dateline><lb/> <p>— Das muß einen ganz eignen Grund haben,<lb/> daß Sie geſtern nicht hier waren, daß Sie nicht den<lb/> Othello und die Malibran als Desdemona gehört<lb/> haben! So hart iſt doch Gott ſonſt nicht gegen<lb/> ſeine guten Kinder. Sie, die Sie das Alles mit<lb/> hundert Lippen einſaugen, mit hundert Seelen emp¬<lb/> finden! Wie wäre Ihnen geworden, da es ſchon<lb/> mich in ſolche Bewegung ſetzte! War es doch, als<lb/> wäre das eigne Herz zur Harfe geworden, auf wel¬<lb/> cher Engel ſpielten — das Ohr horchte nach Innen.<lb/> So klagen die Seligen, wenn ſie Schmerzen haben!<lb/> So ſtürmen die Götter, wenn ſie zornig ſind, gegen<lb/> Unſterbliche wie ſie. So weinen, lächeln, lieben,<lb/> bitten und trauern die Engel. Mit wahrer Seelen¬<lb/> angſt klammerte ich mich an die irdiſchen Worte feſt,<lb/> damit ich nur den Boden nicht verlor, und von den<lb/> Geiſtertönen hinaufgezogen würde. Die Malibran,<lb/> die hat Gott beurkundet mit der Unterſchrift ſeiner<lb/> Schöpfung, die kann keiner nachmachen. Es war<lb/> wie eine Blumenflur von allen milden und ſtolzen,<lb/> ſtillen und hohen, ſüßen und bittern Gefühlen des<lb/> Menſchen, mit aller Farbenpracht, allen Wohlge¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0019]
Mittwoch, den 26. Januar.
— Das muß einen ganz eignen Grund haben,
daß Sie geſtern nicht hier waren, daß Sie nicht den
Othello und die Malibran als Desdemona gehört
haben! So hart iſt doch Gott ſonſt nicht gegen
ſeine guten Kinder. Sie, die Sie das Alles mit
hundert Lippen einſaugen, mit hundert Seelen emp¬
finden! Wie wäre Ihnen geworden, da es ſchon
mich in ſolche Bewegung ſetzte! War es doch, als
wäre das eigne Herz zur Harfe geworden, auf wel¬
cher Engel ſpielten — das Ohr horchte nach Innen.
So klagen die Seligen, wenn ſie Schmerzen haben!
So ſtürmen die Götter, wenn ſie zornig ſind, gegen
Unſterbliche wie ſie. So weinen, lächeln, lieben,
bitten und trauern die Engel. Mit wahrer Seelen¬
angſt klammerte ich mich an die irdiſchen Worte feſt,
damit ich nur den Boden nicht verlor, und von den
Geiſtertönen hinaufgezogen würde. Die Malibran,
die hat Gott beurkundet mit der Unterſchrift ſeiner
Schöpfung, die kann keiner nachmachen. Es war
wie eine Blumenflur von allen milden und ſtolzen,
ſtillen und hohen, ſüßen und bittern Gefühlen des
Menſchen, mit aller Farbenpracht, allen Wohlge¬
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