Das deutsche Blatt, das in Straßburg erscheint, hat unsere schuldbewußten Staatsmänner aus ihrem Schlafe geweckt und sie in tödtlichen Schrecken gesetzt, als wäre ein Gespenst vor ihr Bett getreten und hätte sie mit kalter feuchter Hand berührt. Das Blatt erscheint als Beilage des Courier du Bas- Rhin, unter dem Titel: das konstitutionelle Deutschland. Es enthielt unter andern genaue und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im Würtembergischen, besonders über den himmelschreien¬ den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt. Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard nach Straßburg geschickt, um den Redakteur des Courier du Bas-Rhin zu bestechen, daß er nichts mehr gegen Würtemberg aufnehme. Dieser aber wies den Antrag ab, erbot sich jedoch gegründete Wieder¬ legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Bestechun¬ gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks: aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht, das kein würtembergischer Unterthan ist. Darauf wandte man sich an den französischen Gesandten in Stuttgard und bat um Hülfe. Dieser aber zuckte seine diplomatischen Achseln und sagte, es wäre lei¬
II.9
Dienſtag, den 8. März.
Das deutſche Blatt, das in Straßburg erſcheint, hat unſere ſchuldbewußten Staatsmänner aus ihrem Schlafe geweckt und ſie in tödtlichen Schrecken geſetzt, als wäre ein Geſpenſt vor ihr Bett getreten und hätte ſie mit kalter feuchter Hand berührt. Das Blatt erſcheint als Beilage des Courier du Bas- Rhin, unter dem Titel: das konſtitutionelle Deutſchland. Es enthielt unter andern genaue und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im Würtembergiſchen, beſonders über den himmelſchreien¬ den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt. Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard nach Straßburg geſchickt, um den Redakteur des Courier du Bas-Rhin zu beſtechen, daß er nichts mehr gegen Würtemberg aufnehme. Dieſer aber wies den Antrag ab, erbot ſich jedoch gegründete Wieder¬ legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Beſtechun¬ gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks: aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht, das kein würtembergiſcher Unterthan iſt. Darauf wandte man ſich an den franzöſiſchen Geſandten in Stuttgard und bat um Hülfe. Dieſer aber zuckte ſeine diplomatiſchen Achſeln und ſagte, es wäre lei¬
II.9
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0143"n="129"/><div><dateline><hirendition="#right">Dienſtag, den 8. März.</hi></dateline><lb/><p>Das deutſche Blatt, das in Straßburg erſcheint,<lb/>
hat unſere ſchuldbewußten Staatsmänner aus ihrem<lb/>
Schlafe geweckt und ſie in tödtlichen Schrecken geſetzt,<lb/>
als wäre ein Geſpenſt vor ihr Bett getreten und<lb/>
hätte ſie mit kalter feuchter Hand berührt. Das<lb/>
Blatt erſcheint als Beilage des Courier <hirendition="#aq #g">du Bas-<lb/>
Rhin</hi>, unter dem Titel: das <hirendition="#g">konſtitutionelle<lb/>
Deutſchland</hi>. Es enthielt unter andern genaue<lb/>
und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im<lb/>
Würtembergiſchen, beſonders über den himmelſchreien¬<lb/>
den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt.<lb/>
Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard<lb/>
nach Straßburg geſchickt, um den Redakteur des<lb/>
Courier <hirendition="#aq">du Bas-Rhin</hi> zu beſtechen, daß er nichts<lb/>
mehr gegen Würtemberg aufnehme. Dieſer aber wies<lb/>
den Antrag ab, erbot ſich jedoch gegründete Wieder¬<lb/>
legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes<lb/>
Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Beſtechun¬<lb/>
gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks:<lb/>
aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht,<lb/>
das kein würtembergiſcher Unterthan iſt. Darauf<lb/>
wandte man ſich an den franzöſiſchen Geſandten in<lb/>
Stuttgard und bat um Hülfe. Dieſer aber zuckte<lb/>ſeine diplomatiſchen Achſeln und ſagte, es wäre lei¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II</hi>.9<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[129/0143]
Dienſtag, den 8. März.
Das deutſche Blatt, das in Straßburg erſcheint,
hat unſere ſchuldbewußten Staatsmänner aus ihrem
Schlafe geweckt und ſie in tödtlichen Schrecken geſetzt,
als wäre ein Geſpenſt vor ihr Bett getreten und
hätte ſie mit kalter feuchter Hand berührt. Das
Blatt erſcheint als Beilage des Courier du Bas-
Rhin, unter dem Titel: das konſtitutionelle
Deutſchland. Es enthielt unter andern genaue
und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im
Würtembergiſchen, beſonders über den himmelſchreien¬
den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt.
Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard
nach Straßburg geſchickt, um den Redakteur des
Courier du Bas-Rhin zu beſtechen, daß er nichts
mehr gegen Würtemberg aufnehme. Dieſer aber wies
den Antrag ab, erbot ſich jedoch gegründete Wieder¬
legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes
Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Beſtechun¬
gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks:
aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht,
das kein würtembergiſcher Unterthan iſt. Darauf
wandte man ſich an den franzöſiſchen Geſandten in
Stuttgard und bat um Hülfe. Dieſer aber zuckte
ſeine diplomatiſchen Achſeln und ſagte, es wäre lei¬
II.9
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/143>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.