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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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-- Saphir fängt künftige Woche Vorlesungen
an, nach Art derjenigen, die er in München gehalten.
Ich theile Ihnen einige gute Einfälle aus seinem
Prospectus mit. "Frankreich ist mir eine Entschädi¬
"gung schuldig; ich komme, sie einzukassiren, nicht
"mit dem Degen, aber mit der Feder in der Hand ...
"Die drei ruhmvollen Tage Frankreichs haben viele
"schlaflose Nächte in Deutschland hervorgebracht ....
"ich wurde allergnädigst verbannt, und es wurde mir
"huldreichst angewiesen, binnen drei Tagen Witz und
"Land zu verlassen. Zum Glücke waren weder Witz
"und Land so groß, um dieses in drei Tagen nicht
"mit aller Bequemlichkeit bewerkstelligen zu können.
"Ich schnürte meine Satyre und ging. ... Zuerst
"hatte ich die Idee, nach Rußland zu gehen, weil
"man noch kein Beispiel hat, daß je ein freimüthiger
"Schriftsteller von dort verbannt wurde, und zwar
"aus dem einfachen Grunde, weil nie einer dort
"lebte. Allein Personen, welche die Knute und die
"Cholera morbus aus näherem Umgange kennen,
"versicherten mich, daß diese zwei russischen Gesell¬
"schaftsspiele keinen besondern Sinn für Witz und
"Poesie haben. Ich nahm mir also vor, die Pre߬
"freiheit persönlich kennen zu lernen, und kam nach


— Saphir fängt künftige Woche Vorleſungen
an, nach Art derjenigen, die er in München gehalten.
Ich theile Ihnen einige gute Einfälle aus ſeinem
Proſpectus mit. „Frankreich iſt mir eine Entſchädi¬
„gung ſchuldig; ich komme, ſie einzukaſſiren, nicht
„mit dem Degen, aber mit der Feder in der Hand ...
„Die drei ruhmvollen Tage Frankreichs haben viele
„ſchlafloſe Nächte in Deutſchland hervorgebracht ....
„ich wurde allergnädigſt verbannt, und es wurde mir
„huldreichſt angewieſen, binnen drei Tagen Witz und
„Land zu verlaſſen. Zum Glücke waren weder Witz
„und Land ſo groß, um dieſes in drei Tagen nicht
„mit aller Bequemlichkeit bewerkſtelligen zu können.
„Ich ſchnürte meine Satyre und ging. ... Zuerſt
„hatte ich die Idee, nach Rußland zu gehen, weil
„man noch kein Beiſpiel hat, daß je ein freimüthiger
„Schriftſteller von dort verbannt wurde, und zwar
„aus dem einfachen Grunde, weil nie einer dort
„lebte. Allein Perſonen, welche die Knute und die
Cholera morbus aus näherem Umgange kennen,
„verſicherten mich, daß dieſe zwei ruſſiſchen Geſell¬
„ſchaftsſpiele keinen beſondern Sinn für Witz und
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[111/0125] Mittwoch, den 3. März. — Saphir fängt künftige Woche Vorleſungen an, nach Art derjenigen, die er in München gehalten. Ich theile Ihnen einige gute Einfälle aus ſeinem Proſpectus mit. „Frankreich iſt mir eine Entſchädi¬ „gung ſchuldig; ich komme, ſie einzukaſſiren, nicht „mit dem Degen, aber mit der Feder in der Hand ... „Die drei ruhmvollen Tage Frankreichs haben viele „ſchlafloſe Nächte in Deutſchland hervorgebracht .... „ich wurde allergnädigſt verbannt, und es wurde mir „huldreichſt angewieſen, binnen drei Tagen Witz und „Land zu verlaſſen. Zum Glücke waren weder Witz „und Land ſo groß, um dieſes in drei Tagen nicht „mit aller Bequemlichkeit bewerkſtelligen zu können. „Ich ſchnürte meine Satyre und ging. ... Zuerſt „hatte ich die Idee, nach Rußland zu gehen, weil „man noch kein Beiſpiel hat, daß je ein freimüthiger „Schriftſteller von dort verbannt wurde, und zwar „aus dem einfachen Grunde, weil nie einer dort „lebte. Allein Perſonen, welche die Knute und die „Cholera morbus aus näherem Umgange kennen, „verſicherten mich, daß dieſe zwei ruſſiſchen Geſell¬ „ſchaftsſpiele keinen beſondern Sinn für Witz und „Poeſie haben. Ich nahm mir alſo vor, die Pre߬ „freiheit perſönlich kennen zu lernen, und kam nach

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/125>, abgerufen am 21.11.2024.