Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Sieben und dreißigster Brief.

Die Krönung Napoleons, von David gemalt,
durfte unter der vorigen Regierung nicht an das
Tageslicht; jetzt wird das Gemälde wieder gezeigt.
Was half Ihnen ihr blinder Groll? Nichts ist doch
lächerlicher und grausamer, als die strenge Diät,
welche kranke Fürsten, die nichts vertragen können,
ihren Völkern auflegen, die alles vertragen! Sie
meinen, wenn man die Herzen fasten ließe, davon
würden die Köpfe und Arme schwach, und sie wären
dann leichter zu regieren. Aber der Hunger des
Herzens sättigt den Kopf und stärkt die Glieder.
Napoleons Bild kehrte nach fünfzehn Jahren zurück,
und die Bourbons werden ewig verbannt bleiben --
-- gewiß ewig; denn am dritten Schlagflusse stirbt
der Mensch, und wenn er auch ein König ist. Ich
sah gestern das Gemälde, es hat sehr gelitten; Farbe,

Sieben und dreißigſter Brief.

Die Krönung Napoleons, von David gemalt,
durfte unter der vorigen Regierung nicht an das
Tageslicht; jetzt wird das Gemälde wieder gezeigt.
Was half Ihnen ihr blinder Groll? Nichts iſt doch
lächerlicher und grauſamer, als die ſtrenge Diät,
welche kranke Fürſten, die nichts vertragen können,
ihren Völkern auflegen, die alles vertragen! Sie
meinen, wenn man die Herzen faſten ließe, davon
würden die Köpfe und Arme ſchwach, und ſie wären
dann leichter zu regieren. Aber der Hunger des
Herzens ſättigt den Kopf und ſtärkt die Glieder.
Napoleons Bild kehrte nach fünfzehn Jahren zurück,
und die Bourbons werden ewig verbannt bleiben —
— gewiß ewig; denn am dritten Schlagfluſſe ſtirbt
der Menſch, und wenn er auch ein König iſt. Ich
ſah geſtern das Gemälde, es hat ſehr gelitten; Farbe,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0105" n="[91]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Sieben und dreißig&#x017F;ter Brief.</hi><lb/>
          </head>
          <dateline> <hi rendition="#right">Paris, Donner&#x017F;tag, den 24. Februar 1831.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Die Krönung Napoleons, von David gemalt,<lb/>
durfte unter der vorigen Regierung nicht an das<lb/>
Tageslicht; jetzt wird das Gemälde wieder gezeigt.<lb/>
Was half Ihnen ihr blinder Groll? Nichts i&#x017F;t doch<lb/>
lächerlicher und grau&#x017F;amer, als die &#x017F;trenge Diät,<lb/>
welche kranke Für&#x017F;ten, die nichts vertragen können,<lb/>
ihren Völkern auflegen, die alles vertragen! Sie<lb/>
meinen, wenn man die Herzen fa&#x017F;ten ließe, davon<lb/>
würden die Köpfe und Arme &#x017F;chwach, und &#x017F;ie wären<lb/>
dann leichter zu regieren. Aber der Hunger des<lb/>
Herzens &#x017F;ättigt den Kopf und &#x017F;tärkt die Glieder.<lb/>
Napoleons Bild kehrte nach fünfzehn Jahren zurück,<lb/>
und die Bourbons werden ewig verbannt bleiben &#x2014;<lb/>
&#x2014; gewiß ewig; denn am dritten Schlagflu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tirbt<lb/>
der Men&#x017F;ch, und wenn er auch ein König i&#x017F;t. Ich<lb/>
&#x017F;ah ge&#x017F;tern das Gemälde, es hat &#x017F;ehr gelitten; Farbe,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[91]/0105] Sieben und dreißigſter Brief. Paris, Donnerſtag, den 24. Februar 1831. Die Krönung Napoleons, von David gemalt, durfte unter der vorigen Regierung nicht an das Tageslicht; jetzt wird das Gemälde wieder gezeigt. Was half Ihnen ihr blinder Groll? Nichts iſt doch lächerlicher und grauſamer, als die ſtrenge Diät, welche kranke Fürſten, die nichts vertragen können, ihren Völkern auflegen, die alles vertragen! Sie meinen, wenn man die Herzen faſten ließe, davon würden die Köpfe und Arme ſchwach, und ſie wären dann leichter zu regieren. Aber der Hunger des Herzens ſättigt den Kopf und ſtärkt die Glieder. Napoleons Bild kehrte nach fünfzehn Jahren zurück, und die Bourbons werden ewig verbannt bleiben — — gewiß ewig; denn am dritten Schlagfluſſe ſtirbt der Menſch, und wenn er auch ein König iſt. Ich ſah geſtern das Gemälde, es hat ſehr gelitten; Farbe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/105
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. [91]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/105>, abgerufen am 21.12.2024.