Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Siebenter Brief. Paris, Dienstag den 21. September 1830.Schreiben, Schriftstellern, Gedanken bauen -- Die tägliche, ja allstündliche Bemühung der Siebenter Brief. Paris, Dienſtag den 21. September 1830.Schreiben, Schriftſtellern, Gedanken bauen — Die tägliche, ja allſtündliche Bemühung der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0060" n="[46]"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Siebenter Brief.</hi><lb/> </head> <dateline> <hi rendition="#right">Paris, Dienſtag den 21. September 1830.</hi> </dateline><lb/> <p>Schreiben, Schriftſtellern, Gedanken bauen —<lb/> wie wäre mir das möglich hier? Der Boden wankt<lb/> unter meinen Füßen, es ſchwindelt um mich her,<lb/> mein Herz iſt ſeekrank. Manchmal kömmt es mir<lb/> ſelbſt ſpaßhaft vor, daß ich die Sorgen eines Königs<lb/> habe, und ſo angſtvoll warte auf die Entſcheidung<lb/> der Schlacht, als hätte ich dabei eine Krone zu ge¬<lb/> winnen oder zu verlieren. Ach, wäre ich doch König<lb/> nur einen kurzen Monat! Wahrlich, ich wollte keine<lb/> Sorgen haben, aber geben wollte ich ſie.</p><lb/> <p>Die tägliche, ja allſtündliche Bemühung der<lb/> ſtärkſten Denkreize macht die Menſchen hier endlich<lb/> ſtumpf und gedankenlos. Wenn es nicht ſo wäre,<lb/> man ertrüge nicht Paris ſein ganzes Leben durch.<lb/> Die Erfahrung, die anfänglich bedächtig macht, macht<lb/> ſpäter leichtſinnig, und ſo erkläre und entſchuldige<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[46]/0060]
Siebenter Brief.
Paris, Dienſtag den 21. September 1830.
Schreiben, Schriftſtellern, Gedanken bauen —
wie wäre mir das möglich hier? Der Boden wankt
unter meinen Füßen, es ſchwindelt um mich her,
mein Herz iſt ſeekrank. Manchmal kömmt es mir
ſelbſt ſpaßhaft vor, daß ich die Sorgen eines Königs
habe, und ſo angſtvoll warte auf die Entſcheidung
der Schlacht, als hätte ich dabei eine Krone zu ge¬
winnen oder zu verlieren. Ach, wäre ich doch König
nur einen kurzen Monat! Wahrlich, ich wollte keine
Sorgen haben, aber geben wollte ich ſie.
Die tägliche, ja allſtündliche Bemühung der
ſtärkſten Denkreize macht die Menſchen hier endlich
ſtumpf und gedankenlos. Wenn es nicht ſo wäre,
man ertrüge nicht Paris ſein ganzes Leben durch.
Die Erfahrung, die anfänglich bedächtig macht, macht
ſpäter leichtſinnig, und ſo erkläre und entſchuldige
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