Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Samstag, d. 1 Januar 1831. "Prost neu Jahr!" Aber es ist eine dumme Samſtag, d. 1 Januar 1831. „Proſt neu Jahr!“ Aber es iſt eine dumme <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0180" n="166"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Samſtag, d. 1 Januar 1831.</hi> </dateline><lb/> <p>„<hi rendition="#g">Proſt neu Jahr</hi>!“ Aber es iſt eine dumme<lb/> Geſchichte, ich bin ſchon gewohnt daran, es iſt ſchon<lb/> Mittag. Dieſes Jahr iſt mit Zähnen auf die Welt<lb/> gekommen, und will ſich nicht wickeln laſſen. Es<lb/> wird mit Blut getauft werden. Könnte ich nicht<lb/> einen Kalender ſchreiben? Ich ſpräche wie ein<lb/> Prophet: Ein großer Fürſt wird ſterben in dieſem<lb/> Jahre. Aber das iſt falſch prophezeihet; es lebt<lb/> gegenwärtig kein großer Fürſt. Aber der Frühling<lb/> wird naß werden (nicht von Waſſer) der Sommer<lb/> heiß (nicht blos von der Sonne) und der Herbſt<lb/> gut (nicht blos an Wein). — Unſer König hier ſoll<lb/> und will in die Tuilerien ziehen, weil das Palais-<lb/> Royal wirklich zu klein iſt, und auch ſonſt zur könig¬<lb/> lichen Wohnung nicht ſchicklich. Aber die Königin<lb/> ſträubt ſich mit aller Macht gegen die Tuilerien.<lb/> Sie ſagt, das wäre <hi rendition="#aq #g">une maison de malheur</hi>.<lb/> Die Frau hat Recht und ich hätte auch aberglaubi¬<lb/> ſche Furcht davor. — Beim Conſeil in Genf wurde<lb/> von einem Deputirten der Antrag gemacht, den Ju¬<lb/> den die bürgerliche Freiheit zurückzugeben, die ſie<lb/> bis zum Jahre 1816, wo die franzöſiſche Herrſchaft<lb/> aufhörte, genoſſen haben. Der Antrag wurde von<lb/> Vielen unterſtützt. Die Zeit wird auch bald für<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0180]
Samſtag, d. 1 Januar 1831.
„Proſt neu Jahr!“ Aber es iſt eine dumme
Geſchichte, ich bin ſchon gewohnt daran, es iſt ſchon
Mittag. Dieſes Jahr iſt mit Zähnen auf die Welt
gekommen, und will ſich nicht wickeln laſſen. Es
wird mit Blut getauft werden. Könnte ich nicht
einen Kalender ſchreiben? Ich ſpräche wie ein
Prophet: Ein großer Fürſt wird ſterben in dieſem
Jahre. Aber das iſt falſch prophezeihet; es lebt
gegenwärtig kein großer Fürſt. Aber der Frühling
wird naß werden (nicht von Waſſer) der Sommer
heiß (nicht blos von der Sonne) und der Herbſt
gut (nicht blos an Wein). — Unſer König hier ſoll
und will in die Tuilerien ziehen, weil das Palais-
Royal wirklich zu klein iſt, und auch ſonſt zur könig¬
lichen Wohnung nicht ſchicklich. Aber die Königin
ſträubt ſich mit aller Macht gegen die Tuilerien.
Sie ſagt, das wäre une maison de malheur.
Die Frau hat Recht und ich hätte auch aberglaubi¬
ſche Furcht davor. — Beim Conſeil in Genf wurde
von einem Deputirten der Antrag gemacht, den Ju¬
den die bürgerliche Freiheit zurückzugeben, die ſie
bis zum Jahre 1816, wo die franzöſiſche Herrſchaft
aufhörte, genoſſen haben. Der Antrag wurde von
Vielen unterſtützt. Die Zeit wird auch bald für
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