Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Dienstag, den 21. Dezember. Gestern war wieder ein unglückschwangerer Tag Dienſtag, den 21. Dezember. Geſtern war wieder ein unglückſchwangerer Tag <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0155" n="141"/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Dienſtag, den 21. Dezember.</hi> </dateline><lb/> <p>Geſtern war wieder ein unglückſchwangerer Tag<lb/> für Paris, Frankreich, die Welt, und heute, morgen<lb/> kann das Gewitter losbrechen. Die Regierung hat<lb/> ſchon ſeit acht Tagen eine Verſchwörung entdeckt und<lb/> viele Menſchen ſind arretirt worden. Man fordert<lb/> das Leben der Miniſter, deren Prozeß ſich wahr¬<lb/> ſcheinlich morgen entſcheidet. Geſtern verſammelten<lb/> ſich einige tauſend Menſchen vor der Pairs-Kammer<lb/> mit drohenden Aeußerungen, und heute fürchtet man<lb/> größern Aufruhr. Ich bin doch ein rechter Unglücks¬<lb/> vogel! Ich mußte mir geſtern einen Zahn heraus¬<lb/> nehmen laſſen, und kann noch heute wegen meines<lb/> dicken Geſichts nicht ausgehen. Ganz Paris kann<lb/> heute in Flammen ſtehen, und ich werde nichts er¬<lb/> fahren, bis heute Abend die Zeitung kommt. Sie<lb/> freuen ſich vielleicht darüber und wünſchen mir meine<lb/> Zahnſchmerzen von ganzem Herzen. Ich ärgere mich<lb/> und dazu habe ich noch 20 Fr. für das Zahnheraus¬<lb/> ziehen bezahlen müſſen. Was man hier geprellt wird!<lb/> Wie die Blutſauger hängen ſich die Pariſer an den<lb/> Fremden und ziehen ihm das Geld aus. Ich hoffe,<lb/> daß die Regierung Kraft genug haben wird, die Un¬<lb/> ruhen zu dämpfen, es bleibt aber immer eine be¬<lb/> denkliche Sache. Man kann auf die National-Garde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0155]
Dienſtag, den 21. Dezember.
Geſtern war wieder ein unglückſchwangerer Tag
für Paris, Frankreich, die Welt, und heute, morgen
kann das Gewitter losbrechen. Die Regierung hat
ſchon ſeit acht Tagen eine Verſchwörung entdeckt und
viele Menſchen ſind arretirt worden. Man fordert
das Leben der Miniſter, deren Prozeß ſich wahr¬
ſcheinlich morgen entſcheidet. Geſtern verſammelten
ſich einige tauſend Menſchen vor der Pairs-Kammer
mit drohenden Aeußerungen, und heute fürchtet man
größern Aufruhr. Ich bin doch ein rechter Unglücks¬
vogel! Ich mußte mir geſtern einen Zahn heraus¬
nehmen laſſen, und kann noch heute wegen meines
dicken Geſichts nicht ausgehen. Ganz Paris kann
heute in Flammen ſtehen, und ich werde nichts er¬
fahren, bis heute Abend die Zeitung kommt. Sie
freuen ſich vielleicht darüber und wünſchen mir meine
Zahnſchmerzen von ganzem Herzen. Ich ärgere mich
und dazu habe ich noch 20 Fr. für das Zahnheraus¬
ziehen bezahlen müſſen. Was man hier geprellt wird!
Wie die Blutſauger hängen ſich die Pariſer an den
Fremden und ziehen ihm das Geld aus. Ich hoffe,
daß die Regierung Kraft genug haben wird, die Un¬
ruhen zu dämpfen, es bleibt aber immer eine be¬
denkliche Sache. Man kann auf die National-Garde
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