In wunderbarer Glorie der ersten Maiensonne liegt der See. Wie eine Lotosblüte von tiefem, tiefem Blau. Blauer als der Himmel, an dem milchige Wölkchen treiben. Dicht vor dir am Ufer ein Doppelkranz, erst junges nachsprossen¬ des goldgrünes Frühlingsschilf, noch nicht höher als starkes Gras. Dann die braune Stoppelwelle des vorjährigen dürren Schilfs, ab und zu von einer einzeln stehengebliebenen hohen trocknen Fahne knisternd überweht. Die Meilenfläche des Sees wirklich heute in ihrem harten Blau blumenhaft klein. Drüben ein langer, grellgelber Streifen Sandufer fest auf dem Blau wie mit dem Lineal gezogen. Darüber ebenso scharf ein fast schwarzes Band Kiefernforst, trotz der grellen Sonne so finster. Ab und zu nur davor ein zartes rostrotes Wölkchen: knospende Erlen am Sandhang. Oder ein Fleck blaßgrün, duftig wie Rauch, -- eine Weide, die schon Blättchen gesetzt hat. Die roten Fabrikgebäude der Wasserwerke am Waldausgang wie aus einem Kinderbaukasten. Die Schornsteine geben lange, rötlich zitternde Reflexe im Wasserblau.
[Abbildung]
Die Nebel ſind verhaucht.
In wunderbarer Glorie der erſten Maienſonne liegt der See. Wie eine Lotosblüte von tiefem, tiefem Blau. Blauer als der Himmel, an dem milchige Wölkchen treiben. Dicht vor dir am Ufer ein Doppelkranz, erſt junges nachſproſſen¬ des goldgrünes Frühlingsſchilf, noch nicht höher als ſtarkes Gras. Dann die braune Stoppelwelle des vorjährigen dürren Schilfs, ab und zu von einer einzeln ſtehengebliebenen hohen trocknen Fahne kniſternd überweht. Die Meilenfläche des Sees wirklich heute in ihrem harten Blau blumenhaft klein. Drüben ein langer, grellgelber Streifen Sandufer feſt auf dem Blau wie mit dem Lineal gezogen. Darüber ebenſo ſcharf ein faſt ſchwarzes Band Kiefernforſt, trotz der grellen Sonne ſo finſter. Ab und zu nur davor ein zartes roſtrotes Wölkchen: knoſpende Erlen am Sandhang. Oder ein Fleck blaßgrün, duftig wie Rauch, — eine Weide, die ſchon Blättchen geſetzt hat. Die roten Fabrikgebäude der Waſſerwerke am Waldausgang wie aus einem Kinderbaukaſten. Die Schornſteine geben lange, rötlich zitternde Reflexe im Waſſerblau.
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Die Nebel ſind verhaucht.
In wunderbarer Glorie der erſten Maienſonne liegt der
See. Wie eine Lotosblüte von tiefem, tiefem Blau. Blauer
als der Himmel, an dem milchige Wölkchen treiben. Dicht
vor dir am Ufer ein Doppelkranz, erſt junges nachſproſſen¬
des goldgrünes Frühlingsſchilf, noch nicht höher als ſtarkes
Gras. Dann die braune Stoppelwelle des vorjährigen dürren
Schilfs, ab und zu von einer einzeln ſtehengebliebenen hohen
trocknen Fahne kniſternd überweht. Die Meilenfläche des Sees
wirklich heute in ihrem harten Blau blumenhaft klein. Drüben
ein langer, grellgelber Streifen Sandufer feſt auf dem Blau
wie mit dem Lineal gezogen. Darüber ebenſo ſcharf ein faſt
ſchwarzes Band Kiefernforſt, trotz der grellen Sonne ſo finſter.
Ab und zu nur davor ein zartes roſtrotes Wölkchen: knoſpende
Erlen am Sandhang. Oder ein Fleck blaßgrün, duftig wie
Rauch, — eine Weide, die ſchon Blättchen geſetzt hat. Die
roten Fabrikgebäude der Waſſerwerke am Waldausgang wie
aus einem Kinderbaukaſten. Die Schornſteine geben lange,
rötlich zitternde Reflexe im Waſſerblau.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/55>, abgerufen am 21.11.2024.
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