Die Eulen rufen im schwarzen Kiefernforst. Sie locken sich, folgen sich, antworten, -- eine schaurig-lustige Zwiesprache. Jetzt ganz fern wie ein einzelner harter Metallklang. Jäh dann dicht über uns als grelles gespenstisches Meckern. Das schläft nicht und hat den ganzen Wald zu dieser Stunde vor Morgengrauen für sich allein.
Halt, hier jetzt nicht weiter. Zwischen den kohlraben¬ schwarzen Säulen spannt es sich wie ein senkrechtes weißgrün¬ liches Tuch herab. Wie dürre Spinnenarme dringt es da¬ gegen vor. Halte dich fest an solchem Spinnenarm, setz dich rittlings darauf. Es sind Kiefernwurzeln, die wie Polypen frei über den Sandsturz hängen. Das Ufer geht hier hohl und steil hinab. In dieser Nebelmasse, die greifbar wie eine bleiche Wand unmittelbar gegen dich steht, steckt der See. Es ist etwas Mondlicht in dem Nebel, von ferner Silberscheibe irgendwo hinter dir über dem Walde. Du riechst den herben Nebelhauch wie Geruch eines dampfenden Ungetüms, das auf moorigem Schilfufer liegt und prustet; der ganze Sumpfgrund, in den es sich eingesielt hat, raucht mit herauf.
1
[Abbildung]
Walpurgisnacht.
Die Eulen rufen im ſchwarzen Kiefernforſt. Sie locken ſich, folgen ſich, antworten, — eine ſchaurig-luſtige Zwieſprache. Jetzt ganz fern wie ein einzelner harter Metallklang. Jäh dann dicht über uns als grelles geſpenſtiſches Meckern. Das ſchläft nicht und hat den ganzen Wald zu dieſer Stunde vor Morgengrauen für ſich allein.
Halt, hier jetzt nicht weiter. Zwiſchen den kohlraben¬ ſchwarzen Säulen ſpannt es ſich wie ein ſenkrechtes weißgrün¬ liches Tuch herab. Wie dürre Spinnenarme dringt es da¬ gegen vor. Halte dich feſt an ſolchem Spinnenarm, ſetz dich rittlings darauf. Es ſind Kiefernwurzeln, die wie Polypen frei über den Sandſturz hängen. Das Ufer geht hier hohl und ſteil hinab. In dieſer Nebelmaſſe, die greifbar wie eine bleiche Wand unmittelbar gegen dich ſteht, ſteckt der See. Es iſt etwas Mondlicht in dem Nebel, von ferner Silberſcheibe irgendwo hinter dir über dem Walde. Du riechſt den herben Nebelhauch wie Geruch eines dampfenden Ungetüms, das auf moorigem Schilfufer liegt und pruſtet; der ganze Sumpfgrund, in den es ſich eingeſielt hat, raucht mit herauf.
1
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0017"n="1"/><figure/></div><divn="1"><head><hirendition="#in">W</hi>alpurgisnacht.<lb/></head><p>Die Eulen rufen im ſchwarzen Kiefernforſt. Sie locken<lb/>ſich, folgen ſich, antworten, — eine ſchaurig-luſtige Zwieſprache.<lb/>
Jetzt ganz fern wie ein einzelner harter Metallklang. Jäh<lb/>
dann dicht über uns als grelles geſpenſtiſches Meckern. Das<lb/>ſchläft nicht und hat den ganzen Wald zu dieſer Stunde vor<lb/>
Morgengrauen für ſich allein.</p><lb/><p>Halt, hier jetzt nicht weiter. Zwiſchen den kohlraben¬<lb/>ſchwarzen Säulen ſpannt es ſich wie ein ſenkrechtes weißgrün¬<lb/>
liches Tuch herab. Wie dürre Spinnenarme dringt es da¬<lb/>
gegen vor. Halte dich feſt an ſolchem Spinnenarm, ſetz dich<lb/>
rittlings darauf. Es ſind Kiefernwurzeln, die wie Polypen<lb/>
frei über den Sandſturz hängen. Das Ufer geht hier hohl<lb/>
und ſteil hinab. In dieſer Nebelmaſſe, die greifbar wie eine<lb/>
bleiche Wand unmittelbar gegen dich ſteht, ſteckt der See. Es<lb/>
iſt etwas Mondlicht in dem Nebel, von ferner Silberſcheibe<lb/>
irgendwo hinter dir über dem Walde. Du riechſt den herben<lb/>
Nebelhauch wie Geruch eines dampfenden Ungetüms, das auf<lb/>
moorigem Schilfufer liegt und pruſtet; der ganze Sumpfgrund,<lb/>
in den es ſich eingeſielt hat, raucht mit herauf.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">1<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[1/0017]
[Abbildung]
Walpurgisnacht.
Die Eulen rufen im ſchwarzen Kiefernforſt. Sie locken
ſich, folgen ſich, antworten, — eine ſchaurig-luſtige Zwieſprache.
Jetzt ganz fern wie ein einzelner harter Metallklang. Jäh
dann dicht über uns als grelles geſpenſtiſches Meckern. Das
ſchläft nicht und hat den ganzen Wald zu dieſer Stunde vor
Morgengrauen für ſich allein.
Halt, hier jetzt nicht weiter. Zwiſchen den kohlraben¬
ſchwarzen Säulen ſpannt es ſich wie ein ſenkrechtes weißgrün¬
liches Tuch herab. Wie dürre Spinnenarme dringt es da¬
gegen vor. Halte dich feſt an ſolchem Spinnenarm, ſetz dich
rittlings darauf. Es ſind Kiefernwurzeln, die wie Polypen
frei über den Sandſturz hängen. Das Ufer geht hier hohl
und ſteil hinab. In dieſer Nebelmaſſe, die greifbar wie eine
bleiche Wand unmittelbar gegen dich ſteht, ſteckt der See. Es
iſt etwas Mondlicht in dem Nebel, von ferner Silberſcheibe
irgendwo hinter dir über dem Walde. Du riechſt den herben
Nebelhauch wie Geruch eines dampfenden Ungetüms, das auf
moorigem Schilfufer liegt und pruſtet; der ganze Sumpfgrund,
in den es ſich eingeſielt hat, raucht mit herauf.
1
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/17>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.