[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.Uebersetzung aus einer Handsch. XIII. Die gefangene Wiesel. MAn saget, eine Wiesel gieng Jn eines Wirthes Haus, wo sie viel Mäuse fieng. Zulezt geschah auf einer Fahrt, Daß sie von ihm gefangen ward. Da sprach sie: Wirth, du sollst mich lassen gehn. Wahrhaftig ich verdient es wohl, Daß man im Frieden mich erlassen soll. Gieb acht, wie sauber ist dein Haus, Da läuft izt weder Ratt noch Maus. Dafür sollst du mir nun zum Lohne geben, Daß du mich friedlich lässest leben. Das nehm ich an von dir zu einer Gabe Für allen Fleiß, womit ich dir gedienet habe. Der Wirth sprach: Ja, das ist wohl wahr, Mein Haus ist izo gantz und gar Von Ratten und von Mäusen rein. Das thatest du: doch nicht um meinetwillen; Nicht daß du mir so wolltest nützlich seyn; Nein, sondern deinen Balg zu füllen. Du fiengest, Wiesel, meinen Feind; Warum? Er war nicht mein, und nicht dein Freund. Du wolltest meine Speis' allein, Und ohne viel Gesellen seyn. Warum denn solltest du vor mir genesen; Dieweil du in der That mein Feind gewesen? Verderbtest du mir nicht mein Fleisch und Brod? Deßwegen denn bereite dich zum Tod. Die Wiesel konnt es nicht entsagen; Dahero mußte sie die Straffe tragen. Sie ward getödet auf der Statt, Weil ohne Willen sie gedienet hatt. XIV. Die
Ueberſetzung aus einer Handſch. XIII. Die gefangene Wieſel. MAn ſaget, eine Wieſel gieng Jn eines Wirthes Haus, wo ſie viel Maͤuſe fieng. Zulezt geſchah auf einer Fahrt, Daß ſie von ihm gefangen ward. Da ſprach ſie: Wirth, du ſollſt mich laſſen gehn. Wahrhaftig ich verdient es wohl, Daß man im Frieden mich erlaſſen ſoll. Gieb acht, wie ſauber iſt dein Haus, Da laͤuft izt weder Ratt noch Maus. Dafuͤr ſollſt du mir nun zum Lohne geben, Daß du mich friedlich laͤſſeſt leben. Das nehm ich an von dir zu einer Gabe Fuͤr allen Fleiß, womit ich dir gedienet habe. Der Wirth ſprach: Ja, das iſt wohl wahr, Mein Haus iſt izo gantz und gar Von Ratten und von Maͤuſen rein. Das thateſt du: doch nicht um meinetwillen; Nicht daß du mir ſo wollteſt nuͤtzlich ſeyn; Nein, ſondern deinen Balg zu fuͤllen. Du fiengeſt, Wieſel, meinen Feind; Warum? Er war nicht mein, und nicht dein Freund. Du wollteſt meine Speiſ’ allein, Und ohne viel Geſellen ſeyn. Warum denn ſollteſt du vor mir geneſen; Dieweil du in der That mein Feind geweſen? Verderbteſt du mir nicht mein Fleiſch und Brod? Deßwegen denn bereite dich zum Tod. Die Wieſel konnt es nicht entſagen; Dahero mußte ſie die Straffe tragen. Sie ward getoͤdet auf der Statt, Weil ohne Willen ſie gedienet hatt. XIV. Die
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Ueberſetzung aus einer Handſch.
XIII.
Die gefangene Wieſel.
MAn ſaget, eine Wieſel gieng
Jn eines Wirthes Haus, wo ſie viel Maͤuſe fieng.
Zulezt geſchah auf einer Fahrt,
Daß ſie von ihm gefangen ward.
Da ſprach ſie: Wirth, du ſollſt mich laſſen gehn.
Wahrhaftig ich verdient es wohl,
Daß man im Frieden mich erlaſſen ſoll.
Gieb acht, wie ſauber iſt dein Haus,
Da laͤuft izt weder Ratt noch Maus.
Dafuͤr ſollſt du mir nun zum Lohne geben,
Daß du mich friedlich laͤſſeſt leben.
Das nehm ich an von dir zu einer Gabe
Fuͤr allen Fleiß, womit ich dir gedienet habe.
Der Wirth ſprach: Ja, das iſt wohl wahr,
Mein Haus iſt izo gantz und gar
Von Ratten und von Maͤuſen rein.
Das thateſt du: doch nicht um meinetwillen;
Nicht daß du mir ſo wollteſt nuͤtzlich ſeyn;
Nein, ſondern deinen Balg zu fuͤllen.
Du fiengeſt, Wieſel, meinen Feind;
Warum? Er war nicht mein, und nicht dein Freund.
Du wollteſt meine Speiſ’ allein,
Und ohne viel Geſellen ſeyn.
Warum denn ſollteſt du vor mir geneſen;
Dieweil du in der That mein Feind geweſen?
Verderbteſt du mir nicht mein Fleiſch und Brod?
Deßwegen denn bereite dich zum Tod.
Die Wieſel konnt es nicht entſagen;
Dahero mußte ſie die Straffe tragen.
Sie ward getoͤdet auf der Statt,
Weil ohne Willen ſie gedienet hatt.
XIV. Die
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