[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.Uebersetzung aus einer Handsch. IX. Der Mann der warm und kalt bläst. EJn Mann gieng über Feld an einem Tag Da eine Menge Schnees lag, (a) Er kam in einen Wald sehr tief, Wo er lang in der Jrre lief. Er litt von Hunger grosse Noth, Von Frost erwartet er den Tod. Sein Glück war, als er sich so weit vergieng, Daß ihn ein wilder Mann mit Gütigkeit empfieng. Er nahm ihn in sein Haus, und hielt ihn wohl; Wie jeder Wirth mit seinem Gaste soll. So bald er in die Hütte kam, Begunt er wegen Frostes lahm Jn die gefrohrne Hand zu hauchen. Sein Wirth fragt ihn, warum er das gethan; Darauf antwortet ihm der fremde Mann: Jch hauche darum in die Hände, Damit die Wärme sich dahin zurücke wende. Der Waldmann sprach: Das ist sehr gut. Die Wärme ists, was dir wohl thut. Er macht ein Feur, und satzt ihn nieder; Von grossem Frost half er ihm wieder. Jndem sie so beym Feuer sassen, Wollt es sein Wirth nicht bey dem halben lassen. Er sah wohl, daß er hungrig war, Er stellt ihm gute Speise dar; Und reicht ihm einen Trunk: Trinck nur, er ist gesund. Der Fremde setzt den Becher an den Mund, Und trinckt; doch wird er bald gewahr, Daß dieser Tranck gekochet war. Er brannt ihn auf die Zung: Alsbald blies er daran. Da sprach zu ihm der wilde Mann: Was (a) Ains tages so vil schnewes lit.
Ueberſetzung aus einer Handſch. IX. Der Mann der warm und kalt blaͤſt. EJn Mann gieng uͤber Feld an einem Tag Da eine Menge Schnees lag, (a) Er kam in einen Wald ſehr tief, Wo er lang in der Jrre lief. Er litt von Hunger groſſe Noth, Von Froſt erwartet er den Tod. Sein Gluͤck war, als er ſich ſo weit vergieng, Daß ihn ein wilder Mann mit Guͤtigkeit empfieng. Er nahm ihn in ſein Haus, und hielt ihn wohl; Wie jeder Wirth mit ſeinem Gaſte ſoll. So bald er in die Huͤtte kam, Begunt er wegen Froſtes lahm Jn die gefrohrne Hand zu hauchen. Sein Wirth fragt ihn, warum er das gethan; Darauf antwortet ihm der fremde Mann: Jch hauche darum in die Haͤnde, Damit die Waͤrme ſich dahin zuruͤcke wende. Der Waldmann ſprach: Das iſt ſehr gut. Die Waͤrme iſts, was dir wohl thut. Er macht ein Feur, und ſatzt ihn nieder; Von groſſem Froſt half er ihm wieder. Jndem ſie ſo beym Feuer ſaſſen, Wollt es ſein Wirth nicht bey dem halben laſſen. Er ſah wohl, daß er hungrig war, Er ſtellt ihm gute Speiſe dar; Und reicht ihm einen Trunk: Trinck nur, er iſt geſund. Der Fremde ſetzt den Becher an den Mund, Und trinckt; doch wird er bald gewahr, Daß dieſer Tranck gekochet war. Er brannt ihn auf die Zung: Alsbald blies er daran. Da ſprach zu ihm der wilde Mann: Was (a) Ains tages ſo vil ſchnewes lit.
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Ueberſetzung aus einer Handſch.
IX.
Der Mann der warm und
kalt blaͤſt.
EJn Mann gieng uͤber Feld an einem Tag
Da eine Menge Schnees lag, (a)
Er kam in einen Wald ſehr tief,
Wo er lang in der Jrre lief.
Er litt von Hunger groſſe Noth,
Von Froſt erwartet er den Tod.
Sein Gluͤck war, als er ſich ſo weit vergieng,
Daß ihn ein wilder Mann mit Guͤtigkeit empfieng.
Er nahm ihn in ſein Haus, und hielt ihn wohl;
Wie jeder Wirth mit ſeinem Gaſte ſoll.
So bald er in die Huͤtte kam,
Begunt er wegen Froſtes lahm
Jn die gefrohrne Hand zu hauchen.
Sein Wirth fragt ihn, warum er das gethan;
Darauf antwortet ihm der fremde Mann:
Jch hauche darum in die Haͤnde,
Damit die Waͤrme ſich dahin zuruͤcke wende.
Der Waldmann ſprach: Das iſt ſehr gut.
Die Waͤrme iſts, was dir wohl thut.
Er macht ein Feur, und ſatzt ihn nieder;
Von groſſem Froſt half er ihm wieder.
Jndem ſie ſo beym Feuer ſaſſen,
Wollt es ſein Wirth nicht bey dem halben laſſen.
Er ſah wohl, daß er hungrig war,
Er ſtellt ihm gute Speiſe dar;
Und reicht ihm einen Trunk: Trinck nur, er iſt geſund.
Der Fremde ſetzt den Becher an den Mund,
Und trinckt; doch wird er bald gewahr,
Daß dieſer Tranck gekochet war.
Er brannt ihn auf die Zung: Alsbald blies er daran.
Da ſprach zu ihm der wilde Mann:
Was
(a) Ains tages ſo vil ſchnewes lit.
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