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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

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Johann Miltons
höchsten Macht eine andere entgegenzusetzen,
welche in den ebnen Feldern des Himmels
seinen Thron in einer zweifelhaftigen Schlacht
erschütterte. Gesezt, eine Schlacht sey verloh-
ren, alles ist darum nicht verlohren; der un-
überwindliche Wille nicht, das Verlangen nach
Rache nicht, noch der unsterbliche Haß, und
der Vorsatz sich zu keinen Zeiten zu unterwerf-
fen und zu ergeben; Und was heißt das an-
ders, als, nicht überwunden seyn? Diesen
Ruhm soll weder sein Zorn noch seine Macht
jemahls von mir erzwingen, daß ich einen
flehenden Kniefall vor ihm thun, und ihn um
Gnade ersuchen, oder daß ich die Macht de-
rer vergöttern sollte, welche die Furcht vor
meinem Arm noch neulich dahin gebracht, daß
sie ein Mißtrauen in seine Oberherrschaft ge-
setzet haben. Wahrhaftig, das wäre etwas
niederträchtiges, das wäre mir eine grössere
Schmach und Schande, als dieser tiefe Höl-
lenfall. Nachdem kraft des Schicksals die
Stärcke der Götter und dieses empyreische We-
sen nicht abnehmen kan; nachdem wir, ver-
möge der Erfahrung in diesem merckwürdigen
Begegniß, an Kraft nichts abgenommen, an
Vorsichtigkeit ein grosses zugenommen haben,
so können wir jezo mit einer glücklichern Hoff-
nung uns entschliessen, mit List oder Gewalt
einen ewigen Krieg mit unsrem grossen Feinde
zu führen, und keinen Frieden jemahls mit
demselben einzugehen, welcher jezo triumphiert,
und voller ungemessenen Freude die Herrschaft

in

Johann Miltons
hoͤchſten Macht eine andere entgegenzuſetzen,
welche in den ebnen Feldern des Himmels
ſeinen Thron in einer zweifelhaftigen Schlacht
erſchuͤtterte. Geſezt, eine Schlacht ſey verloh-
ren, alles iſt darum nicht verlohren; der un-
uͤberwindliche Wille nicht, das Verlangen nach
Rache nicht, noch der unſterbliche Haß, und
der Vorſatz ſich zu keinen Zeiten zu unterwerf-
fen und zu ergeben; Und was heißt das an-
ders, als, nicht uͤberwunden ſeyn? Dieſen
Ruhm ſoll weder ſein Zorn noch ſeine Macht
jemahls von mir erzwingen, daß ich einen
flehenden Kniefall vor ihm thun, und ihn um
Gnade erſuchen, oder daß ich die Macht de-
rer vergoͤttern ſollte, welche die Furcht vor
meinem Arm noch neulich dahin gebracht, daß
ſie ein Mißtrauen in ſeine Oberherrſchaft ge-
ſetzet haben. Wahrhaftig, das waͤre etwas
niedertraͤchtiges, das waͤre mir eine groͤſſere
Schmach und Schande, als dieſer tiefe Hoͤl-
lenfall. Nachdem kraft des Schickſals die
Staͤrcke der Goͤtter und dieſes empyreiſche We-
ſen nicht abnehmen kan; nachdem wir, ver-
moͤge der Erfahrung in dieſem merckwuͤrdigen
Begegniß, an Kraft nichts abgenommen, an
Vorſichtigkeit ein groſſes zugenommen haben,
ſo koͤnnen wir jezo mit einer gluͤcklichern Hoff-
nung uns entſchlieſſen, mit Liſt oder Gewalt
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zu fuͤhren, und keinen Frieden jemahls mit
demſelben einzugehen, welcher jezo triumphiert,
und voller ungemeſſenen Freude die Herrſchaft

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[8/0024] Johann Miltons hoͤchſten Macht eine andere entgegenzuſetzen, welche in den ebnen Feldern des Himmels ſeinen Thron in einer zweifelhaftigen Schlacht erſchuͤtterte. Geſezt, eine Schlacht ſey verloh- ren, alles iſt darum nicht verlohren; der un- uͤberwindliche Wille nicht, das Verlangen nach Rache nicht, noch der unſterbliche Haß, und der Vorſatz ſich zu keinen Zeiten zu unterwerf- fen und zu ergeben; Und was heißt das an- ders, als, nicht uͤberwunden ſeyn? Dieſen Ruhm ſoll weder ſein Zorn noch ſeine Macht jemahls von mir erzwingen, daß ich einen flehenden Kniefall vor ihm thun, und ihn um Gnade erſuchen, oder daß ich die Macht de- rer vergoͤttern ſollte, welche die Furcht vor meinem Arm noch neulich dahin gebracht, daß ſie ein Mißtrauen in ſeine Oberherrſchaft ge- ſetzet haben. Wahrhaftig, das waͤre etwas niedertraͤchtiges, das waͤre mir eine groͤſſere Schmach und Schande, als dieſer tiefe Hoͤl- lenfall. Nachdem kraft des Schickſals die Staͤrcke der Goͤtter und dieſes empyreiſche We- ſen nicht abnehmen kan; nachdem wir, ver- moͤge der Erfahrung in dieſem merckwuͤrdigen Begegniß, an Kraft nichts abgenommen, an Vorſichtigkeit ein groſſes zugenommen haben, ſo koͤnnen wir jezo mit einer gluͤcklichern Hoff- nung uns entſchlieſſen, mit Liſt oder Gewalt einen ewigen Krieg mit unſrem groſſen Feinde zu fuͤhren, und keinen Frieden jemahls mit demſelben einzugehen, welcher jezo triumphiert, und voller ungemeſſenen Freude die Herrſchaft in

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/24>, abgerufen am 26.04.2024.