selben ihre Handelsschiffe rechtzeitig vor der drohenden Gefahr warnen können. Die vorherige Kenntnißgabe ist eine Bedingung der rechtmäßigen Blocade. Wenn dieselbe aber wegen der großen Entfernung des blokirten Hafens unthunlich erscheint, so daß die Anordnung der Blocade antecipirt werden muß, so ist jene Anzeige doch auch in diesem Falle möglichst zu beschleunigen.
1. Nur die Statsgewalt kann eine Blocade anordnen. Es ist das ein Act der Souveränetät. Da derselbe aber auch für die Neutralen wichtige und ge- fährliche Folgen hat, so ist diese eingreifende Maßregel möglichst bald den neutralen Staten zur Kenntniß zu bringen. Diese würden mit vollem Recht sich beschweren können, wenn ihre Schiffe, ohne vorherige Anzeige und Warnung von den blokirenden Kriegsschiffen des Kriegsstats wegen Verletzung der Blocade weggenommen würden. Zuweilen haben darüber Statsverträge nähere Bestimmungen getroffen, z. B. der englisch-amerikanische von 1794.
2. Die antecipirte Blocade wird insofern sofort wirksam, als den neu- tralen Schiffen die Fahrt zu oder aus dem blokirten Hafen je nach Umständen ver- wehrt oder doch erschwert wird. Aber sie darf nicht zur Wegnahme von neutralen Schiffen führen, die in gutem Glauben sind.
832.
Die Kenntnißgabe ist aber auch direct in einzelnen Fällen an die zur See befindlichen und sich in gutem Glauben nähernden neutralen Schiffe zu richten, damit dieselben dadurch veranlaßt werden, nach einem nicht blokirten Hafen zu steuern und so den Folgen der Blocade aus- weichen.
1. Die Proclamation des Präsidenten Lincoln vom 19. April 1861 schreibt den Commandanten der Wachschiffe vor: "Wenn ein neutrales Schiff sich nähere, dasselbe ohne Verzug zu warnen, und die Warnung in die Schiffspapiere eintragen zu lassen. Würde das gewarnte Schiff später wieder versuchen, trotz der Blocade in den blokirten Hafen ein- oder aus demselben auszulaufen, dann soll es weggenommen werden". Bei den gerichtlichen Verhandlungen darüber wurde indessen anerkannt, daß die individuelle Warnung nur da eine Bedingung der Wegnahme des Schiffs sei, wo dasselbe nicht ohnehin Kenntniß von der Blocade gehabt habe, nur insofern es in gutem, nicht wenn es in bösem Glauben sei. Vgl. Dana zu Wheaton § 518.
2. Eine Rechtsvermuthung, daß den neutralen Schiffen die Blocade bekannt geworden sei, besteht nur insofern, als dieselben aus einem Hafen kommen, in welchem die Blocade notorisch bekannt war. Diese Notorietät versteht sich für den blokirten Hafen, aber nicht ohne weiters für die neutralen Häfen.
29*
Recht der Neutralität.
ſelben ihre Handelsſchiffe rechtzeitig vor der drohenden Gefahr warnen können. Die vorherige Kenntnißgabe iſt eine Bedingung der rechtmäßigen Blocade. Wenn dieſelbe aber wegen der großen Entfernung des blokirten Hafens unthunlich erſcheint, ſo daß die Anordnung der Blocade antecipirt werden muß, ſo iſt jene Anzeige doch auch in dieſem Falle möglichſt zu beſchleunigen.
1. Nur die Statsgewalt kann eine Blocade anordnen. Es iſt das ein Act der Souveränetät. Da derſelbe aber auch für die Neutralen wichtige und ge- fährliche Folgen hat, ſo iſt dieſe eingreifende Maßregel möglichſt bald den neutralen Staten zur Kenntniß zu bringen. Dieſe würden mit vollem Recht ſich beſchweren können, wenn ihre Schiffe, ohne vorherige Anzeige und Warnung von den blokirenden Kriegsſchiffen des Kriegsſtats wegen Verletzung der Blocade weggenommen würden. Zuweilen haben darüber Statsverträge nähere Beſtimmungen getroffen, z. B. der engliſch-amerikaniſche von 1794.
2. Die antecipirte Blocade wird inſofern ſofort wirkſam, als den neu- tralen Schiffen die Fahrt zu oder aus dem blokirten Hafen je nach Umſtänden ver- wehrt oder doch erſchwert wird. Aber ſie darf nicht zur Wegnahme von neutralen Schiffen führen, die in gutem Glauben ſind.
832.
Die Kenntnißgabe iſt aber auch direct in einzelnen Fällen an die zur See befindlichen und ſich in gutem Glauben nähernden neutralen Schiffe zu richten, damit dieſelben dadurch veranlaßt werden, nach einem nicht blokirten Hafen zu ſteuern und ſo den Folgen der Blocade aus- weichen.
1. Die Proclamation des Präſidenten Lincoln vom 19. April 1861 ſchreibt den Commandanten der Wachſchiffe vor: „Wenn ein neutrales Schiff ſich nähere, dasſelbe ohne Verzug zu warnen, und die Warnung in die Schiffspapiere eintragen zu laſſen. Würde das gewarnte Schiff ſpäter wieder verſuchen, trotz der Blocade in den blokirten Hafen ein- oder aus demſelben auszulaufen, dann ſoll es weggenommen werden“. Bei den gerichtlichen Verhandlungen darüber wurde indeſſen anerkannt, daß die individuelle Warnung nur da eine Bedingung der Wegnahme des Schiffs ſei, wo dasſelbe nicht ohnehin Kenntniß von der Blocade gehabt habe, nur inſofern es in gutem, nicht wenn es in böſem Glauben ſei. Vgl. Dana zu Wheaton § 518.
2. Eine Rechtsvermuthung, daß den neutralen Schiffen die Blocade bekannt geworden ſei, beſteht nur inſofern, als dieſelben aus einem Hafen kommen, in welchem die Blocade notoriſch bekannt war. Dieſe Notorietät verſteht ſich für den blokirten Hafen, aber nicht ohne weiters für die neutralen Häfen.
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Recht der Neutralität.
ſelben ihre Handelsſchiffe rechtzeitig vor der drohenden Gefahr warnen
können. Die vorherige Kenntnißgabe iſt eine Bedingung der rechtmäßigen
Blocade. Wenn dieſelbe aber wegen der großen Entfernung des blokirten
Hafens unthunlich erſcheint, ſo daß die Anordnung der Blocade antecipirt
werden muß, ſo iſt jene Anzeige doch auch in dieſem Falle möglichſt zu
beſchleunigen.
1. Nur die Statsgewalt kann eine Blocade anordnen. Es iſt das ein
Act der Souveränetät. Da derſelbe aber auch für die Neutralen wichtige und ge-
fährliche Folgen hat, ſo iſt dieſe eingreifende Maßregel möglichſt bald den neutralen
Staten zur Kenntniß zu bringen. Dieſe würden mit vollem Recht ſich beſchweren
können, wenn ihre Schiffe, ohne vorherige Anzeige und Warnung von den blokirenden
Kriegsſchiffen des Kriegsſtats wegen Verletzung der Blocade weggenommen würden.
Zuweilen haben darüber Statsverträge nähere Beſtimmungen getroffen, z. B. der
engliſch-amerikaniſche von 1794.
2. Die antecipirte Blocade wird inſofern ſofort wirkſam, als den neu-
tralen Schiffen die Fahrt zu oder aus dem blokirten Hafen je nach Umſtänden ver-
wehrt oder doch erſchwert wird. Aber ſie darf nicht zur Wegnahme von neutralen
Schiffen führen, die in gutem Glauben ſind.
832.
Die Kenntnißgabe iſt aber auch direct in einzelnen Fällen an die
zur See befindlichen und ſich in gutem Glauben nähernden neutralen
Schiffe zu richten, damit dieſelben dadurch veranlaßt werden, nach einem
nicht blokirten Hafen zu ſteuern und ſo den Folgen der Blocade aus-
weichen.
1. Die Proclamation des Präſidenten Lincoln vom 19. April 1861
ſchreibt den Commandanten der Wachſchiffe vor: „Wenn ein neutrales Schiff ſich
nähere, dasſelbe ohne Verzug zu warnen, und die Warnung in die Schiffspapiere
eintragen zu laſſen. Würde das gewarnte Schiff ſpäter wieder verſuchen, trotz der
Blocade in den blokirten Hafen ein- oder aus demſelben auszulaufen, dann ſoll es
weggenommen werden“. Bei den gerichtlichen Verhandlungen darüber wurde indeſſen
anerkannt, daß die individuelle Warnung nur da eine Bedingung der Wegnahme
des Schiffs ſei, wo dasſelbe nicht ohnehin Kenntniß von der Blocade gehabt habe,
nur inſofern es in gutem, nicht wenn es in böſem Glauben ſei. Vgl.
Dana zu Wheaton § 518.
2. Eine Rechtsvermuthung, daß den neutralen Schiffen die Blocade
bekannt geworden ſei, beſteht nur inſofern, als dieſelben aus einem Hafen kommen,
in welchem die Blocade notoriſch bekannt war. Dieſe Notorietät verſteht ſich
für den blokirten Hafen, aber nicht ohne weiters für die neutralen Häfen.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/473>, abgerufen am 22.02.2025.
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