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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Recht der Neutralität.
fahrt zu der blokirten Küste durch eine ausreichende Macht fortwährend
und thatsächlich verhindert. Die bloße Erklärung der Blocade genügt
nicht.

1. In frühern Zeiten wurde das Blocaderecht von den Seemächten in viel
weiterem Umfange ausgeübt. Die allmähliche Einschränkung des Blo-
caderechts
ist ein Fortschritt des neueren Bölkerrechts, weil sie die Gewaltthaten
des Kriegs ermäßigt und den friedlichen Verkehr schützt. Insbesondere behaupteten
die Seemächte früher, daß die bloße Erklärung der Blokade genüge, um den Handel
auch den Neutralen nach der als blokirt erklärten Küste zu untersagen. So hatte
z. B. England 1780 die ganze französische Küste und im Jahr 1806 der Kaiser
Napoleon alle englischen Küsten in Blocadezustand erklärt. Auf dem Pariser
Congreß
von 1856 wurde endlich (16. April) der früher schon von der ersten
bewaffneten Neutralität vertretene, aber auch von England und Frankreich 1854 im
Russischen Krieg angenommene Grundsatz anerkannt: "Les blocus pour etre obli-
gatoires, doivent etre effectifs, c'est a dire maintenus par une force suffi-
sante pour interdire reellement l'acces du littoral de l'ennemi".
Es wird also
nur die "effective" (wirksame), nicht die fictive (Papier blocus) See-
sperre
anerkannt.

2. Ein Antrag, die bloße Handelsblocade, d. h. die Hemmung des
reinen militärisch unverfänglichen Handelsverkehrs, überhaupt nicht
mehr zuzulassen, sondern nur noch die militärische Blocade, d. h. welche den
Verkehr mit einer Festung oder einer militärisch-wichtigen Seestation abschneidet, ist
bisher noch nicht zu weiterer Anerkennung gelangt. Man begreift es, daß die See-
mächte, deren Macht und Zwang wesentlich auf die Küsten beschränkt sind, sich da-
gegen sträuben, eine solche Beschränkung anzunehmen, durch welche ihre Nöthigungs-
mittel sehr erheblich vermindert würden. Vgl. Dana zu Wheaton Int. L. § 510.
und oben zu § 673.

829.

Für wirksam gesperrt ist ein Hafen dann zu erachten, wenn die
Ein- und Ausfahrt entweder durch Kriegsschiffe, welche vor dem Hafen
liegen, oder durch Landbatterien des blokirenden Stats verhindert werden.
Eine bestimmte Anzahl von Kriegsschiffen wird nicht erfordert, ebenso
wenig als eine bestimmte Anzahl von Kanonen der Landbatterie. Aber es
muß die vorhandene Kriegsmacht nahe und stark genug sein, um nicht bloß
in einzelnen Fällen, aber auch nicht nothwendig in allen Fällen, sondern
regelmäßig den Verkehr der Handelsschiffe verhindern zu können.

Man muß sich hier vor zwei extremen Auslegungen des Wortes "effective
Blocade" hüten. Die eine überspannt die Anforderung an dieselbe, indem sie

Bluntschli, Das Völkerrecht. 29

Recht der Neutralität.
fahrt zu der blokirten Küſte durch eine ausreichende Macht fortwährend
und thatſächlich verhindert. Die bloße Erklärung der Blocade genügt
nicht.

1. In frühern Zeiten wurde das Blocaderecht von den Seemächten in viel
weiterem Umfange ausgeübt. Die allmähliche Einſchränkung des Blo-
caderechts
iſt ein Fortſchritt des neueren Bölkerrechts, weil ſie die Gewaltthaten
des Kriegs ermäßigt und den friedlichen Verkehr ſchützt. Insbeſondere behaupteten
die Seemächte früher, daß die bloße Erklärung der Blokade genüge, um den Handel
auch den Neutralen nach der als blokirt erklärten Küſte zu unterſagen. So hatte
z. B. England 1780 die ganze franzöſiſche Küſte und im Jahr 1806 der Kaiſer
Napoleon alle engliſchen Küſten in Blocadezuſtand erklärt. Auf dem Pariſer
Congreß
von 1856 wurde endlich (16. April) der früher ſchon von der erſten
bewaffneten Neutralität vertretene, aber auch von England und Frankreich 1854 im
Ruſſiſchen Krieg angenommene Grundſatz anerkannt: „Les blocus pour être obli-
gatoires, doivent être effectifs, c’est à dire maintenus par une force suffi-
sante pour interdire réellement l’accès du littoral de l’ennemi“.
Es wird alſo
nur die „effective“ (wirkſame), nicht die fictive (Papier blocus) See-
ſperre
anerkannt.

2. Ein Antrag, die bloße Handelsblocade, d. h. die Hemmung des
reinen militäriſch unverfänglichen Handelsverkehrs, überhaupt nicht
mehr zuzulaſſen, ſondern nur noch die militäriſche Blocade, d. h. welche den
Verkehr mit einer Feſtung oder einer militäriſch-wichtigen Seeſtation abſchneidet, iſt
bisher noch nicht zu weiterer Anerkennung gelangt. Man begreift es, daß die See-
mächte, deren Macht und Zwang weſentlich auf die Küſten beſchränkt ſind, ſich da-
gegen ſträuben, eine ſolche Beſchränkung anzunehmen, durch welche ihre Nöthigungs-
mittel ſehr erheblich vermindert würden. Vgl. Dana zu Wheaton Int. L. § 510.
und oben zu § 673.

829.

Für wirkſam geſperrt iſt ein Hafen dann zu erachten, wenn die
Ein- und Ausfahrt entweder durch Kriegsſchiffe, welche vor dem Hafen
liegen, oder durch Landbatterien des blokirenden Stats verhindert werden.
Eine beſtimmte Anzahl von Kriegsſchiffen wird nicht erfordert, ebenſo
wenig als eine beſtimmte Anzahl von Kanonen der Landbatterie. Aber es
muß die vorhandene Kriegsmacht nahe und ſtark genug ſein, um nicht bloß
in einzelnen Fällen, aber auch nicht nothwendig in allen Fällen, ſondern
regelmäßig den Verkehr der Handelsſchiffe verhindern zu können.

Man muß ſich hier vor zwei extremen Auslegungen des Wortes „effective
Blocade“ hüten. Die eine überſpannt die Anforderung an dieſelbe, indem ſie

Bluntſchli, Das Völkerrecht. 29
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[449/0471] Recht der Neutralität. fahrt zu der blokirten Küſte durch eine ausreichende Macht fortwährend und thatſächlich verhindert. Die bloße Erklärung der Blocade genügt nicht. 1. In frühern Zeiten wurde das Blocaderecht von den Seemächten in viel weiterem Umfange ausgeübt. Die allmähliche Einſchränkung des Blo- caderechts iſt ein Fortſchritt des neueren Bölkerrechts, weil ſie die Gewaltthaten des Kriegs ermäßigt und den friedlichen Verkehr ſchützt. Insbeſondere behaupteten die Seemächte früher, daß die bloße Erklärung der Blokade genüge, um den Handel auch den Neutralen nach der als blokirt erklärten Küſte zu unterſagen. So hatte z. B. England 1780 die ganze franzöſiſche Küſte und im Jahr 1806 der Kaiſer Napoleon alle engliſchen Küſten in Blocadezuſtand erklärt. Auf dem Pariſer Congreß von 1856 wurde endlich (16. April) der früher ſchon von der erſten bewaffneten Neutralität vertretene, aber auch von England und Frankreich 1854 im Ruſſiſchen Krieg angenommene Grundſatz anerkannt: „Les blocus pour être obli- gatoires, doivent être effectifs, c’est à dire maintenus par une force suffi- sante pour interdire réellement l’accès du littoral de l’ennemi“. Es wird alſo nur die „effective“ (wirkſame), nicht die fictive (Papier blocus) See- ſperre anerkannt. 2. Ein Antrag, die bloße Handelsblocade, d. h. die Hemmung des reinen militäriſch unverfänglichen Handelsverkehrs, überhaupt nicht mehr zuzulaſſen, ſondern nur noch die militäriſche Blocade, d. h. welche den Verkehr mit einer Feſtung oder einer militäriſch-wichtigen Seeſtation abſchneidet, iſt bisher noch nicht zu weiterer Anerkennung gelangt. Man begreift es, daß die See- mächte, deren Macht und Zwang weſentlich auf die Küſten beſchränkt ſind, ſich da- gegen ſträuben, eine ſolche Beſchränkung anzunehmen, durch welche ihre Nöthigungs- mittel ſehr erheblich vermindert würden. Vgl. Dana zu Wheaton Int. L. § 510. und oben zu § 673. 829. Für wirkſam geſperrt iſt ein Hafen dann zu erachten, wenn die Ein- und Ausfahrt entweder durch Kriegsſchiffe, welche vor dem Hafen liegen, oder durch Landbatterien des blokirenden Stats verhindert werden. Eine beſtimmte Anzahl von Kriegsſchiffen wird nicht erfordert, ebenſo wenig als eine beſtimmte Anzahl von Kanonen der Landbatterie. Aber es muß die vorhandene Kriegsmacht nahe und ſtark genug ſein, um nicht bloß in einzelnen Fällen, aber auch nicht nothwendig in allen Fällen, ſondern regelmäßig den Verkehr der Handelsſchiffe verhindern zu können. Man muß ſich hier vor zwei extremen Auslegungen des Wortes „effective Blocade“ hüten. Die eine überſpannt die Anforderung an dieſelbe, indem ſie Bluntſchli, Das Völkerrecht. 29

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/471>, abgerufen am 21.11.2024.