seiner Neutralität herauszutreten und sei es selbständig, sei es in Verbin- dung mit der Gegenpartei des verletzenden Stats diesen zu bekriegen. Die bloße bewaffnete Vertheidigung des neutralen Gebiets und die Zurück- weisung eines kriegerischen Angriffs hebt den neutralen Charakter nicht auf, sondern bekräftigt ihn.
1. Vgl. oben Buch VII. Cap. 1. Aus der Verletzung der Neutralitäts- rechte durch eine Kriegspartei folgt noch nicht das sofortige Recht des Neutralen am Kriege Theil zu nehmen. Diese Folge wäre ebenso unverhältnißmäßig, wie die umgekehrte aus der Verletzung der Neutralitätspflichten (oben § 781). In den meisten Fällen wird ein auf Genugthuung gerichtetes Ver- fahren den Bedürfnissen entsprechen. Im October 1864 fand ein den nordamerika- nischen Südstaten dienendes Kreuzerschiff Florida Aufnahme in dem Brasilischen Hafen zu Bahia auf 48 Stunden, um die nöthigen Reparaturen vorzunehmen. Dieses Schiff wurde von einem Kriegsschiff der Vereinigten Staten, Wachusett, in der Nacht angegriffen und genommen. Die Regierung von Brasilien forderte nun Genugthuung für diesen Bruch der neutralen Gebietshoheit. Die Unionsregierung erkannte das Recht jener an, und erbot sich, den Commandanten des Wachusett vor ein Kriegsgericht zu stellen, den nordamerikanischen Consul in Bahia, der zu diesem Rechtsbruch geholfen hatte, zu entlassen und die gefangene Mannschaft der Florida, obwohl sie dieselbe als Seeräuber betrachte, frei zu geben. Da das Schiff selbst in Folge eines spätern Unglücks gesunken war, wofür die Vereinigten Staten keine Ver- antwortlichkeit hatten, so war in dieser Hinsicht die Herausgabe unmöglich geworden. Mit dieser Genugthuung erklärte sich die Brasilische Regierung zufrieden. Vgl. Dana zu WheatonInt. L. zu § 430.
2. Wenn aber der Friedensbruch, welchen der neutrale Stat durch eine Kriegspartei erleidet, so groß und schwer ist, daß derselbe als unmittelbare Kriegsursache gilt, so kann der neutrale Stat entweder selbständig einen neuen und zweiten Krieg führen gegen den Friedensbrecher oder er kann, was in den meisten Fällen zweckmäßiger sein wird, sich mit den Feinden des Friedensbrechers zum Kriege verbünden und den bisherigen Krieg durch seine Theilnahme erweitern.
3. In manchen Fällen wird die militärische Abwehr einer Neutralitäts- verletzung die Wirksamkeit der Neutralität bewahren. Diese ist noch nicht Krieg, wenn sie auch mit Kriegsmitteln wirkt. Zum Kriege fehlt die feindliche Absicht. Die Friedensabsicht ist hier entscheidend und die Kriegsmittel werden nur vorübergehend angewendet, um die friedliche Haltung des neutralen States zu sichern.
791.
Hat ein Hülfscorps des neutralen Stats (§ 736) an dem Kriege
Neuntes Buch.
ſeiner Neutralität herauszutreten und ſei es ſelbſtändig, ſei es in Verbin- dung mit der Gegenpartei des verletzenden Stats dieſen zu bekriegen. Die bloße bewaffnete Vertheidigung des neutralen Gebiets und die Zurück- weiſung eines kriegeriſchen Angriffs hebt den neutralen Charakter nicht auf, ſondern bekräftigt ihn.
1. Vgl. oben Buch VII. Cap. 1. Aus der Verletzung der Neutralitäts- rechte durch eine Kriegspartei folgt noch nicht das ſofortige Recht des Neutralen am Kriege Theil zu nehmen. Dieſe Folge wäre ebenſo unverhältnißmäßig, wie die umgekehrte aus der Verletzung der Neutralitätspflichten (oben § 781). In den meiſten Fällen wird ein auf Genugthuung gerichtetes Ver- fahren den Bedürfniſſen entſprechen. Im October 1864 fand ein den nordamerika- niſchen Südſtaten dienendes Kreuzerſchiff Florida Aufnahme in dem Braſiliſchen Hafen zu Bahia auf 48 Stunden, um die nöthigen Reparaturen vorzunehmen. Dieſes Schiff wurde von einem Kriegsſchiff der Vereinigten Staten, Wachuſett, in der Nacht angegriffen und genommen. Die Regierung von Braſilien forderte nun Genugthuung für dieſen Bruch der neutralen Gebietshoheit. Die Unionsregierung erkannte das Recht jener an, und erbot ſich, den Commandanten des Wachuſett vor ein Kriegsgericht zu ſtellen, den nordamerikaniſchen Conſul in Bahia, der zu dieſem Rechtsbruch geholfen hatte, zu entlaſſen und die gefangene Mannſchaft der Florida, obwohl ſie dieſelbe als Seeräuber betrachte, frei zu geben. Da das Schiff ſelbſt in Folge eines ſpätern Unglücks geſunken war, wofür die Vereinigten Staten keine Ver- antwortlichkeit hatten, ſo war in dieſer Hinſicht die Herausgabe unmöglich geworden. Mit dieſer Genugthuung erklärte ſich die Braſiliſche Regierung zufrieden. Vgl. Dana zu WheatonInt. L. zu § 430.
2. Wenn aber der Friedensbruch, welchen der neutrale Stat durch eine Kriegspartei erleidet, ſo groß und ſchwer iſt, daß derſelbe als unmittelbare Kriegsurſache gilt, ſo kann der neutrale Stat entweder ſelbſtändig einen neuen und zweiten Krieg führen gegen den Friedensbrecher oder er kann, was in den meiſten Fällen zweckmäßiger ſein wird, ſich mit den Feinden des Friedensbrechers zum Kriege verbünden und den bisherigen Krieg durch ſeine Theilnahme erweitern.
3. In manchen Fällen wird die militäriſche Abwehr einer Neutralitäts- verletzung die Wirkſamkeit der Neutralität bewahren. Dieſe iſt noch nicht Krieg, wenn ſie auch mit Kriegsmitteln wirkt. Zum Kriege fehlt die feindliche Abſicht. Die Friedensabſicht iſt hier entſcheidend und die Kriegsmittel werden nur vorübergehend angewendet, um die friedliche Haltung des neutralen States zu ſichern.
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Hat ein Hülfscorps des neutralen Stats (§ 736) an dem Kriege
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Neuntes Buch.
ſeiner Neutralität herauszutreten und ſei es ſelbſtändig, ſei es in Verbin-
dung mit der Gegenpartei des verletzenden Stats dieſen zu bekriegen. Die
bloße bewaffnete Vertheidigung des neutralen Gebiets und die Zurück-
weiſung eines kriegeriſchen Angriffs hebt den neutralen Charakter nicht auf,
ſondern bekräftigt ihn.
1. Vgl. oben Buch VII. Cap. 1. Aus der Verletzung der Neutralitäts-
rechte durch eine Kriegspartei folgt noch nicht das ſofortige Recht des Neutralen
am Kriege Theil zu nehmen. Dieſe Folge wäre ebenſo unverhältnißmäßig,
wie die umgekehrte aus der Verletzung der Neutralitätspflichten (oben
§ 781). In den meiſten Fällen wird ein auf Genugthuung gerichtetes Ver-
fahren den Bedürfniſſen entſprechen. Im October 1864 fand ein den nordamerika-
niſchen Südſtaten dienendes Kreuzerſchiff Florida Aufnahme in dem Braſiliſchen
Hafen zu Bahia auf 48 Stunden, um die nöthigen Reparaturen vorzunehmen.
Dieſes Schiff wurde von einem Kriegsſchiff der Vereinigten Staten, Wachuſett, in
der Nacht angegriffen und genommen. Die Regierung von Braſilien forderte nun
Genugthuung für dieſen Bruch der neutralen Gebietshoheit. Die Unionsregierung
erkannte das Recht jener an, und erbot ſich, den Commandanten des Wachuſett vor
ein Kriegsgericht zu ſtellen, den nordamerikaniſchen Conſul in Bahia, der zu dieſem
Rechtsbruch geholfen hatte, zu entlaſſen und die gefangene Mannſchaft der Florida,
obwohl ſie dieſelbe als Seeräuber betrachte, frei zu geben. Da das Schiff ſelbſt in
Folge eines ſpätern Unglücks geſunken war, wofür die Vereinigten Staten keine Ver-
antwortlichkeit hatten, ſo war in dieſer Hinſicht die Herausgabe unmöglich geworden.
Mit dieſer Genugthuung erklärte ſich die Braſiliſche Regierung zufrieden. Vgl.
Dana zu Wheaton Int. L. zu § 430.
2. Wenn aber der Friedensbruch, welchen der neutrale Stat durch eine
Kriegspartei erleidet, ſo groß und ſchwer iſt, daß derſelbe als unmittelbare
Kriegsurſache gilt, ſo kann der neutrale Stat entweder ſelbſtändig einen
neuen und zweiten Krieg führen gegen den Friedensbrecher oder er kann, was
in den meiſten Fällen zweckmäßiger ſein wird, ſich mit den Feinden des
Friedensbrechers zum Kriege verbünden und den bisherigen Krieg durch ſeine
Theilnahme erweitern.
3. In manchen Fällen wird die militäriſche Abwehr einer Neutralitäts-
verletzung die Wirkſamkeit der Neutralität bewahren. Dieſe iſt noch
nicht Krieg, wenn ſie auch mit Kriegsmitteln wirkt. Zum Kriege fehlt die feindliche
Abſicht. Die Friedensabſicht iſt hier entſcheidend und die Kriegsmittel werden
nur vorübergehend angewendet, um die friedliche Haltung des neutralen States zu
ſichern.
791.
Hat ein Hülfscorps des neutralen Stats (§ 736) an dem Kriege
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/448>, abgerufen am 21.11.2024.
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