Aller frühere Streit wird durch den Frieden geschlichtet und alle frühern Verletzungen und Beleidigungen werden der Vergessenheit über- liefert. Ein neuer Krieg darf nur durch neue Kriegsursachen begründet werden.
Vgl. oben § 708.
715.
Der öffentliche Besitzstand zur Zeit des Friedensschlusses wird, soweit nicht darin abweichende Bestimmungen getroffen sind, als Grundlage der erneuerten Friedensordnung betrachtet. Jeder Theil behält das Gebiet nunmehr zu Recht, das er besitzt.
1. Der Friedensvertrag kann auch eine andere Grundlage des neuen Friedens- standes festsetzen. Sehr oft greift man auf den Rechtszustand vor dem Ausbruch des Krieges zurück und stellt denselben wieder her. Es ist das der sogenannte Status quo ante bellum sc. res fuerunt. Wenn das aber nicht geschehen ist, so wird der gegenwärtige Besitzstand, d. h. der Status, quo bellum res reliquit als Grundlage angenommen. Man bezeichnet diesen Grundsatz auch in Erinnerung an das Interdict des römischen Prätors zum Schutz des Besitzes eines Grundstücks gegen gewaltsame oder sonst rechtswidrige Störung als Uti possidetis. Diese Bezeichnung ist freilich ungenau, theils weil es sich hier nicht um privatrechtlichen Grundbesitz, sondern um statsrechtliche Gebietshoheit handelt, theils weil das römische Interdict nur den Besitz schützt (als interdictum retinendae possessionis), der völkerrechtliche Friedensschluß dagegen nicht bloß Besitzverhältnisse regulirt, sondern auf deren Grundlage die Rechtsverhältnisse von neuem ordnet oder befestigt. Erst durch den Frieden wird die Eroberung und die gewaltsame Einverleibung aus einem Besitzstand in einen Rechtsstand umgewandelt. Vgl. oben § 50 u. 545.
716.
Die Kriegsgefangenschaft erlischt von Rechtswegen mit dem Friedens- schluß, indem dieselbe nur aus Kriegsrecht und nur als Kriegsmittel geübt wird.
Vorbehalten bleiben die Maßregeln sowohl einer geordneten Ueber- gabe und Entlassung der vormaligen Gefangenen als der Sorge für Be- zahlung der Schulden, welche dieselben contrahirt haben.
Achtes Buch.
714.
Aller frühere Streit wird durch den Frieden geſchlichtet und alle frühern Verletzungen und Beleidigungen werden der Vergeſſenheit über- liefert. Ein neuer Krieg darf nur durch neue Kriegsurſachen begründet werden.
Vgl. oben § 708.
715.
Der öffentliche Beſitzſtand zur Zeit des Friedensſchluſſes wird, ſoweit nicht darin abweichende Beſtimmungen getroffen ſind, als Grundlage der erneuerten Friedensordnung betrachtet. Jeder Theil behält das Gebiet nunmehr zu Recht, das er beſitzt.
1. Der Friedensvertrag kann auch eine andere Grundlage des neuen Friedens- ſtandes feſtſetzen. Sehr oft greift man auf den Rechtszuſtand vor dem Ausbruch des Krieges zurück und ſtellt denſelben wieder her. Es iſt das der ſogenannte Status quo ante bellum sc. res fuerunt. Wenn das aber nicht geſchehen iſt, ſo wird der gegenwärtige Beſitzſtand, d. h. der Status, quo bellum res reliquit als Grundlage angenommen. Man bezeichnet dieſen Grundſatz auch in Erinnerung an das Interdict des römiſchen Prätors zum Schutz des Beſitzes eines Grundſtücks gegen gewaltſame oder ſonſt rechtswidrige Störung als Uti possidetis. Dieſe Bezeichnung iſt freilich ungenau, theils weil es ſich hier nicht um privatrechtlichen Grundbeſitz, ſondern um ſtatsrechtliche Gebietshoheit handelt, theils weil das römiſche Interdict nur den Beſitz ſchützt (als interdictum retinendae possessionis), der völkerrechtliche Friedensſchluß dagegen nicht bloß Beſitzverhältniſſe regulirt, ſondern auf deren Grundlage die Rechtsverhältniſſe von neuem ordnet oder befeſtigt. Erſt durch den Frieden wird die Eroberung und die gewaltſame Einverleibung aus einem Beſitzſtand in einen Rechtsſtand umgewandelt. Vgl. oben § 50 u. 545.
716.
Die Kriegsgefangenſchaft erliſcht von Rechtswegen mit dem Friedens- ſchluß, indem dieſelbe nur aus Kriegsrecht und nur als Kriegsmittel geübt wird.
Vorbehalten bleiben die Maßregeln ſowohl einer geordneten Ueber- gabe und Entlaſſung der vormaligen Gefangenen als der Sorge für Be- zahlung der Schulden, welche dieſelben contrahirt haben.
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Achtes Buch.
714.
Aller frühere Streit wird durch den Frieden geſchlichtet und alle
frühern Verletzungen und Beleidigungen werden der Vergeſſenheit über-
liefert. Ein neuer Krieg darf nur durch neue Kriegsurſachen begründet
werden.
Vgl. oben § 708.
715.
Der öffentliche Beſitzſtand zur Zeit des Friedensſchluſſes wird, ſoweit
nicht darin abweichende Beſtimmungen getroffen ſind, als Grundlage der
erneuerten Friedensordnung betrachtet. Jeder Theil behält das Gebiet
nunmehr zu Recht, das er beſitzt.
1. Der Friedensvertrag kann auch eine andere Grundlage des neuen Friedens-
ſtandes feſtſetzen. Sehr oft greift man auf den Rechtszuſtand vor dem Ausbruch
des Krieges zurück und ſtellt denſelben wieder her. Es iſt das der ſogenannte
Status quo ante bellum sc. res fuerunt. Wenn das aber nicht geſchehen
iſt, ſo wird der gegenwärtige Beſitzſtand, d. h. der Status, quo bellum
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in Erinnerung an das Interdict des römiſchen Prätors zum Schutz des Beſitzes
eines Grundſtücks gegen gewaltſame oder ſonſt rechtswidrige Störung als Uti
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Beſitzverhältniſſe regulirt, ſondern auf deren Grundlage die Rechtsverhältniſſe
von neuem ordnet oder befeſtigt. Erſt durch den Frieden wird die Eroberung
und die gewaltſame Einverleibung aus einem Beſitzſtand in einen Rechtsſtand
umgewandelt. Vgl. oben § 50 u. 545.
716.
Die Kriegsgefangenſchaft erliſcht von Rechtswegen mit dem Friedens-
ſchluß, indem dieſelbe nur aus Kriegsrecht und nur als Kriegsmittel
geübt wird.
Vorbehalten bleiben die Maßregeln ſowohl einer geordneten Ueber-
gabe und Entlaſſung der vormaligen Gefangenen als der Sorge für Be-
zahlung der Schulden, welche dieſelben contrahirt haben.
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/410>, abgerufen am 03.12.2024.
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