daten dazu verwendet werden, und sogar die Führer selbst auf Recognoscirung ausreiten. Die Absicht ist auch hier die Erkundung der Schwächen oder Stärken der feindlichen Stellung und aller Bedingungen der militärischen Action. Diese erlaubte Art der Beobachtung ist nicht minder gefährlich als die Spionerie, aber weil sie als ein Bestandtheil der Kriegsführung selber gilt, darf sie auch vom Feinde nicht strafrechtlich behandelt werden.
631.
Auch wer solche Erkundigungen über die Kriegsführung, die ihm auf gesetzlichem Wege oder in erlaubter Weise zugekommen sind, zum Nachtheil des Heeres, in dessen Bereich er sich befindet, an den Feind mittheilt, wird als Kriegsverräther kriegsrechtlich und in schweren Fällen mit dem Tode bestraft.
Am. 89. 90. Diese Handlung kann zugleich ein gemeines Verbrechen des Landesverrathes sein, wenn ein Officier des Heeres, oder ein Civilbeamter die ihm anvertrauten Kriegspläne dem Feinde verräth oder wenn der Bewohner einer Stadt oder Festung den feindlichen Heerführern Mittheilungen in der Absicht zukommen läßt, die Eroberung der Stadt oder Festung zu erleichtern. Aber sie kann auch unter Umständen vorkommen, in denen das bürgerliche Strafgesetz kein Verbrechen findet, und dennoch der großen Gefährlichkeit wegen kriegsgericht- lich gestraft werden. Vielleicht gehört der Verräther persönlich dem State an, dessen Heer sich als Feind nähert und macht seine Mittheilungen aus patriotischer Gesin- nung. Trotzdem läuft er Gefahr, von dem am Ort herrschenden Feind als Verräther vor ein Kriegsgericht gestellt und vielleicht erschossen zu werden. Es hilft ihm nicht einmal die Einwendung, daß die Kriegsgewalt, ohne wirkliche Landeshoheit zu be- sitzen, nur vorübergehend den Ort besetzt habe. Dagegen beschränkt sich diese Straf- befugniß der Kriegsgerichte auf die Fälle, in denen ein derselben Kriegsgewalt, wenn auch nur vorübergehend unterworfener Bewohner ihr zum Nachtheil dem Feinde Mittheilungen gemacht hat, und darf nicht auf solche Fälle ausgedehnt werden, in denen die Kriegsgewalt erst nachher in den Besitz des Ortes kommt, von dem aus die Mittheilung gemacht worden ist.
632.
Von der Strafe des Kriegsverraths wird auch der bedroht, welcher aus einem von der feindlichen Kriegsmacht besetzten Orte an sein heimat- liches Heer oder seine heimatliche Regierung Mittheilungen in der Absicht macht, die jene Orte besetzende Kriegsmacht zu gefährden.
Am. 92. Vgl. zu § 631. Indessen wird in solchen Fällen die Strafe nur
Das Kriegsrecht.
daten dazu verwendet werden, und ſogar die Führer ſelbſt auf Recognoscirung ausreiten. Die Abſicht iſt auch hier die Erkundung der Schwächen oder Stärken der feindlichen Stellung und aller Bedingungen der militäriſchen Action. Dieſe erlaubte Art der Beobachtung iſt nicht minder gefährlich als die Spionerie, aber weil ſie als ein Beſtandtheil der Kriegsführung ſelber gilt, darf ſie auch vom Feinde nicht ſtrafrechtlich behandelt werden.
631.
Auch wer ſolche Erkundigungen über die Kriegsführung, die ihm auf geſetzlichem Wege oder in erlaubter Weiſe zugekommen ſind, zum Nachtheil des Heeres, in deſſen Bereich er ſich befindet, an den Feind mittheilt, wird als Kriegsverräther kriegsrechtlich und in ſchweren Fällen mit dem Tode beſtraft.
Am. 89. 90. Dieſe Handlung kann zugleich ein gemeines Verbrechen des Landesverrathes ſein, wenn ein Officier des Heeres, oder ein Civilbeamter die ihm anvertrauten Kriegspläne dem Feinde verräth oder wenn der Bewohner einer Stadt oder Feſtung den feindlichen Heerführern Mittheilungen in der Abſicht zukommen läßt, die Eroberung der Stadt oder Feſtung zu erleichtern. Aber ſie kann auch unter Umſtänden vorkommen, in denen das bürgerliche Strafgeſetz kein Verbrechen findet, und dennoch der großen Gefährlichkeit wegen kriegsgericht- lich geſtraft werden. Vielleicht gehört der Verräther perſönlich dem State an, deſſen Heer ſich als Feind nähert und macht ſeine Mittheilungen aus patriotiſcher Geſin- nung. Trotzdem läuft er Gefahr, von dem am Ort herrſchenden Feind als Verräther vor ein Kriegsgericht geſtellt und vielleicht erſchoſſen zu werden. Es hilft ihm nicht einmal die Einwendung, daß die Kriegsgewalt, ohne wirkliche Landeshoheit zu be- ſitzen, nur vorübergehend den Ort beſetzt habe. Dagegen beſchränkt ſich dieſe Straf- befugniß der Kriegsgerichte auf die Fälle, in denen ein derſelben Kriegsgewalt, wenn auch nur vorübergehend unterworfener Bewohner ihr zum Nachtheil dem Feinde Mittheilungen gemacht hat, und darf nicht auf ſolche Fälle ausgedehnt werden, in denen die Kriegsgewalt erſt nachher in den Beſitz des Ortes kommt, von dem aus die Mittheilung gemacht worden iſt.
632.
Von der Strafe des Kriegsverraths wird auch der bedroht, welcher aus einem von der feindlichen Kriegsmacht beſetzten Orte an ſein heimat- liches Heer oder ſeine heimatliche Regierung Mittheilungen in der Abſicht macht, die jene Orte beſetzende Kriegsmacht zu gefährden.
Am. 92. Vgl. zu § 631. Indeſſen wird in ſolchen Fällen die Strafe nur
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Das Kriegsrecht.
daten dazu verwendet werden, und ſogar die Führer ſelbſt auf Recognoscirung
ausreiten. Die Abſicht iſt auch hier die Erkundung der Schwächen oder Stärken
der feindlichen Stellung und aller Bedingungen der militäriſchen Action. Dieſe
erlaubte Art der Beobachtung iſt nicht minder gefährlich als die Spionerie, aber
weil ſie als ein Beſtandtheil der Kriegsführung ſelber gilt, darf ſie auch vom Feinde
nicht ſtrafrechtlich behandelt werden.
631.
Auch wer ſolche Erkundigungen über die Kriegsführung, die ihm
auf geſetzlichem Wege oder in erlaubter Weiſe zugekommen ſind, zum
Nachtheil des Heeres, in deſſen Bereich er ſich befindet, an den Feind
mittheilt, wird als Kriegsverräther kriegsrechtlich und in ſchweren Fällen
mit dem Tode beſtraft.
Am. 89. 90. Dieſe Handlung kann zugleich ein gemeines Verbrechen
des Landesverrathes ſein, wenn ein Officier des Heeres, oder ein Civilbeamter
die ihm anvertrauten Kriegspläne dem Feinde verräth oder wenn der Bewohner
einer Stadt oder Feſtung den feindlichen Heerführern Mittheilungen in der Abſicht
zukommen läßt, die Eroberung der Stadt oder Feſtung zu erleichtern. Aber ſie kann
auch unter Umſtänden vorkommen, in denen das bürgerliche Strafgeſetz
kein Verbrechen findet, und dennoch der großen Gefährlichkeit wegen kriegsgericht-
lich geſtraft werden. Vielleicht gehört der Verräther perſönlich dem State an, deſſen
Heer ſich als Feind nähert und macht ſeine Mittheilungen aus patriotiſcher Geſin-
nung. Trotzdem läuft er Gefahr, von dem am Ort herrſchenden Feind als Verräther
vor ein Kriegsgericht geſtellt und vielleicht erſchoſſen zu werden. Es hilft ihm nicht
einmal die Einwendung, daß die Kriegsgewalt, ohne wirkliche Landeshoheit zu be-
ſitzen, nur vorübergehend den Ort beſetzt habe. Dagegen beſchränkt ſich dieſe Straf-
befugniß der Kriegsgerichte auf die Fälle, in denen ein derſelben Kriegsgewalt, wenn
auch nur vorübergehend unterworfener Bewohner ihr zum Nachtheil dem Feinde
Mittheilungen gemacht hat, und darf nicht auf ſolche Fälle ausgedehnt werden, in
denen die Kriegsgewalt erſt nachher in den Beſitz des Ortes kommt, von dem aus
die Mittheilung gemacht worden iſt.
632.
Von der Strafe des Kriegsverraths wird auch der bedroht, welcher
aus einem von der feindlichen Kriegsmacht beſetzten Orte an ſein heimat-
liches Heer oder ſeine heimatliche Regierung Mittheilungen in der Abſicht
macht, die jene Orte beſetzende Kriegsmacht zu gefährden.
Am. 92. Vgl. zu § 631. Indeſſen wird in ſolchen Fällen die Strafe nur
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/365>, abgerufen am 22.02.2025.
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